Rettungsschirm für Energieversorger RWE setzt auf Hilfe von Politikern

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Ein bisschen Marktwirtschaft, ein bisschen Planwirtschaft

Die Lobbyisten von RWE haben in Berlin bereits vorgefühlt. Der Energieverband BDEW hat ein eigenes Modell für den Kapazitätsmarkt entwickelt, der eine Mischform von Marktwirtschaft und Planwirtschaft ist. Davon profitieren auch die anderen Versorger. RWE treibt die Diskussion jetzt voran und ist Speerspitze. Die liberale Devise lautet zwar: Soviel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig.

Nötig sei es aber nun, tote Kraftwerke mit Geld zu versorgen, um sie betriebsbereit zu halten. Für den Fall eines Stromengpasses. Ein Gutachten malt bereits ein Horrorszenario aus, dass es ohne Kapazitätsmarkt zu Blackouts von einer Dauer von bis zu 33 Stunden im Jahr kommen kann. Ein wahrer Schrecken für die Versorgungssicherheit, ein Schrecken für die Industrienation Deutschland.

Neuausrichtung - So steht es um die Energiekonzerne

Das Argument lautet: Im Namen der Versorgungssicherheit ist ein Unterstützungsmarkt („Kapazitätsmarkt“) nötig, und da ist der Staat und seine Energiepolitiker gefragt. Auf die RWE nun setzt.

Die Planungen laufen hinter den Kulissen schon seit Monaten. Im Berliner Wirtschaftsministerium wird bereits an verschiedenen Modellen des Kapazitätsmarktes gebastelt. Es gibt erste Eckpunkte. Diese besagen, dass es bis 2018 einen Kapazitätsmarkt in Deutschland mit einer Leistung von gut 30.000 Megawatt (soviel wie theoretisch etwa 30 Atomkraftwerke) geben soll. Das entspricht rund 50 mittelgroßen fossilen Kraftwerken (Kohle, Gas). Die Höchstleistung in Deutschland beträgt 87.000 Megawatt. Mit der Reserve würden 60 Prozent der Grundlast abgesichert werden, die in Deutschland Tag und Nacht konstant benötigt wird - besonders von energieintensiven Unternehmen.

Aus den Plänen ergeben sich vier große Fragen:

1. Wird die Öffentlichkeit einen solchen Kapazitätsmarkt als gigantische Subvention für die sowieso schon ungeliebten Energieversorger wahrnehmen und einen Sturm der Entrüstung entfachen?

2. Wird der Strompreis dadurch steigen, weil auch nicht laufende Kraftwerke vom Stromkunden bezahlt werden müssen (gleich einem Restaurant, in dem man das Essen bezahlen muss, das man nicht gegessen hat, um die Küche zu finanzieren)?

3. Wird der Vizekanzler und Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel als Sozialdemokrat einen solchen Rettungsschirm öffentlich vertreten können, auch bei den nächsten Bundestagswahlen?

4. Plant die Energielobby mit dem geplanten Kapazitätsmarkt wiederum einen Alleingang in Europa? Müssen nicht auch die Nachbarländer Frankreich und Polen in einen solchen Markt einbezogen werden? Dann würde der deutsche Stromkunde auch für stillstehende polnische Kohlekraftwerke oder sogar für stillstehende französische Atomkraftwerke die Zeche mitbezahlen. Die Diskussion mit den europäischen Nachbarländern kann langwierig sein. Sie sind die härtesten Kritiker der deutschen Energiewende. 

Der Streit, der von der deutschen Energiewirtschaft gerade angezettelt wurde, wird hart und steinig.

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