Ruhrgebiet Energiewende macht dem Ruhrgebiet zu schaffen

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Im gesamten Ruhrgebiet sind Steinkohlekraftwerke unwirschaftlich

Die größten Stärken und Schwächen von RWE
Schwäche 1: Teurer Zukauf von Kohlendioxid-ZertifikatenDer Atomausstieg macht RWE an einer Stelle besonders stark zu schaffen – wenn es um die CO2-Emissionen geht. RWE-Chef Jürgen Großmann hatte lange gehofft, durch eine Verlängerung der Laufzeiten bei den Kernkraftwerken möglichst viel CO2-freien Strom produzieren zu können. Doch nach der Atomkatastrophe von Fukushima ist klar: Der Energiekonzern wird nach wie vor sehr stark abhängig von seinen Kohlekraftwerken (Bild: Kraftwerk Westfalen in Hamm) und damit auch der größte Emittent des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids bleiben. Quelle: dapd
Schwäche 1: Teurer Zukauf von Kohlendioxid-ZertifikatenSo hat der Konzern im vergangenen Jahr insgesamt 161,9 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Das sind zwar knapp zwei Prozent weniger als 2010. Doch nur für 116,6 Millionen Tonnen hat RWE kostenlos Zertifikate zugeteilt bekommen. Für den Rest, also 45,3 Millionen Tonnen, musste der Versorger Zertifikate erwerben – und dafür rund 600 Millionen Euro bezahlen. (Bild: Braunkohlekraftwerk Neurath in Grevenbroich) Quelle: dpa
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Schwäche 2: Ratingagenturen kritisieren steigende VerschuldungDer Anstieg der Verschuldung ist ein weiterer Punkt, der dem RWE-Chef Jürgen Großmann (im Bild links mit seinem Nachfolger Peter Terium) angekreidet wird. Denn in seiner Amtszeit haben sich die Nettoschulden deutlich erhöht. Während sie im Jahr 2007 noch bei 16,51 Milliarden Euro lagen, betrugen sie Ende 2011 dagegen stolze 29,95 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Schwäche 2: Ratingagenturen kritisieren steigende VerschuldungDie Nettoschulden beinhalten alle Finanzschulden wie etwa Anleihen und Bankkredite abzüglich der flüssigen Mittel. Hinzu kommen Rückstellungen für Pensionen und die Entsorgung im Kernenergiebereich sowie bergbauliche Rückstellungen. Die Nettoschulden machten 2011 175 Prozent des Eigenkapitals und das 3,5-Fache des Ergebnisses vor Zinsen,  Steuern und Abschreibungen (Ebitda) aus. Das eigens gesetzte Ziel, beim am Ebitda gemessenen Verschuldungsfaktor eine Obergrenze von 3,0 einzuhalten, hat RWE damit nicht erreicht. (Bild: Ratingagentur Moody's) Quelle: Reuters
Schwäche 2: Ratingagenturen kritisieren steigende VerschuldungTrotz bereits erfolgter Abstufungen – unter anderem weil die Belastungen durch den Atomausstieg ansteigen – sind die externen Ratings noch ordentlich: Moody’s vergibt ein A3, S&P ein A– und Fitch ein A. Alle drei Ratingagenturen haben ihre Bonitätsnoten aber mit einem negativen Ausblick versehen. Bekommt der Energieriese seine Verschuldung nicht in den Griff, könnte es mit den Ratings weiter abwärtsgehen. (Bild: Ratingagentur Standard & Poor's) Quelle: dpa
Schwäche 3: Investitionen können nicht aus eigenen Mitteln finanziert werdenRWE investiert regelmäßig mehr Geld, als der Konzern im operativen Geschäft erwirtschaftet. Im Jahr 2011 standen dem operativen Cash-Flow von 5,5 Milliarden Euro Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte von 6,4 Milliarden Euro gegenüber. Der sogenannte freie Cash-Flow lag somit bei minus 843 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor waren es sogar minus 879 Millionen Euro. (Bild: Windrad vor dem Braunkohlekraftwerk Neurath) Quelle: dpa

4000 bis 4500 Betriebsstunden im Jahr sind aber nötig, um auskömmliche Gewinne zu erwirtschaften. Vor allem zur Mittagszeit, wenn viel Strom benötigt wird, laufen die Anlagen wegen des Wind- und Sonnenstroms nur auf kleiner Flamme.

„Die niedrigere Zahl wirtschaftlicher Betriebsstunden führt zu starker Reduzierung der Wirtschaftlichkeit“, sagt ein Stadtwerke-Manager und macht die Rechnung auf: 2006 betrugen die Erlöse der Steinkohlemeiler während der Mittagsstunden gut 470 Euro pro Megawattstunde. 2011 seien es nur noch 74 Euro, 2012 nur 40 Euro.

Dazu kommt, dass der wichtige Steag-Kunde RWE mit den eigenen gering ausgelasteten Steinkohlekraftwerken Probleme hat und nach und nach die Bestellungen kappt. Vor zwei Jahren kündigte RWE an, den Vertrag über 1800 Megawatt nicht zu verlängern. 1600 Megawatt davon sind bis Ende 2012 ausgelaufen, die verbleibenden 200 Megawatt fallen in diesem Jahr weg. „Über die übrigen Verträge werden wir von Fall zu Fall entscheiden“, sagt ein RWE-Manager. Damit hat die Steag die Nachfrage nach einem Fünftel ihre Kraftwerkskapazität von 10 000 Megawatt verloren. Es seien andere potente Großkunden gefunden worden, versucht Steag-Chef Joachim Rumstadt die Gemüter zu beruhigen.

Zum Fiasko droht das Engagement bei der Steag für die Stadtwerke zu werden, weil Evonik das Recht hat, den Kommunen 2016 den verbliebenen Anteil an dem Kraftwerksbetreiber zu verkaufen. Die Kämmerer hoffen inzwischen, dass sich ein anderer potenter Investor findet, der das Paket von Evonik übernimmt. Im Sommer wollen sie einen Käufer präsentieren.

Die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Steinkohlekraftwerke geht quer durch das Ruhrgebiet. Gekko in Hamm wird wohl in diesem Jahr nicht ans Netz gehen, weil der Betrieb zurzeit keine Aussicht auf Gewinne bietet. Dasselbe Problem hat das Kraftwerk Walsum 10 in Duisburg. Der Anschluss ans Netz war durch Baumängel immer wieder verzögert worden. Obwohl Eigentümer Steag versprach, dass Walsum 2013 in Betrieb geht, rechnet damit aus der Branche aufgrund der geringen Auslastung niemand. „Weder für Walsum noch für Gekko sehe ich, dass sie in nächster Zeit ihre Vollkosten erwirtschaften können“, sagt Christoph Weber, Professor für Energiewirtschaft an der Uni Duisburg-Essen.

Wie direkt die Ruhr-Kommunen von den sinkenden Erträgen der Kraftwerke abhängen, zeigt Dortmund. Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke ist nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender der gebeutelten Steag, sondern mit dem Sechs-Prozent-Anteil seiner Kommune an RWE wichtigster kommunaler Aktionär. Doch die Geschäftsaussichten des Energieriesen sind nach Aussagen von RWE-Lenker Peter Terium schlecht. RWE hat 33 Milliarden Euro Schulden, das Nettoergebnis brach 2012 um 28 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro ein. Trotzdem schüttete RWE zwei Euro pro Aktie Dividende aus.

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