Vergnügen sind die RWE-Hauptversammlungen für Vorstandschef Peter Terium wegen der anhaltenden Krise des Essener Energieversorgers schon seit Jahren nicht mehr. In diesem Jahr könnte es in der Grugahalle in Essen bei der alljährlichen Anlegerversammlung für den niederländischen Top-Manager aber noch mal ungemütlicher werden.
Größter Streitpunkt: Die Anleger sind sauer, weil RWE in diesem Jahr keine Dividende zahlen will. Mit einem solchen Schritt hatten viele längst gerechnet, Anfang des Jahres kam Teriums Entscheidung dann doch überraschend. Denn leisten kann sich RWE es schon lange nicht mehr, seinen Anteilseignern Geld auszuschütten.
Für Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment ist klar: „Der Dividendenausfall für die Stammaktionäre ist nötig, um die RWE-Bilanz zu stärken.“ Nach einem Verlust von 170 Millionen Euro hatte der Vorstand um Konzernboss Peter Terium vorgeschlagen, den Vorzugsaktionären für 2015 eine Dividende von 13 Cent je Aktie zu zahlen und den Stammaktionären gar nichts.
Das ist sicherlich richtig. Doch den kommunalen Anteilseigern von RWE steht das Wasser selbst bis zum Hals. Städte und Landkreise vor allem aus Nordrhein-Westfalen halten rund ein Viertel der RWE-Anteile. Dividenden-Einnahmen in Millionenhöhe aus den RWE-Aktien waren in den Haushalten von Städten wie Oberhausen, Mülheim, Essen als wichtige Budgetposten längst einkalkuliert. Noch Ende Februar hatte der Geschäftsführer des Verbandes der kommunalen RWE-Aktionäre (VKA), Ernst Gerlach, die RWE-Spitze deshalb scharf kritisiert. „Das war schlechter Stil und unglaublich vertrauenszerstörend“, sagte er zur Ankündigung des Dividenden-Wegfalls. Damals sprach Gerlach noch von einer „aggressiven“ Stimmung.
Sogar eine Nicht-Entlastung des RWE-Vorstands auf der Hauptversammlung steht im Raum. Vertreter der kommunalen Anteilseigner hatten darüber in den vergangenen Wochen öffentlich nachgedacht. Das wäre allerdings ein Misstrauensvotum gegenüber Teriums Kurs für den angeschlagenen Konzerns. Soweit werden es die kommunalen Aktionäre wohl doch nicht kommen lassen auf der Hauptversammlung.
Hilfreich um die Stimmung zu verbessern war es jedenfalls nicht, dass RWE-Finanzchef Bernhard Günther über die Westdeutsche Allgemeine Zeitung die Aktionäre vor einem solchen Schritt warnte. Mit einer Nicht-Entlastung des Vorstandes wäre niemand geholfen, polterte Günther. Und schob nach: Faktisch würde sich nichts ändern, weil eine solche Nicht-Entlastung des Vorstandes durch die Aktionäre keine rechtliche Wirkung hätte. Nur der Aufsichtsrat könne den Vorstand kippen.
Die blanken Nerven auf oberster Vorstandsebene zeigen: RWE steht mit dem Rücken zur Wand. Der Boom der erneuerbaren Energien hat die im Großhandel erzielbaren Strompreise so nach unten gedrückt, dass die großen Kohle-, Gas- und auch die Atomkraftwerke kaum noch Geld verdienen.
Frisches Kapital muss her
Deshalb hat Terium beschlossen, das jahrzehntealte Geschäftsmodell von RWE über Bord zu werfen. Das Geschäft mit Ökostrom, der Netzbetrieb und der Vertrieb werden in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert – Arbeitsname der neuen Tochtergesellschaft: NewCo. Die will Terium Ende des Jahres schrittweise an die Börse bringen. Frisches Kapital muss her, um das Zukunftsgeschäft mit Wind- und Sonnenstrom voranzutreiben zu können. Das alte Kerngeschäft, die Kohle – und Gaskraftwerke, sind da nur noch ein Klotz am Bein. Mit denen muss sich künftig der neue RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz herumschlagen. Schmitz steht ab Mitte des Jahres an der Spitze des Mutterkonzerns, der RWE AG. Damit die Mutter nicht ganz verloren dasteht, soll sie Aktienmehrheit an der neuen Gesellschaft behalten. Mit der Platzierung von zehn Prozent der Anteile könnte die neue Gesellschaft nach Einschätzung von Analysten rund zwei Milliarden Euro einsammeln - insgesamt würde sie dann mit 20 Milliarden Euro bewertet.
Es ist radikaler Umbauplan, und Terium wird sich auf der Hauptversammlung nicht nur zu den Dividendenkürzungen kritische Fragen gefallen lassen müssen. Denn profitabler werden die konventionellen Kohle- und Gaskraftwerke nicht, nur weil sein nun getrennt vom Ökostrom geführt werden. Was passiert mit den Braunkohlekraftwerken? Der schwedische Konkurrent Vattenfall hat seinen ostdeutschen Braunkohletagebau und die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz an die tschechische EPH verkauft. Was machte RWE damit? Wie lange kann es sich RWE noch leisten die Meiler zu betreiben, mit denen sich kaum noch Geld verdienen lässt?
Mit der Abspaltung der neuen Öko-Tochter ist das Problem der fossilen Meiler nicht gelöst. Ganz abgesehen davon, muss auch die neue Tochter erstmal für mehr Umsatz und Gewinn sorgen.
Immerhin - die Entscheidung Teriums, den Konzern aufzuspalten - ähnlich wie es Erzrivale E.On schon Ende 2014 ankündigte, kommt zwar spät, aber noch nicht zu spät.
Zumindest zeitlich ist Terium mit E.On-Konzernchef Johannes Teyssen gleichgezogen. Denn die ungleich schwierige Operation den größten deutschen Energieversorger in zwei ganz selbstständige Teile aufzuteilen, beschäftigt die E.On-Leute und viele hundert Berater schon seit mehr als einem Jahr. Eine Ausgliederung der Geschäfte in eine Tochter, wie es Terium nun vorhat, geht hoffentlich schneller über die Bühne.