Unter dem Strich sei das Nettoergebnis im vergangenen Jahr um 86 Prozent auf umgerechnet 2,8 Milliarden Euro eingebrochen. Wie der staatlich-kontrollierte Konzern am Mittwoch mitteilte, gehe dies unter anderem auf höhere Abschreibungen zurück. Auch der gesunkene Ölpreis macht Gazprom zu schaffen. Der Verfall der Landeswährung hat zudem die auf US-Dollar lautenden Verbindlichkeiten ansteigen lassen.
Gazprom lieferte den Angaben zufolge 8,5 Prozent weniger Gas nach Europa und in andere Länder. Der durchschnittliche Preis sei aber um elf Prozent gestiegen, so dass der Gesamtumsatz auf umgerechnet 98,2 Milliarden Euro von zuvor 92,2 Milliarden Euro kletterte.
Unter dem Druck der Ukraine-Krise und wegen des warmen Wetters ist der Gewinn des russischen Energiemonopolisten Gazprom 2014 um 86 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Der Staatskonzern habe im vergangenen Jahr nach internationaler Rechnungslegung IFRS einen Überschuss von 159 Milliarden Rubel (2,8 Mrd Euro) erwirtschaftet, teilte Gazprom am Mittwoch in Moskau mit. 2013 war der Gewinn demnach gut siebenmal größer.
Die Nachfrage im Westen nach russischem Erdgas war im vergangenen Jahr vor allem wegen der milden Temperaturen gefallen. Zudem hatte Russland der Ukraine wegen unbezahlter Rechnungen monatelang kein Gas geliefert.
Der Umsatz von Gazprom legte im vergangenen Jahr um 6,5 Prozent auf 5,59 Billionen Rubel zu. 2013 hatte das Unternehmen 5,25 Billionen Rubel umgesetzt. Zu dem leichten Anstieg trug vor allem die massive Abwertung der russischen Währung bei, weil das Ausland Rechnungen in Dollar bezahlt und Gazprom deswegen mehr Rubel erhielt.
Zugleich trieb der schwache Wechselkurs die Nettoschulden des Konzerns innerhalb eines Jahres um 48 Prozent in die Höhe. Insgesamt wuchsen die Zahlungsverpflichtungen auf 1,65 Billionen Rubel.
Auch der Ausblick für den Staatskonzern ist düster. Gazprom droht eine Milliardenstrafe in einem Kartellverfahren der EU-Kommission. Diese wirft Gazprom vor, die mittel- und osteuropäischen Gasmärkte abgeschottet und dort die Energiepreise in die Höhe getrieben zu haben.
Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas und Öl
Deutschland kann aus eigenen Quellen gut zehn Prozent seines Bedarfs decken. Der Rest wird überwiegend aus Norwegen (gut ein Viertel) und den Niederlanden (knapp ein Fünftel) geliefert. In unterirdischen Speichern wird im Regelfall der Bedarf für mindestens zwei Monate vorgehalten. Russland ist somit größter Lieferant beider Brennstoffe für Deutschland. Beim Gas bezieht auch die EU insgesamt rund ein Viertel ihres Verbrauchs aus Russland.
Die Hälfte des russischen Gases nimmt den Weg über die Ukraine. Da beide Länder schon häufig über Preise, Transitgebühren und Lieferungen stritten und zeitweise die Versorgung unterbrochen war, wurden in Europa Alternativen gesucht. So wurde die Pipeline Nord Stream, die von Russland über den Ostseegrund direkt nach Deutschland führt, gebaut. Sie ist nicht ausgelastet und könnte weiteres Gas aufnehmen, sollte über die Ukraine nicht mehr geliefert werden. Daneben strömt ein großer Teil des Brennstoffes auch über die Jamal-Pipeline über Weißrussland und Polen nach Deutschland.
Ein weiterer Weg wäre der Import von flüssigem Erdgas etwa aus dem Nahen Osten über Tanker nach Deutschland. In der Bundesrepublik gibt es aber kein Terminal zum Entladen. Auch eine Einfuhr etwa über Rotterdam spielt kaum eine Rolle.
Gas wird in Deutschland zum Heizen, für die Industrie und die Stromherstellung gebraucht. Letztere hat im Zuge der Energiewende an Bedeutung verloren, da die Kraftwerke durch Ökostrom-Anlagen verdrängt werden.
Daran ändert auch der Druck auf die Gaspreise weltweit nichts. Zwar steigt der Energiehunger in China und Indien. Auf der anderen Seite aber hat der Boom der Schiefergas-Gewinnung, dem sogenannten Fracking, die USA von Importen unabhängig gemacht. Das Land will nun sogar Gas ausführen. Auch die Ukraine wollte das Potenzial von Schiefergas nutzen und sich unabhängiger von Russland machen. Das erste Projekt zur Schiefergasförderung wurde Anfang 2013 zwischen der ukrainischen Regierung, dem Konzern Royal Dutch Shell und dem ukrainischen Partner Nadra geschlossen. Es geht um eine Fläche von der Größe des Saarlands. Der russische Gasmonopolist Gazprom hatte sich angesichts der Fracking-Konkurrenz zuletzt verstärkt bemüht, den Absatz nach Westeuropa zu sichern.
Russland ist auch Deutschlands größter Öllieferant. An Position zwei und drei liegen Großbritannien und Norwegen mit jeweils um die zehn Prozent. Auch Libyen, Nigeria und Kasachstan spielen ein Rolle. Gespeichert wird in Deutschland Öl für den Bedarf von mindestens 90 Tagen.
Der größte Teil des russischen Öls kommt über die Pipeline Druschba (Freundschaft) über Weißrussland und Polen ins brandenburgische Schwedt. Ein zweite Leitung führt über das Gebiet der Ukraine.
Öl wird als Treibstoff, für die Chemie, aber auch in vielen anderen Grundstoff-Industrien benötigt. Auch als Heizöl wird es in Deutschland oft eingesetzt. Der Preis ist nach jahrelangem Anstieg auf dem Weltmarkt etwas zurückgegangen. Die EU und Deutschland versuchen sich über den Einsatz von Biokraftstoffen und Elektroautos langfristig unabhängiger von Erdöl zu machen. Die Abhängigkeit bleibt aber für die kommenden Jahrzehnte hoch.
Politisch steht Gazprom in Folge des Ukraine-Konflikts unter Druck. Von dem seit Jahren geplanten Pipeline-Projekt South Stream durch das Schwarze Meer verabschiedete sich der Konzern im Dezember wegen eines heftigen Streits mit der EU-Kommission.
Stattdessen plant Gazprom nun eine Leitung - ebenfalls durch das Schwarze Meer - in die Türkei. Die Pipeline Turkish Stream mit einer geplanten Kapazität von 63 Milliarden Kubikmetern pro Jahr soll künftig Gas zur türkisch-griechischen Grenze liefern. Von dort aus könnten bis zu 50 Milliarden Kubikmeter Gas weiter nach Südosteuropa strömen, so der russische Plan.
Ziel des Projekts ist es, die Ukraine von 2019 an als Transitland für russisches Gas zu umgehen, um Streit über Tarife wie in der Vergangenheit zu vermeiden. Insgesamt lieferte Gazprom 2014 mit knapp 160 Milliarden Kubikmetern Gas etwa ein Drittel seines Gesamtverkaufs in europäische Länder. Europa sei der wichtigste Exportmarkt und werde dies auch bleiben, teilte die Unternehmenszentrale mit.
Zugleich orientiert sich der Monopolist stark in Richtung Asien. Vor allem das energiehungrige China soll künftig über die geplante Pipeline Sila Sibirii (Kraft Sibiriens) beliefert werden. Gazprom liebäugelt auch seit Jahren mit dem Bau einer Leitung nach Südkorea.Wegen eines möglichen Missbrauchs seiner Marktmacht in Osteuropa droht Gazprom zudem eine Milliardenstrafe von der EU. Die Brüsseler Wettbewerbshüter hatten dem Konzern vor einer Woche ihre Beschwerdepunkte geschickt. Die EU-Kommission wirft Gazprom unter anderem vor, die Kunden zu beschränken und möglicherweise unlautere Preise zu verlangen. Gazprom hat zwölf Wochen Zeit, auf die Vorwürfe zu reagieren. Es droht ein Bußgeld von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes.