Neun Millionen Euro, 74 Tage. Noch heute treiben diese zwei Zahlen manch verlustgeplagten Solar-Millennium-Anleger zur Weißglut. Anfang 2010 hatte Utz Claassen sein Amt als Vorstandsvorsitzender bei Solar Millennium nach nur 74 Tagen niedergelegt, die ausgezahlte Prämie von neun Millionen Euro (sowohl eine Antritts-, als auch eine vorab ausgezahlte Erfolgsprämie) behielt er trotzdem. Es folgte ein langer Rechtsstreit, Klagen und Gegenklagen von allen Seiten. Im Dezember 2011 rutschte Solar Millennium in die Insolvenz, das Unternehmenskonstrukt brach wie ein Kartenhaus zusammen. Nun schloss der Insolvenzverwalter Volker Böhm mit Claassen einen Vergleich: Claassen darf die Millionenprämie behalten, wird aber keine weiteren Ansprüche mehr geltend machen und auch in den USA angemeldete Schadensersatzansprüche über 200 Millionen gegen Solar Millennium fallenlassen. Nur gegen die US-Tochterunternehmen von Solar Millennium wird Claassen an solchen Schadensersatzansprüchen in gleicher Höhe festhalten.
Die Nachricht klingt für betroffene Anleger erst einmal schlecht. Solar-Millennium-Aktionäre erlitten mit der Insolvenz einen Totalverlust – Anfang 2010 waren ihre Aktien in der Spitze insgesamt gut eine halbe Milliarde Euro wert. Vor allem über festverzinsliche Anleihen investierten auch viele Kleinanleger in Solar Millennium, deren knapp 200 Millionen Euro mit der Pleite ebenfalls in weiten Teilen verloren waren. Ihnen muss es ungerecht vorkommen, dass Claassen sein kurzes Solar-Millennium-Abenteuer vergoldet bekommt. Tatsächlich sollten sie eher auf Claassen hoffen, als auf ihn schimpfen.
So heißt es in der aktuellen Mitteilung des Insolvenzverwalters zum geschlossenen Vergleich, "dass Claassen den Insolvenzverwalter bei Bedarf umfassend bei der möglichen Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche der Masse gegenüber ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern der Solar Millennium AG unterstützen wird“. Diese Zusicherung klingt vielversprechend, denn Anleger könnten Claassens Unterstützung gut brauchen. Bis heute ist der Skandal um Solar Millennium in weiten Teilen nicht aufgearbeitet.
Dubiose Rolle des Hannes Kuhn
Dass der frühere Aufsichtsrat von Solar Millennium, vor allem auch der Unternehmensgründer und eigentliche Lenker des Unternehmens Hannes Kuhn, dabei eine unrühmliche Rolle spielten, ist zwar bekannt. Die WirtschaftsWoche hatte seit Mitte 2009 mehrfach über seine dubiose Rolle und die absehbaren Finanzprobleme bei Solar Millennium berichtet. Für Anleger dürfte es trotzdem schwer werden, in Eigenregie mögliche Ansprüche gegen die Verantwortlichen geltend zu machen. Das erfahren derzeit Anleiheinvestoren, die Schadensersatzansprüche wegen eventueller Prospektfehler gegen die früheren Vorstände des Unternehmens am Landgericht Nürnberg-Fürth angemeldet haben. Nur wenige haben bislang vorläufig Ansprüche zugesprochen bekommen, viele Klagen wurden erst einmal abgewiesen. Sollte Claassen dem Insolvenzverwalter Hinweise geben, könnte dies sehr hilfreich sein. Erst die Einigung hat dem Insolvenzverwalter, und damit auch betroffenen Anlegern, diese Tür geöffnet.
Eine andere Wahl hatte der Insolvenzverwalter in Sachen Claassen wohl ohnehin nicht. Er habe „eine ausführliche Prüfung des Sachverhalts vorgenommen,“ heißt es in seiner Mitteilung. Mit dem Ergebnis, „dass Claassens Kündigung begründet und rechtmäßig war und daher keinerlei Rückforderungsansprüche der Insolvenzmasse gegen Claassen bestehen“.
Allein das ist für die früheren Aufsichtsräte eine schallende Ohrfeige. Schließlich hatten sie die Vertragsverhandlungen mit Claassen geführt und die Verträge geschlossen. Das könnte ein erster Ansatzpunkt für mögliche Schadensersatzansprüche sein.