Solarenergie Die deutsche Solarbranche steht vor dem Absturz

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Solarmodul der Conergy AG Quelle: dapd

Und erst kürzlich traten Mitarbeiter der Q-Cells-Tochtergesellschaft Solibro in den Streik. Bei Regen und Windböen versammelten sie sich auf einem Parkplatz in Bitterfeld-Wolfen und protestierten mit roten Fahnen gegen "Hungerlöhne". Rund acht Euro pro Stunde verdient ein Facharbeiter bei Solibro, 14 Euro seien angemessen, empörte sich ein Gewerkschaftsredner.

Die Solibro-Manager jedoch haben wenig Spielraum, der Forderung nachzugeben. Die Q-Cells-Tochter hat nach eigenen Angaben noch keinen Cent Gewinn erwirtschaftet. Zugleich nimmt die weltweite Konkurrenz zu. Jede Lohnerhöhung könnte das Unternehmen da in große Schwierigkeiten bringen.

So wie Q-Cells rasen gerade viele deutsche Solarunternehmen auf den Abgrund zu. Als Erste, so die Prognose Hummels, werde es die zahlreichen weithin unbekannten Firmen mit Produktionslinien von nicht einmal 100 Megawatt treffen. Sie konnten bisher überstehen, weil in Boomzeiten durch Subventionen die Nachfrage nach Modulen so groß war, dass jede noch so überteuerte Anlage Abnehmer fand.

Keine Chance gegen asiatische Produkte

Doch gegen die preiswerten Paneele aus den neuen asiatischen Fabriken haben sie keine Chance mehr. Für Hummel steht fest: „Die Überförderung hat eine zeitige Konsolidierung und Ausrichtung auf wettbewerbsfähige Strukturen verhindert.“

Der Ökonom stuft aber auch börsennotierte Unternehmen wie Solon, Q-Cells und Conergy als gefährdet ein. Hohe Schulden und eine geringe Finanzkraft ließen zu wenig Spielraum für Wachstum und Expansion ins Ausland. Anleger sehen das offensichtlich ganz ähnlich: Unter den zehn Unternehmen im TecDax mit der schlechtesten Jahresperformance befinden sich sämtliche dort gehandelten deutschen Solarfirmen.

Einzig Solarworld traut Experte Hummel zu, sich gegen die asiatischen Rivalen zu behaupten.

Dabei entwickelt sich die Solarwirtschaft gerade vom Nischen- zu einem Massenmarkt. Weltweit wird die installierte Leistung nach Schätzung des internationalen Solarverbands von rund 23 Gigawatt Ende 2009 auf 980 Gigawatt bis 2020 ansteigen.

Den Bedeutungsverlust der deutschen Modulhersteller bestätigt nun sogar eine Studie des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW). Darin kommen die Marktexperten von Prognos und Roland Berger zu dem Schluss, dass der Weltmarktanteil der deutschen Modulhersteller in den nächsten zehn Jahren von 20 auf 12 Prozent abrutschten wird. Bei Wechselrichtern werde der Marktanteil sogar von 69 auf 28 Prozent einbrechen.

Einziger Lichtblick der deutschen Sonnenstromindustrie sind Unternehmen wie Manz Automation und Centrotherm: Maschinen- und Anlagenbauer können laut der BSW-Studie ihren Marktanteil mit 50 Prozent behaupten. Doch die Unternehmen hätten, sagt Hummel, sich auch ohne die massive deutsche Solarförderung eine Spitzenposition erobert.

Lässt sich der Absturz mit einer Technologieoffensive noch stoppen, wie der BSW in seiner Studie suggeriert? Bisher investiert die deutsche Fotovoltaik-Branche 2,5 Prozent in die Entwicklung neuer Produkte. Das ist sehr wenig im Vergleich zu High-Tech-Branchen wie der Fernsehtechnik oder optischen Technologien. Deren Forschungsquote beträgt zehn Prozent. Der BSW strebt nun fünf Prozent an. „Das kommt zu spät“, sagt Hummel.

So läuft die deutsche Solarindustrie Gefahr, ihren letzten Trumpf zu verspielen. Wenn sie erstmal statt High nur noch Low Tech zu bieten hat, ist ihre Zukunft vorüber.

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