Solarenergie Die deutsche Solarbranche steht vor dem Absturz

Zu teuer, zu langsam, zu einfallslos: Die deutsche Solarindustrie steht am Abgrund. Schuld daran sind ausgerechnet die Subventionen. Eine Exklusivstudie zeigt, welche Unternehmen und Innovationen überleben werden.

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Engpass Wachstumskapital Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Es ist ein wahnwitziger Endspurt, den die 250 dick eingemummten Monteure dieser Tage auf den zugigen Höhen des Taubertals in der Nähe von Würzburg vollbringen. Von früh bis spät schrauben sie mehr als 100.000 Solarmodule auf Metallgestelle – bei Schnee, Regen, Wind und Temperaturen um den Gefrierpunkt. Hinter den Männern kämpfen sich Gabelstapler auf Ketten durch Matsch und Schnee. Sie stellen immer neue Paletten mit Modulen bereit. Rund um die Uhr geht das so, bei jedem Wetter. Der 80 Fußballfelder große und 90 Millionen Euro teure Tauberlandpark soll von Januar an Strom für für etwa 28 000 Menschen liefern.

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. 50 Reihen mit Solarmodulen, jeweils fast einen Kilometer lang, müssen bis Silvester verkabelt sein. Nur wenn der 35 Megawatt starke Solarpark vor Jahresende Strom in das Netz einspeist, erhalten die Investoren noch Subventionen.

Wird der Termin überschritten, gibt es gar kein Geld mehr, weil die Einspeisevergütung für Freilandanlagen auf Ackerflächen gestrichen worden ist. „Das wäre die Katastrophe“, sagt Bernd Bodmer, Geschäftsführer der Relatio Unternehmensgruppe aus Balingen auf der Schwäbischen Alb, die das Solarkraftwerk baut. Denn der Strom vom Acker ist auf dem freien Markt unverkäuflich. Er ist schlicht zu teuer. „Wir werden es rechtzeitig schaffen“, fügt Bodmer hinzu.

Kosten übertreffen alle Erwartungen

Für die Investoren mag es gut ausgehen. Für den Rest des Landes aber ist der fränkische Mega-Solarpark ein Symbol für die schweren Probleme einer Hoffnungsindustrie: Sie ist zu teuer, und sie entwickelt zu wenig innovative Techniken.

Gut zehn Jahre nach Einführung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) liefern Solarpaneele rund zwei Prozent des Strombedarfs. Die Kosten dafür jedoch übertreffen alle Erwartungen: Schon heute summiert sich die sogenannte Einspeisevergütung auf rund 120 Milliarden Euro bis 2030. Das hat das Essener Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) ausgerechnet.

Diese Milliarden haben einen märchenhaften Boom ausgelöst: Das verhältnismäßig sonnenarme Deutschland ist der größte Fotovoltaikmarkt der Welt. 54 Prozent oder 7,2 Gigawatt aller dieses Jahr weltweit installierten Solarpaneele kamen hier aufs Dach, schätzen die Marktforscher der Bonner EuPD Research. Der Rest der Welt teilt sich 6,2 Gigawatt.

Doch das sind keine guten Nachrichten für die deutsche Solarwirtschaft. Denn das Ziel, mit gewaltigen Subventionen eine global agierende Solarindustrie aufzubauen, die Abertausende neue Arbeitsplätze schafft, droht zu scheitern.

Vor allem die deutschen Zell- und Modulhersteller stehen am Abgrund, weil sie international den Anschluss verlieren und nun auch auf dem Heimatmarkt von ausländischen Anbietern überrannt werden. Das zeigt eine Studie der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) für die WirtschaftsWoche. „Solarpaneele werden bald genauso fast ausschließlich aus Asien kommen wie heute schon Fernsehgeräte und Computer“, sagt der Leiter der Studie, Wolfgang Hummel.

Im Tauberlandpark ist das schon Realität. Dort werden laut Relatio-Chef Bodmer zu annähernd 100 Prozent Module aus japanischen und chinesischen Fabriken installiert. Einziger deutscher Lieferant ist der Fenster- und Fassadenspezialist Schüco, der seine Paneele jedoch vorwiegend aus China bezieht. Die Wechselrichter, die den Sonnenstrom in haushaltsüblichen Wechselstrom umwandeln, schickt die US-Firma Satcon aus Boston und nicht etwa Weltmarktführer SMA Solar aus dem nordhessischen Niestetal. Die Monteure wurden in Rumänien angeheuert.

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