Solarworld kauft das Solargeschäfts von Bosch – allerdings nicht alles, sondern nur das Filetstück des Werks Arnstadt, eine Zellfertigung mit 700 Megawatt (MW) Produktionskapazität und eine Modulfertigung mit 200 MW. Das Kartellamt muss der Transaktion noch zustimmen. Solarworld steigt damit nach Angaben von Konzernchef Frank Asbeck zum größten Solarhersteller außerhalb Chinas auf - mit knapp 3000 Beschäftigten und einer Fertigungskapazität von über einem Gigawatt. Schön für Asbeck, doch der Deal muss kritisch gesehen werden.
Für die Belegschaft die Nachricht sicherlich zunächst positiv: Rund 800 der 1500 Mitarbeiter in Thüringen sollen von Solarworld weiterbeschäftigt werden. Dazu soll künftig unter anderem ein Produkt aus der Bosch-Autosparte in Thüringen gefertigt werden, wodurch rund 250 Menschen Arbeit bekommen sollen. Zudem plane ein Investor aus der Pharmabranche, Produktionsflächen zu mieten und damit rund 100 Arbeitsplätze zu schaffen. Um wen es sich dabei handelt, teilte Bosch nicht mit. Ales in allem haben wohl 1100 Menschen in Arnstadt weiter Arbeit.
Eine Fehlentscheidung von Bosch?
„Für die Mitarbeiter waren die vergangenen Monate natürlich keine einfache Zeit“, räumte Bosch-Chef Volkmar Denner ein. „Mit der heutigen Vertragsunterzeichnung haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht.“ Wolfgang Hummel vom Zentrum für Solarmarktforschung in Berlin teilt diesen Optimismus nicht: „Wir halten die Vereinbarung für eine Fehlentscheidung der Bosch-Geschäftsführung“.
Es sei positiv zu würdigen, dass man mit Verkauf an Solarworld einen Kern deutscher Solarindustrie in Deutschland erhalten wolle. „Das dies mit einem Verkauf an Solarworld gelingt, ist jedoch äußerst zweifelhaft.“ Dies gelte auch dann, wenn Solarworld, nur einen symbolischen Kaufpreis zahlen muss, wovon ausgegangen werden muss. Einige Medien sprachen sogar von einer Mitgift, die Bosch Asbeck zahle – bestätigt wurde die Meldung nicht. Hummel: „Der deutsche Photovoltaik-Markt schrumpft. Zusätzliche Fertigungskapazitäten in Deutschland machen für Solarworld betriebswirtschaftlich keinen Sinn.“
Auch der Betriebsrat der Bosch Solar Energy AG riet zur Vorsicht und verlangte umfassende Informationen. Angesprochen wurde unter anderem eine Insolvenzgefahr bei Solarworld. Das einstige Vorzeigeunternehmen Solarworld steckt in ernsten Schwierigkeiten. Erst im August hatte Chef Asbeck eine Insolvenz gerade noch abwenden können. Die Aktionäre segneten dazu ein Konzept ab, mit dem sie einen Großteil ihrer Anteile verlieren. Die Gläubiger tauschen einen Teil der Schulden in Aktien, was die Verbindlichkeiten von über 900 Millionen Euro auf unter 500 Millionen drückt. Rund 60 Millionen Euro Zinsen im Jahr hätten Solarworld überfordert.
Anfechtungsklagen könnten die Umstrukturierung allerdings verzögern. Asbeck kalkuliert damit, dass die Transaktion erst Anfang 2014 über die Bühne geht. Er setzt zudem auf eine Ertragswende Ende des kommenden Jahres. Auch daran hegt Solarexperte Hummel Zweifel: „Das Erreichen der Gewinnzone in 2014 ist wenig wahrscheinlich. Das Unternehmen befindet sich in der Sanierung. In dieser Phase einen weiteren Unternehmensteil zu integrieren führt zu zusätzlichen Belastungen.“ Was die Argumente des Kritikers nicht entwertet, der Vollständigkeit halber aber erwähnt werden muss: Hummel ist Berater eines chinesischen Investors, der ebenfalls am Bosch-Solargeschäft interessiert war, bei dem Deal aber nicht zum Zuge kam.
Mit Hilfe staatlicher Förderungen für die Sonnenenergie (EEG-Gesetz) war Solarworld nach seiner Gründung vor 15 Jahren ein rasantes Wachstum gelungen. Seit 2011 häuften sich die Verluste und der Aktienkurs des einstigen Börsenstars ging in den Keller, die Schulden stiegen auf über 900 Millionen Euro.
Solarworld vereint vom Rohstoff Silizium bis zum Solarstrommodul alle Herstellungsstufen unter einem Dach. Das Unternehmen beschäftigt am Hauptproduktionsstandort im sächsischen Freiberg, einem weiteren Werk in Hillsboro/USA und in der Bonner Zentrale nach einem Stellenabbau derzeit noch rund 2500 Mitarbeiter.
Nach einem ruinösen Preiswettbewerb durch Billigkonkurrenz aus China steht die gesamte Solarbranche derzeit enorm unter Druck - seit Ende 2011 häufen sich in Deutschland die Pleiten von Solarunternehmen. Als Auslöser gelten neben dem Preisverfall auch sinkende Subventionen für die Branche. Auch für Bosch war der Ausflug in die Solarbranche ein Desaster. Der Autozulieferer war erst 2008 mit der Übernahme der einst börsennotierten Ersol in das damals gewinnträchtige Geschäft eingestiegen und hatte über 500 Millionen Euro in den Standort im thüringischen Arnstadt investiert. Doch der Preisverfall sorgte dafür, dass die Stuttgarter seit damals rund 2,4 Milliarden Euro verbrannte. Bosch hatte im März nach Milliardenverlusten den Komplettausstieg aus dem Solar-Geschäft beschlossen. Insgesamt waren rund 3000 Beschäftigte betroffen.
Mit Material von dpa und reuters