Die letzte deutsche Solarvorzeigefirma SMA Solar steckt in Schwierigkeiten. Das Unternehmen ist wegen des Markteinbruchs in Europa im abgelaufenen Geschäftsjahr in die roten Zahlen gerutscht. Unter dem Strich sei ein Verlust von rund 67 Millionen Euro nach einem Gewinn von 75,1 Millionen Euro im Vorjahr angefallen, teilte das TecDax-Unternehmen mit. Durch den starken Nachfragerückgang in Europa und dem hohen Preisdruck reduzierte sich der Umsatz um 36,3 Prozent auf 932,5 Millionen Euro. Damit lag der Konzern am unteren Ende der eigenen Prognose. Mit der WirtschaftsWoche hat SMA-Vorstand Pierre-Pascal Urbon über die Zukunft des Unternehmens gesprochen.
WirtschaftsWoche: Herr Urbon, SMA hat vor wenigen Wochen für rund 300 Millionen Euro 20 Prozent seiner Anteile an den dänischen Wärme- und Kältetechnikkonzern Danfoss verkauft. Geht es Ihnen so schlecht, dass Sie den Schulterschluss mit einem anderen Unternehmen suchen mussten?
Pierre-Pascal Urbon: Nein, ganz und gar nicht. SMA und Danfoss streben eine strategische Partnerschaft an mit dem klaren Ziel der Kostensenkung. Zusätzlich wird SMA durch die beabsichtigte Übernahme des Solarwechselrichtergeschäfts von Danfoss sein Produktangebot erweitern.
Das ist Ihr Kerngeschäft, in dem Sie bekanntlich in Schwierigkeiten stecken.
Wir können künftig die jahrelange Erfahrung von Danfoss im Bereich der Antriebsumrichter nutzen und schnell auf die Solarwechselrichter übertragen. Damit senken wir die Kosten und erhöhen die Innovationsgeschwindigkeit. Wir müssen handeln: In Europa haben sich die Solarmärkte allein in den vergangenen zwölf Monaten glatt halbiert, und unser Umsatz ist seit 2010 um die Hälfte geschrumpft.
Der Einbruch bei SMA begann just, als Sie Mitgründer Günther Cramer 2011 auf dem Chefsessel abgelöst haben. Wenn Sie am Donnerstag den höchsten Verlust der Firmengeschichte präsentieren, fürchten Sie dann nicht um Ihren Ruf?
Nein. SMA steht finanziell grundsolide da. Natürlich ist die fast 30-jährige Wachstumsstory von SMA untrennbar mit Herrn Cramer und den anderen Gründern verbunden. Doch die Zeiten haben sich geändert. Wir sehen uns seit wenigen Jahren knallhartem Wettbewerb und Preisdruck ausgesetzt. Davon ist SMA als Weltmarktführer besonders betroffen. Und in dieser Phase bin eben ich Vorstandssprecher. Aber es ist auch eine Phase, von der ich behaupten kann: Wir haben die richtigen Entscheidungen getroffen, um schon in diesem Jahr wieder zu Profitabilität und Wachstum zurückzukehren.
Trotzdem: In Ihrer kurzen Zeit als Vorstandschef verwandelten Sie SMA von einer Job- in eine Entlassungsmaschine.
Wenn sich der Umsatz von fast zwei Milliarden Euro 2010 auf voraussichtlich knapp eine Milliarde Euro 2013 halbiert, kann das nicht ohne Auswirkungen auf die Beschäftigung bleiben. Wir werden uns bis Ende des Jahres von rund 800 unserer 4.500 Mitarbeiter in Deutschland trennen. Ich bin aber stolz darauf, dass wir das in einem vertrauensvollen Dialog mit dem Betriebsrat ohne betriebsbedingte Kündigungen und auf freiwilliger Basis stemmen werden.
Die Top-Ten-Hersteller kristalliner Solarmodule
Suntech ist der weltweit zu den größte Produzent im Segment kristalliner Photovoltaikmodule.
Allein für das Jahr 2012 vermelden die Chinesen produzierte Kapazitäten im Umfang von 2430 Megawatt. Für das Jahr 2011 meldeten sie 2400 Megawatt und für 2010 1830 Megawatt.
Das Marktforschungsunternehmen IHS iSuppli errechnete für beide Jahre eine geringere Produktionszahlen - 2185 Megawatt für 2011 und 1485 Megawatt für 2010.
Das ebenfalls aus China stammende Unternehmen Trina Solar prognostiziert für das Jahr 2012 Produktionskapazitäten von 2400 Megawatt.
Das sind 500 Megawatt mehr als für 2011 und 1200 Megawatt als für 2010 prognostiziert.
Die tatsächlich gemeldete Produktion unterschreitet diese Zahlen noch. Im Jahr 2011 belief sich diese auf 1702 Megawatt, 2010 auf 912 Megawatt.
Das Unternehmen Canadian Solar, mit Sitz in Ontario, ist der weltweit drittgrößte Hersteller kristalliner Solarmodule.
Laut Unternehmensangaben wird für das Jahr 2012 eine Produktion von 2050 Megawatt erwartet. Die gleiche Schätzung wurde für das Jahr 2011 abgegeben, dürfte aber laut IHS iSuppli bei 1.426 Megawatt anzusiedeln sein.
Auch für das Jahr 2010 differieren die Zahlen stark: Canadian Solar meldete Kapazitäten von 1300 Megawatt, IHS iSuppli berechnete nur 937 Megawatt.
Auch der Hersteller Yingli Green Energy sitzt in China, genauer in der Provinz Hebei.
Die Firma erwartet für das Jahr 2012 Kapazitäten von insgesamt 2450 Megawatt. Dies wäre eine enorme Steigerung zu den Vorjahren, 2011 waren es 1700 Megawatt und 2010 1000.
In beiden Jahren berechnet IHS iSuppli die Kapazitäten geringer, 2011 sind es 1121 Megawatt und 2010 937 Megawatt.
Der japanische Elektronikkonzern Sharp ist im Bereich kristalliner Photovoltaikmodule gut aufgestellt. Die Prognosen für die beiden letzten Jahre belaufen sich auf jeweils 1295 Megawatt. 2010 waren es noch 1055 Megawatt.
Die von IHS iSuppli errechnete Kapazitäten fallen in beiden Jahren etwas geringer aus: 2011 kommen die Marktforscher bloß auf 963 Megawatt, 2010 auf 858 Megawatt.
Der chinesische Hersteller Hanwha SolarOne erwartet im Jahr 2012 die gleichen Kapazitäten wie im Vorjahr: 1500 Megawatt. 2010 beliefen sich die Erwartungen auf 900 Megawatt.
Ähnlich schätzt auch IHS iSuppli die Werte ein, 2011 errechneten sie eine Produktion von 919 Megawatt, 2010 612 Megawatt.
Ebenfalls aus dem Reich der Mitte stammt der Konzern LDK. Für die Jahre 2012 und 2011 meldete er jeweils Kapazitäten von 2600 Megawatt. Für das Jahr davor 1500 Megawatt.
Die Marktforscher von IHS iSuppli stuften die Produktion sehr viel geringer ein, sie kamen im Jahr 2011 auf 795 Megawatt, 2010 auf 610 Megawatt.
Der Jinko-Konzern prognostiziert für das Jahr 2012 1200 Megawatt an kristallinen Modulen, die gleiche Anzahl an wie Jahr zuvor. Im Jahr 2010 wurde mit 600 Megawatt knapp die Hälfte erwartet.
IHS iSuppli berechnete die Produktion für 2011 auf 749 Megawatt, 2010 auf bloß 274 Megawatt.
Das Unternehmen Jabil Circuit wurde 1966 in den USA gegründet, noch heute hat es seinen Sitz in St. Petersburg, Florida.
Für 2012 und 2011 erwartete das Unternehmen jeweils Produktionskapazitäten von 1020 Megawatt. Im Jahr 2010 waren es 740 Megawatt.
Das Marktforschungsunternehmen IHS iSuppli kalkulierte 716 Megawatt für 2011 und 584 Megawatt für 2010.
Kleinster Hersteller unter den großen ist die deutsche Firma SolarWorld.
Sie meldete für 2012 und 2011 950 Megawatt produzierte Solarmodule. Für das Jahr 2010 fiel die Angabe mit 940 Megawatt etwas geringer aus.
IHS iSuppli kam bei der Berechnung der Produktion für 2011 auf 711 Megawatt, 2010 auf 546 Megawatt.
Was bitte schön ist an Massenentlassungen freiwillig?
Dass sich mehr als 500 Mitarbeiter entschieden haben, an einem Abfindungsprogramm teilzunehmen. Das erleichtert den Übergang zu einem neuen Arbeitgeber erheblich. Dadurch, dass die Region Nordhessen derzeit eine starke wirtschaftliche Entwicklung zeigt, haben fast alle Ex-SMA-Mitarbeiter eine neue Tätigkeit in der Region gefunden. Den weiteren Stellenabbau können wir durch auslaufende Verträge bewältigen.
Der Personalabbau wird Ihnen nur eine kurzfristige Atempause bringen, wenn der Umsatz nicht wieder wächst. Wie wollen Sie das erreichen?
Durch neue Produkte, eine strikte Kostenkontrolle und verstärkte Internationalisierung...
Stellschrauben für Kostensenkungen
...das klingt wie aus dem Handbuch der Manager-Stereotype. Geht es ein wenig konkreter?
Bei der Kostenkontrolle haben wir uns beispielsweise erstmals sehr tief mit unseren Produktions- und Logistikprozessen beschäftigt. Und zwar vom Lieferanten bis zum Kunden sowie mit den Produktkosten.
Denn die Analyse der Herstellkosten zeigt, dass wir einen sehr hohen Materialkostenanteil haben. Das ist eine der wichtigen Stellschrauben für Kostensenkungen.
Das ist in den ganzen Jahren vorher niemandem aufgefallen?
Doch, bestimmt. Aber in Zeiten rasanten Wachstums, steigender Nachfrage und Verkäufermärkten war es wichtiger, immer genügend Rohstoffe und Komponenten für die Produktion vorrätig zu haben, anstatt sich Gedanken darüber zu machen, ob das ein oder andere Bauteil vielleicht zwei Tage zu lange auf Lager liegt oder einen Cent preiswerter produziert werden könnte.
Können Sie mit Rationalisierung und besserer Logistik überhaupt noch viel reißen angesichts der aggressiven Konkurrenz aus Asien?
Nur bedingt. Deshalb planen wir zusätzlich, unsere gesamte Produktion auf ein Plattformsystem umzustellen...
...wie dies die Autoindustrie schon lange macht, indem sie auf ein bestimmtes fahrendes Unterteil verschiedene Modelle mit unterschiedlicher Ausstattung montiert.
So ähnlich. Wir wollen bei der Herstellung unserer unterschiedlichen Wechselrichter in höherem Maße gleiche Bauteile verwenden. Damit können wir Mengeneffekte beim Einkauf erzielen und die Herstellkosten deutlich senken. Neue Produktgenerationen zeichnen sich also durch eine modulare Bauweise aus. Das heißt, es gibt weltweit gleiche Grundmodelle, die wir je nach Markt mit spezifischen Zusatzfunktionen ausstatten. Das reduziert die Komplexität der Produkte und damit die gesamten Kosten der Herstellung.
Kennzahlen zu Solarstrom
Fotovoltaik sind weltweit am Netz.
kommen allein 2017 dazu.
weniger Kohle- und Gasstrom werden in sieben Jahren nachgefragt.
Stromkosten sparen Solarstromerzeuger im Jahr 2020.
kostet dann die Kilowattstunde.
Was lässt sich durch eine solche teilweise Gleichschaltung der Produkte sparen?
Durch diese und andere Kosten- und Prozessoptimierungen haben wir im vergangenen Jahr Einsparungen von insgesamt 170 Millionen Euro erzielt.
Solche Verbesserungen gibt es doch nicht umsonst.
Stimmt. Dazu benötigen Sie exzellentes Know-how. Deshalb leisten wir uns rund 1.000 Mitarbeiter in der Entwicklung und haben ausdrücklich nicht die Budgets für Forschung und Entwicklung gekappt, sondern kontinuierlich von 80 Millionen Euro in 2010 auf rund 130 Millionen Euro in diesem Jahr erhöht.
Wie viel Zeit geben Sie sich für weitere Verbesserungen?
Da geht nichts über Nacht. Von der Idee, eine neue Komponente einzusetzen, bis sie tatsächlich gewinnwirksam wird, vergeht in der Regel mehr als ein Jahr.
Der deutsche Solarmarkt ist zusammengebrochen. 2013 wurden Panele mit einer Leistung von 3,3 Gigawatt verbaut, 55 Prozent weniger als 2012. Wo will SMA künftig überhaupt noch großartige Geschäfte machen?
Ganz klar jenseits der Grenzen, dort sind wir auf gutem Weg. 2009 lag unser Auslandsanteil bei knapp 40 Prozent. Heute kommen wir auf mehr als 70 Prozent. Mittlerweile sind wir mit Service- und Verkaufsbüros sowie eigenen Fabriken in 21 Ländern präsent. Wir sind nach Japan gegangen, noch bevor sich dort die schreckliche Katastrophe in Fukushima ereignet hat. So waren wir rechtzeitig vor Ort, um das bisher größte Solarkraftwerk in Japan mit unseren Wechselrichtern auszurüsten. Auch in den USA waren wir sehr früh unterwegs. In Südafrika werden wir in diesem Jahr ebenfalls eine Fabrik eröffnen.
"China ist zentraler Baustein in unserer Auslandsstrategie"
In China, wo 2013 zwischen 12 und 14 Gigawatt Solarleistung neu installiert wurde und die Regierung in den kommenden zwei Jahren die Solarleistung um 300 Prozent ausbauen will, ist Ihnen der Einstieg allerdings nicht besonders gelungen.
Wir sind schrittweise seit Ende 2012 beim chinesischen Wechselrichterhersteller Zeversolar aus der Provinz Jiangsu im Osten der Volksrepublik eingestiegen, der uns nun zu 99 Prozent gehört. Die Anfangsschwierigkeiten lagen im Rahmen der Erwartungen, wenn man sich in eine chinesische Firma einkauft. Der Zeitpunkt des Einstiegs, kurz vor der Verdopplung der staatlichen Ausbauziele, war goldrichtig.
Woran hat es bei der Übernahme gehakt?
Zeversolar selbst ist erst 2012 aus dem Zusammenschluss zweier ebenfalls junger Unternehmen entstanden. Bei beiden lief nicht alles rund. Wir haben die Produktqualität erhöht und ähnlich wie bei SMA alle Prozesse vom Lieferanten bis zum Kunden durchforstet und verbessert.
Die wichtigsten Solarmärkte
2011 verkauften chinesische Hersteller in Europa Solarmodule und Bauteile im Wert von 21 Milliarden Euro. Damit ist Europa der wichtigste Exportmarkt für die chinesische Solarindustrie.
Mit exportierten Solarmodulen und Bauteilen im Wert von 2,4 Milliarden Euro sind die USA für chinesische Hersteller ebenfalls ein wichtiger, aber doch deutlich kleinerer Markt als Europa.
China gilt als einer der größten Märkte für erneuerbare Energie. Die Regierung in Peking hat kürzlich angekündigt, statt der bisher veranschlagten 15 Gigawatt Solarleistung bis 2015 rund 21 Gigawatt installieren zu wollen.
Warum haben Sie überhaupt ein solches kränkelndes Unternehmen mit kaum fünf Prozent Marktanteil in China gekauft, das Sie erst aufwendig sanieren müssen?
Weil China aufgrund des dramatischen Wachstums ein zentraler Baustein in unserer Auslandsstrategie ist. Natürlich ist Zeversolar ein kleiner Spieler in China. Aber bei den dort geplanten Zubauzielen sind selbst fünf Prozent nicht schlecht. Und wir haben zudem höhere Ziele. Zunächst haben wir versucht, mit unserer eigenen Vertriebsgesellschaft Fuß zu fassen – und waren damit nicht glücklich. Mit Zeversolar haben wir nun ein Produktportfolio, das auf die Anforderungen des chinesischen Marktes zugeschnitten ist, Zugang zu weiteren Lieferanten und Entwicklungs- und Vertriebsteams in China. Und wir können mit Zeversolar das Niedrigpreissegment in anderen Märkten bedienen.
Wann werden Sie mit Zeversolar schwarze Zahlen schreiben?
Wir werden in diesem Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis abliefern. Ich kann aber hier und heute nicht sagen, ob wir nachhaltig in China erfolgreich sein werden. Der Solarmarkt dort wird nun mal stark von politischen Entscheidungen getrieben. Niemand kann uns garantieren, das Zeversolar tatsächlich bei den Ausschreibungsverfahren für die großen Solarparks zum Zug kommt. Das ist wie bei den chinesischen Modulherstellern. Da gab es plötzlich eine Liste mit Herstellern, die für den Solarausbau in China zertifiziert wurden. Und viele andere Unternehmen eben nicht. Auch chinesische Unternehmen werden bewusst vom Wettbewerb ausgeschlossen. Das ist für uns leider weder kontrollier- noch beeinflussbar.
Damit gehen Sie ein hohes Risiko.
Allein die Effekte, die wir durch Zeversolar bei der Senkung der Einkaufskosten und bei der Erschließung des Niedrigpreissegments in anderen Märkten haben, rechtfertigen die Übernahme.
Mit Material von dpa