Streit um South Stream Eine Pipeline als politische Waffe

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Deutsche Aufträge betroffen

Ernste Folgen hätte ein Komplettstopp von South Stream auch für den Röhrenhersteller Europipe aus Mülheim an der Ruhr. Das Unternehmen baut die Rohre für den Schwarzmeerteil der Pipeline. Den Stahl dafür liefern die Hersteller Salzgitter und Dillinger Hütte. Der Offshore-Teil der Pipeline wird aus vier Strängen bestehen; für den ersten hat Europipe einen dicken Auftrag an Land gezogen. Der gibt 700 Arbeitern in Mülheim bis April kommenden Jahres Beschäftigung. Bei der Ausschreibung für den zweiten Strang ist Europipe leer ausgegangen. Für den dritten und vierten werden die Mülheimer aber wieder mitbieten – wenn es denn überhaupt noch zu einer solchen Ausschreibung kommt. Auch bei Europipe kann man sich nicht vorstellen, dass das Projekt scheitert, trotz der derzeitigen politischen Hindernisse beim Onshore-Teil der Gas-Pipeline.

Mit der Verschärfung der Ukraine-Krise, so viel steht fest, rückt das Projekt in immer weitere Ferne. EU-Kommissar Oettinger betont zwar, dass er South Stream nicht grundsätzlich ablehne und die Vorteile für manche Mitgliedstaaten anerkenne. Strategisch hält er eine Diversifizierung der Lieferanten aber für wichtiger – und bekommt dafür auch Rückendeckung von Experten. „Das Projekt South Stream läuft völlig konträr zur EU-Strategie, wonach die Abhängigkeit von Russland reduziert und auf mittlere Sicht marktwirtschaftliche Preise angestrebt werden sollen“, sagt etwa Frank Umbach, Forschungsdirektor am European Centre for Energy and Resource Security am King’s College in London.

Deshalb hatte die Pipeline für Oettinger schon vor der Ukraine-Krise nicht höchste Priorität. Bei South Stream gehe es ja nicht um neues oder zusätzliches Gas: Was durch die Leitung fließe, werde eben weniger durch die Ukraine fließen. Mehr als fragwürdig ist in Oettingers Augen auch die Vergabe der Bauaufträge für den bulgarischen Onshore-Teil der Pipeline. Hier geht es immerhin um ein Volumen von fast vier Milliarden Euro – und um einen unappetitlichen Streit unter bulgarischen Oligarchen.

Drohungen per SMS

Am Wiener Burgring sorgt das satte Grün der Kastanien und Platanen in diesen Tagen für angenehmen Schatten. Wie jedes Jahr im Sommer parken vor den Luxushotels der Innenstadt schwere Limousinen aus fernen Ländern, die meisten mit arabischen und russischen Kennzeichen. Irgendwo hier, in einer der plüschigen Suiten zwischen Hotel Bristol, Grand Hotel und Hotel Sacher, versteckt sich Zwetan Wassilew, Milliardär und einer der einflussreichsten Unternehmer Bulgariens. Wassilew hat in den vergangenen Wochen mehrere Morddrohungen erhalten, eine kam sogar per SMS. „Ich gebe dir eine letzte Chance. Ich weiß, wo du bist. Lass mich keine dummen Sachen machen. Ich finde dich“, stand auf dem Display. Absender: Deljan Peewski, einst Freund und Geschäftspartner von Wassilew, ebenfalls Bulgare.

Der Grund für den Bruch der vormals unzertrennlichen Oligarchen: die Auftragsvergabe bei South Stream. Peewski sitzt im bulgarischen Parlament; seine Mutter kontrolliert über Beteiligungen 80 Prozent der Medien des Landes. Die Familie hat enge Verbindungen zu zahlreichen bulgarischen Unternehmen. Lange Zeit sah es so aus, als könnten Wassilew und Peewski sich die Aufträge für South Stream gleichmäßig aufteilen. Doch dann kam es zum Eklat: Heimlich übernahm Peewski Wassilews Anteile, die Gier war wohl zu groß. Wassilew war außer sich und soll zunächst Peewski mit Mord gedroht haben. Auf Anfrage wollten sich weder Wassilew noch Peewski äußern.

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