Streit um South Stream Eine Pipeline als politische Waffe

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Dreimal teurer als nötig

„Viele der Firmen, die Aufträge ergattert haben, gehören zu Peewskis Umfeld“, räumt Energiepolitiker Kuyumdziev ein. Insgesamt sei die Ausschreibung aber sauber gewesen, höchstens die Fristen ein wenig zu knapp.

Brüssel und westliche Diplomaten in Sofia kritisieren hingegen, die Vergabe sei in einer Nacht-und-Nebel-Aktion erfolgt. Zum Zuge kamen am Ende das russische Bauunternehmen Stroytransgas als Konsortialführer sowie fünf bulgarische Konzerne mit weiteren 500 Subunternehmen. Stroytransgas musste inzwischen aussteigen, weil dessen Chef Gennadiv Timtschenko als Reaktion auf Moskaus Zündeln in der Ukraine in Europa keine Geschäfte mehr machen darf. An seine Stelle rückte die Gazprom-Tochter Centrgas. Mittlerweile räumt auch Bulgariens Präsident Rossen Plewneliew massive Korruption bei der Auftragsvergabe ein. Der Bau des bulgarischen Abschnitts der Pipeline sei dreimal so teuer wie nötig.

In Moskau und Sofia bemühen sich Politik und Wirtschaft nun fieberhaft um einen Ausweg aus der Sackgasse. Laut russischen Medien hat Gazprom bereits einen Plan B entwickelt. Danach könnte die umstrittene Pipeline am Ende durch Griechenland und die Türkei statt durch Bulgarien, Serbien und Ungarn geführt werden. Angeblich sei die Türkei nicht abgeneigt. Aber auch eine andere Lösung ist denkbar: Als Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Juli Sofia besuchte, soll er signalisiert haben, man könne die Bauaufträge für den bulgarischen Abschnitt der Röhre neu ausschreiben. Parlamentarier Kuyumdziev dementiert dies, und vor Oktober ist wohl nicht mit einer endgültigen Entscheidung zu rechnen. Dann nämlich wird in Bulgarien gewählt.

Um Kritik scheren sich Politiker wie Kuyumdziev ohnehin nicht, erst recht nicht, wenn sie aus Brüssel kommt. Manche Parlamentarier in Sofia ätzten zuletzt, Energiekommissar Oettinger sei wohl von Washington gesteuert. Statt nach Westen blickt man in Bulgarien in diesen Tagen immer öfter nach Osten, so wie früher. „Die Russen sind unsere Brüder“, sagt Kuyumdziev und fügt hinzu: „80 Prozent unseres Volkes denken so.“ Als die Ukraine-Krise begann, schossen in Umfragen die Sympathiewerte der Bulgaren für Putin auf 70 Prozent in die Höhe. Fast ein Viertel der Bevölkerung spricht sich mittlerweile gar für den Beitritt ihres Landes zur Eurasischen Wirtschaftsunion aus, die Russland, Weißrussland und Kasachstan im vergangenen Mai gegründet haben. Auch in Serbiens Hauptstadt Belgrad und in Budapest sind solche Töne immer häufiger zu hören.

Doch vor allem zwischen Moskau und Sofia sind die Bande eng. Russische Unternehmen sind mit dem bulgarischen Bankensektor eng verquickt; die sozialistische Regierung pflegt traditionell enge Kontakte nach Moskau. Dort wurde nach Erkenntnissen westeuropäischer Diplomaten in Sofia auch das bulgarische Energiegesetz erarbeitet.

Moskau fährt derweil auf dem Balkan eine Doppelstrategie. Zum einen versorgt Russland die finanziell klammen Länder beispielsweise mit großzügigen Krediten. Bei der Flutkatastrophe in Serbien im Frühjahr schickte Russland umgehend Rettungstrupps, Geld und Hilfsgüter. Zum anderen allerdings, so warnen politische Beobachter in der Region, versuche Moskau die Länder gezielt zu destabilisieren, um sich anschließend als Rettungsanker anzubieten.

Warnung vom BND

Für Aufsehen sorgte kürzlich ein Auftritt von Gerhard Schindler, dem Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), vor dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Laut „Süddeutscher Zeitung“ erklärte Schindler dort, Moskau habe offenkundig ein Interesse an einem Staatsbankrott Bulgariens – damit das Land in der Folge wieder enger an Russland heranrücke. Im vergangenen Juli war Bulgariens Bankensystem kurzzeitig in Turbulenzen geraten.

Auch die deutsche Bundesregierung verfolgt das gefährliche Geschachere auf dem westlichen Balkan mittlerweile mit Sorge und will der Region künftig wieder mehr Aufmerksamkeit schenken. Nötig wäre es, denn eines zeigt sich unzweifelhaft: Russland nutzt sein Gas nicht nur als Druckmittel gegen die Ukraine. Sondern auch, um die EU-Länder gegeneinander auszuspielen.

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