Ukraine Naftogaz wird zum Spielball der Politik

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Naftogaz-Preise sollen auf Marktniveau gebracht werden

„Die Gaspreise sind zum Spielball der Politik verkommen“, sagt Juri Koroltschuk vom Institut für Energieforschung in Kiew. Keine Regierung der Ukraine hatte es bisher gewagt, die Wähler durch horrende Preissteigerungen zu verprellen. Stattdessen ließen es die Machthaber in Kiew bis heute zu, dass die Ukrainer nur ein Neuntel dessen für Gas bezahlen, was deutsche Verbraucher berappen müssen.

Das will die Regierung nun radikal ändern. Von April an wird Naftogaz vier Mal so viel für Gas und doppelt so viel für Fernwärme verlangen. Dadurch sollen die Verbraucher statt bisher rund 15 Prozent etwa die Hälfte des Marktpreises bezahlen. Für das kommende Jahr ist die nächste Erhöhung geplant, die drei Viertel des Marktpreises erreichen soll. In zwei Jahren soll das Marktniveau erreicht werden.

Das aber droht die finanziellen Möglichkeiten vieler Ukrainer weit zu übersteigen. „Das Risiko von Zahlungsausfällen ist enorm hoch“, warnt Energieexperte Koroltschuk. Bereits Ende des vergangenen Jahres stieg die Gesamtverschuldung der Ukrainer bei den Wohnnebenkosten, also im Wesentlichen den Ausgaben für Energie, um 7,4 Prozent auf insgesamt knapp 500 Millionen Euro.

Konzern im Konzern

Die Regierung sieht das Problem und hat deshalb eine halbe Milliarde Dollar bereitgelegt, um Bedürftigen unter die Arme zu greifen. Gleichzeitig hofft Präsident Poroschenko, bei den Wählern einigermaßen ungeschoren davonzukommen, indem er den Griff ins Portemonnaie mit Versprechen verbindet. „Mittelfristig könnte sich die Ukraine durch die Einführung marktwirtschaftlicher Inlandspreise unabhängiger von Russland machen“, sagt Thinktank-Mitarbeiter Dodonov.

Zudem bringt das Programm auch den Fördertöchtern von Naftogaz Verbesserungen. Sie sollen künftig für Gas aus ihrem Heimatland 150 Dollar pro 1000 Kubikmeter bekommen – statt gegenwärtig zehn Dollar. Das würde die Förderung attraktiver machen und Investitionen anregen.

Eine andere Angelegenheit sind die Privilegien, die Präsident Poroschenko Alteingesessenen bei Naftogaz nehmen muss. Denn zur Sanierung des Konzerns gehört nicht nur die Preiserhöhung, sondern auch die Entkopplung der Erzeugung, der Übertragung und des Vertriebs von Gas. Für den bisherigen Monopolisten bedeutet das die Aufspaltung in einzelne unabhängige Unternehmen und die Entmachtung derer, die sich bisher ungeniert an dem staatseigenen Konzern bedienten.

Möglicher Gegenschlag

Der härteste Widersacher Poroschenkos dürfte der inzwischen teilentmachtete Kolomoisky sein. Er hatte an Naftogaz so etwas wie einen Konzern im Konzern angeflanscht. Zu dem Gebilde gehörten die 100-prozentige Naftogaz-Pipeline-Tochter Ukratransneft, der Ölförder-Ableger Ukrnafta sowie eine eigene Ölraffinerie im zentralukrainischen Krementschug.

„Kolomoisky hat mit seinen Anteilen an Ukrnafta die Auszahlung von Dividenden an den Staat verhindert“, sagt Energieexperte Koroltschuk. Zudem ließ die Naftogaz-Pipline-Tochter Ukratransneft kürzlich fast 600.000 Tonnen Öl in Kolomoiskys Raffinerie einlagern. Dafür kassiert er nun fast drei Millionen Dollar – und zwar jeden Monat. Angeblich, so die offizielle Begründung, hätten prorussische Separatisten aus dem Osten des Landes an das Öl gelangen können.

Keine Frage, die erste Runde im Schlagabtausch ging an Präsident Poroschenko. Doch Kolomoisky gehören immer noch die größte Bank des Landes, eine Ölraffinerie sowie ein Fernsehsender. Zudem verfügt er über loyale Abgeordnete im Parlament. Gut möglich, dass Kolomoisky noch zum Gegenschlag ausholt, um seine Pfründe zu retten.

Experten machen sich deswegen keine Illusionen, wie lange sich die Sanierung von Naftogaz und der gesamten ukrainischen Energiebranche hinziehen könnte. „Wir sind erst im Basiscamp angekommen und haben den 8000er noch vor uns“, sagt Berater Zachmann.

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