Wenn der Unternehmensname Programm sein sollte, dann ist diese Aktie ein Muss für alle Anleger. Denn mit der E.On-Tochter Uniper startet am Montag, 12. September, eine Firma ihr Börsendebüt, die sich eines auf ihre Fahnen schreibt: Unique Performance, einzigartige Leistungsfähigkeit also. Sollte der Börsengang jedoch ein Flop mit einstürzenden Kursen werden, kann sich jeder schon heute die boshaften Schlagzeilen à la „Einzigartiger Absturz“ vorstellen. E.On-Chef Johannes Teyssen, der Uniper erst an seine Aktionäre verteilt, die dann das Papier unters Volk mischen werden, baut da lieber schon einmal vor: „Wir werden am ersten Tag weiche Hände sehen, die Uniper rasch verkaufen, ganz klar.“
Die Hände, die Teyssen meint, sind die der aktuellen E.On-Aktionäre, die für jeweils zehn Anteile eine neue Uniper-Aktie gutgeschrieben bekommen. Zu welchem Kurs, ist noch nicht festgelegt. Das wird erst im Zuge einer Eröffnungsauktion zu Beginn des Börsenhandels am 12. September ermittelt. Damit es dabei nicht drunter und drüber geht, sollen als begleitende Banken die US-Finanzadressen JP Morgan und Morgan Stanley geradestehen.
Absturz mit Ansage
Von den insgesamt 365,96 Millionen Uniper-Anteilen bleiben 46,65 Prozent bei E.On selbst, der Rest geht an die Aktionäre der Essener. Rund ein Drittel der Aktien erhalten indexorientierte Fonds. Das ist ein Problem. Denn Uniper ist am 12. September für kurze Zeit 31. Mitglied im Dax, fällt aber tags darauf schon wieder aus dem Index. Indexfonds müssen ihre neuen Uniper-Anteile deshalb schnell wieder loswerden, daher dürfte der Handelsstart schwach ausfallen. Das bietet allerdings Chancen für Anleger, die Uniper am Markt kaufen oder ihren Anteil nach Zuteilung als E.On-Aktionär aufstocken wollen. Positiv: E.On selbst wird aller Voraussicht nach die bei ihr verbliebenen Anteile aus steuerlichen Gründen frühestens 2018 abstoßen.
Die Aktionärsstruktur von E.On
2,43 Prozent
2,25 Prozent
2,02 Prozent
1,91 Prozent
1,84 Prozent
1,75 Prozent
1,65 Prozent
1,60 Prozent
1,03 Prozent
97,57 Prozent
Investoren kaufen bei Uniper aber eine Menge schwerer Vergangenheit ein. Im November 2014 entschied E.On-Konzernchef Teyssen, seine unter Preisdruck stehenden Kohle-, Gas- und Wasserkraftwerke sowie den Energiehandel in eine Tochter, die heutige Uniper, auszulagern. E.On konzentriert sich auf die vielversprechenden Geschäfte mit Wind- und Solarstrom, den Vertrieb und das Netzgeschäft.
Ob und wann sich der Einstieg oder das Halten der Uniper-Aktie trotzdem lohnt, darüber sind sich selbst Intimkenner der Materie kaum einig. Pessimisten wie das Bankhaus Metzler kalkulieren mit dem Hinweis auf die mangelnde Gewinndynamik von Uniper nur mit einem angemessenen Börsenwert von 2,8 Milliarden Euro. Zuversichtlicher sind die Schweizer UBS, die auf 3,9 Milliarden Euro kommt, und die Commerzbank mit 4,3 Milliarden; sehr optimistisch gegenüber Metzler zeigt sich die Deutsche Bank, die für Uniper 5,6 Milliarden Börsenwert veranschlagt. Als wichtigste Argumente für relativ hohe Werte ziehen Optimisten absehbare Gewinne Unipers aus dem umfangreichen Russlandgeschäft heran; als vager sind die von ihnen erhofften Chancen auf eine Stabilisierung des Strommarkts einzustufen.
Hohe Schulden, knappes Eigenkapital
Der Durchschnitt der Uniper-Bewertungen liegt bei 4,2 Milliarden Euro, oder, je Aktie gerechnet, etwa 11,50 Euro. Angesichts der schon für 2016 versprochenen Dividende von 55 Cent je Anteil bekämen Anleger damit 4,8 Prozent Jahresrendite, ein hoher Wert. Zum Vergleich: Die 30 Dax-Konzerne rentieren bei rund drei Prozent. Auch bei der unter Börsianern beliebten Kernkennzahl Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), bei der der Jahresgewinn durch die Anzahl an Aktien eines Unternehmens geteilt und dieser Wert wiederum im Verhältnis zum Kurs der Aktie gesetzt wird, punktet Uniper. Bei einem Kurs von 11,50 Euro läge die KGV-Bewertung bei 8,5, rund ein Drittel unter der Dax-Bewertung für 2017 auf Basis von Analystenschätzungen, die dabei sogenannte Sonderfaktoren wie Abschreibungen teilweise ausklammern.
Hektische Kursausschläge zu erwarten
Allerdings gibt es auch jede Menge Kennziffern, die ein hohes Risiko der Aktie widerspiegeln. Uniper bilanzierte zum Jahresende 2015 knapp 12,5 Milliarden Euro an Nettoschulden, die Eigenkapitalquote lag bei 23,6 Prozent. Ein schlapper Wert angesichts der kapitalintensiven Geschäfte. Inwieweit hartes Vermögen wie Kraftwerke und weiches Vermögen wie etwa Patente und bilanzierte Prämien auf einst erworbene Töchter mit validen Werten in der Bilanz angesetzt sind, ist fraglich. Von Ende 2013 bis Ende 2015 schrumpften die langfristigen Vermögenswerte von 39,3 auf nur noch 29,5 Milliarden Euro. Immerhin ist damit zumindest schon ordentlich Luft aus der Bilanz herausgenommen worden.
Riskante Wette auf Energieträger von gestern
Zuschlagen bei Uniper-Aktien ist in Summe der Pro und Contra nur solchen Anlegern zu empfehlen, die bereit sind, ins Risiko zu gehen. Denn die Börsenstory beruht auf einem Geschäftsmodell, das sich über kurz oder lang auflösen wird. Mit der Energiewende sind Wind- und Solarstrom auf dem Vormarsch. Bis 2050 will Deutschland 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen. Im Portfolio von Uniper befinden sich aber rund 300 Kohle-, Gas- und Wasserkraftwerke plus Atommeiler in Schweden.
Die wichtigsten Fragen zur E.On-Aufspaltung
Der Energieriese trennt seine konventionellen Gas-, Wasser- und Kohlekraftwerke sowie den Energiehandel ab vom Rest des Konzerns mit den Wind- und Sonnenenergieanlagen, den Stromnetzen sowie den modernen Energie-Dienstleistungsangeboten. Alte und neue Energie hätten sich so stark auseinanderentwickelt, dass beide Bereiche getrennt mehr Zukunft hätten, sagt E.On-Chef Johannes Teyssen. Das sei „Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit von Eon und Uniper“, schrieb er vor kurzem an die Aktionäre. Aus der alten E.On werden zwei Unternehmen: Der Mutterkonzern schrumpft auf 40.000 Mitarbeiter, 14.000 Beschäftigte arbeiten bei Uniper.
Operativ arbeiten E.On und Uniper schon seit Jahresbeginn komplett getrennt. Im nächsten Schritt nutzt Uniper Kreditzusagen mehrerer Banken über rund 2,5 Milliarden Euro, um alte Kredite der E.On-Mutter abzulösen und sich so auch finanziell auf eigene Füße zustellen. Wenn die Hauptversammlung zustimmt, werden beide Konzernteile dann auch rechtlich getrennt. E.On legt seinen Aktionären gut 53 Prozent der Uniper-Aktien in ihre Depots. Für jeweils 10 E.On-Papiere gibt es einen Uniper-Anteilsschein. Später will sich E.On über die Börse auch vom Rest der Papiere trennen. Läuft alles reibungslos, könnte Uniper schon im dritten Quartal 2016 erstmals eine eigene Bilanz vorlegen.
Es gibt viel Zustimmung für Teyssens Plan. Allerdings haben die Aktionäre angesichts der Krise in der Branche auch das Gefühl, gar keine andere Wahl zu haben. „Wir begrüßen die Aufspaltung. Sie ist aus unserer Sicht alternativlos, um beide Unternehmensteile für die nächsten Jahre über Wasser zu halten“, sagt zum Beispiel der Fondsmanager Thomas Deser von Union Investment. Die Fondsgesellschaft zählt mit gut einem Prozent der E.On-Aktien zu den 20 größten Aktionären. Auch die Aktionärsvereinigung DSW will zustimmen – trotz Bedenken. „Unter der neuen Uniper-Flagge wird das Kohlekraftwerk auch nicht rentabler“, sagt DSW-Geschäftsführer Thomas Hechtfischer.
In der konventionellen Stromerzeugung vor allem mit Gaskraftwerken wird nichts mehr verdient. Die Gewinne schrumpfen immer weiter, weil subventionierter Ökostrom die Märkte flutet – zuletzt auch im ersten Quartal 2016. Wer soll vor diesem Hintergrund eigentlich künftig Aktien des Kraftwerksunternehmens Uniper kaufen, fragen die Aktionärsvertreter. Uniper hat ja selbst gleich zu Beginn ein Sparprogramm und den Verkauf von Firmenbeteiligungen angekündigt. Erst etwa ab 2018 erwartet Uniper wieder eine Belebung des Marktes für konventionelle Stromerzeugung.
Außerdem hat E.On auf Druck der Politik seine deutsche Atomsparte anders als geplant nicht der Erzeugungstochter Uniper zugeschlagen. Das ist unlogisch, denn für die Kernenergie des Konzerns in Schweden ist Uniper zuständig. Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Fonds, die immer beliebter werden, könnten E.On-Aktien wegen des Atomanteils meiden. „Ein schwerer Geburtsfehler“, sagt DSW-Mann Hechtfischer. Für 2016 haben beide Unternehmen Dividenden versprochen, aber die Analysten fürchten, dass sich das angesichts der schrumpfenden Erträge später ändern könnte.
Branchenweit müssen die Stromkunden mit weiteren Erhöhungen rechnen – allein schon, weil der teure Ausbau der Netze über den Strompreis mitfinanziert wird. Auch die EEG-Umlage dürfte weiter steigen. Angesichts der schlechten Ertragslage bei E.On ist dann kaum damit zu rechnen, dass der Konzern seine Strompreise für die Endverbraucher stabil hält. Allein 2015 habe der Energieriese seinen Kunden Strompreiserhöhungen zwischen drei und elf Prozent ins Haus geschickt, sagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. Der Großkonzern gehöre wie RWE regelmäßig zu den teuersten Stromanbietern im Vergleich – woran sich auch durch die Abspaltung nichts ändern dürfte.
Die fossilen Kraftwerke lassen sich wegen der stetig wachsenden Produktion von grüner Energie kaum noch wirtschaftlich betreiben. Die Kohlemeiler sind Auslaufmodelle, weil zu klimaschädlich. Strom in Gaskraftwerken lässt sich erst bei Großhandelspreisen ab 45 Euro pro Megawattstunde profitabel erzeugen, zuletzt zahlten Abnehmer weniger als 30 Euro.
Börsenneuling im Check: Uniper | |
Branche | Energie |
Mitarbeiter | 13.146 |
Umsatz 2015/2016/2017 | 92 / 79 / 90 Milliarden Euro |
Nettogewinn 2015/2016/2017 | 3,76 / 3,80 / 0,50 Milliarden Euro |
Gewinn je Aktie 2015/2016/2017 | 10,27 / 10,38 / 1,37 Euro |
Dividende je Aktie für 2016/2017 | 0,55 / 0,60 Euro |
Begleitende Banken | JP Morgan, Morgan Stanley |
Kursbildung | Eröffnungsauktion |
Gesamtzahl der Aktien | 365,96 Millionen Stück |
Anteil für E.On-Aktionäre | 53,35 Prozent |
Bei E.On verbleibender Anteil | 46,65 Prozent |
geschätzter fairer Börsenwert | circa 4,2 Milliarden Euro oder 11,50 Euro je Aktie |
Erstnotiz | 12. September 2016 |
ISIN | DE000UNSE018 |
Risiko | hoch |
Empfehlung | bei Kursen unter 10,00 Euro spekulativ kaufen |
Quelle: Unternehmen, Banken, eigene Recherche; Werte teilweise gerundet und für 2016 und 2017 geschätzt |
Der Mutterkonzern E.On hat den Wert seiner fossilen Stromquellen deshalb im ersten Halbjahr um 3,8 Milliarden Euro abgeschrieben und machte damit drei Milliarden Euro Verlust. Die Fantasie, die Uniper-Chef Klaus Schäfer, Exfinanzchef von E.On, für die Uniper-Aktie wecken möchte, beruht auf Annahmen, die sich als falsch erweisen könnten. So hofft Schäfer auf einen steigenden Großhandelspreis für Strom und eine Renaissance von Gas, wenn in sieben Jahren das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet wird. Dann, so sein Kalkül, könnte Gas als Spitzenausgleich wieder verstärkt zum Einsatz kommen. Bis dahin aber wird auch immer mehr grüne Energie produziert, und auch die Entwicklung von Speichern, die Wind- und Sonnenstrom deponieren können, wird bis dahin fortschreiten.
Dass sich der Börsenhandel eng an Hochrechnungen zum fairen Börsenwert orientiert, ist bei den zuletzt hektischen Kursausschlägen der Energieaktien nicht zu erwarten. Sollte es beim Handelsstart zu deutlich niedrigeren Notierungen kommen, könnte das für risikofreudige Anleger eine Einstiegsgelegenheit werden – womöglich sogar zu Kursen von unter zehn Euro für eine neue Uniper-Aktie.
Eine Alternative sind E.On-Aktien selbst übrigens vorerst nicht. Der Mutterkonzern bilanziert die Uniper-Anteile noch mit rund zwölf Milliarden Euro. Sollte der Börsengang weniger einbringen, muss der Essener Versorger noch einmal Milliarden abschreiben. Unique Performance wäre anders.