Energieversorger Trudelnde Stromriesen

Was wird aus den Konzernen, die mit der Energiewende in Deutschland große Teile ihres Geschäftsmodells verlieren? Wem droht die Zerschlagung, wer hat noch Chancen?

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Ein Kuehlturm des Blocks B des Quelle: dapd

Im Landratsamt zu Ravensburg, 20 Kilometer nördlich des Bodensees, wird weit mehr erledigt als die Bearbeitung von Bauanträgen und die Planung von verkehrsberuhigten Zonen. In den Amtsräumen von Landrat Kurt Widmaier (CDU), Atomkraftbefürworter und konservativ bis auf die Knochen, wird zurzeit intensiv über die Zukunft der Energiewirtschaft gegrübelt, über Atomausstiegs- und Sparprogramme sowie über harte Verhandlungen mit russischen Oligarchen, die an wichtigen Rohstoffquellen sitzen. Denn Widmaier ist parallel zu seinem Amt Vorsitzender des Zweckverbandes Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW). Und die halten 46,5 Prozent am drittgrößten deutschen Energiekonzern Energie Baden-Württemberg, kurz EnBW. Das ist genauso viel wie das Land, das seit einigen Wochen vom grünen Ministerpräsidenten und erklärten Atomkraftgegner Winfried Kretschmann regiert wird.

Die Energiewirtschaft ist am Wackeln. Geschäfte trudeln, wichtige Köpfe werden ausgetauscht, die bisher monolithischen, unanfechtbar wirkenden Konzerne geraten ins Wanken. Mächtig, renditestark und vor Arroganz strotzend sind sie seit dem Schnellbeschluss aus Berlin zur Energiewende nicht mehr. Welcher Konzern hat nun noch eine langfristige Überlebenschance, und wie kann die aussehen? Zu einem entscheidenden Faktor kann bei den gerne global mitspielenden Unternehmen dabei ausgerechnet der Grad der regionalen Verwurzelung werden, die Verbindung mit den Stadtwerken.

Die Gefechtslage ist für die großen drei ähnlich: Ihnen brechen im Atomgeschäft Gewinne weg, bedingt durch die Ausstiegsbeschlüsse des Bundestages und das Moratorium nach dem Fukushima-Drama. Das trifft am härtesten EnBW, weil kein anderer deutscher Energiekonzern so atomabhängig ist wie die Schwaben.

Zu hohe Gaspreise

Zugleich wankt in Deutschland auch der Großhandel mit Gas, der jahrzehntelang Milliardengewinne sicherte. Grund sind die hohen, langfristig mit russischen Lieferanten wie Gazprom vereinbarten Preise – Wettbewerber können sich derzeit aufgrund eines weltweit großen Angebots an Flüssiggas weit billiger eindecken. So wird bei E.On in diesem Jahr ein Milliardenverlust beim Gashandelsgeschäft mit Russland erwartet. Daher soll die Essener E.On Ruhrgas aufgelöst und in die Zentrale in Düsseldorf integriert werden.

Kohlekraftwerke haben wegen des Widerstandes der Bevölkerung und der drohenden hohen Kosten von Verschmutzungsrechten (Emissionszertifikaten), die den Versorgern von 2013 an voll berechnet werden, keine große Zukunft mehr. Das gilt vor allem für die besonders klimaschädliche Braunkohle, deren größter Verstromer in Europa RWE ist. Alternative Energien wie Windräder, auch solche, die vor den Küsten gebaut werden („Offshore“), rechnen sich noch nicht, sondern sind ein Investment in die Zukunft.

Kein Wunder, dass Alarm herrscht: Bei EnBW rumort es angesichts hoher Verluste. Und in dieser Woche sind die Aufsichtsräte von RWE und E.On zu Strategie-Krisensitzungen zusammen getreten.

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