Energieversorger Warum bei E.On, RWE und Co. die Nerven blank liegen

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Explodierende Strompreise

Vor allem die Geschäftsmodelle für den groß angelegten Einsatz erneuerbarer Energien wirken nebulös. Zwar ist E.On in gewaltige Windpark-Projekte auf hoher See eingestiegen, etwa in „London Array“ vor der Themse-Mündung sowie „Alpha Ventus“ und „Amrumbank“ vor der ostfriesischen Küste. „Big is beautiful“, hatte ein E.On-Vorstand noch vor Kurzem gejubelt. Es kursierte ein gewaltige Vision: Alle Offshore-Windparks im Norden sollten sich zu einem gigantischen Kraftwerk mit der Leistung mehrerer Atomkraftwerke zusammenschließen. Dazu stellte man sich Unterwasserkabel vor, die speziell vom schweizerischen Technologieunternehmen ABB ersonnen waren, um alle Windfarmen auf hoher See und alle Wasserkraftwerke in Norwegen miteinander zu verbinden. Große, schwimmende Umspannstationen sollten vor diesen Windparks in steifer Brise wie riesige Bohrinseln treiben, um alle Windräder in Nord- und Ostsee zu vernetzen. Sogar Gezeitenkraftwerke sollten angeschlossen sein, E.On warb damit in science-fiction-anmutenden Werbespots, kurz vor der Tagesschau. Jetzt erkennen die Energiemanager, dass diese Visionen doch einige Nummern zu groß sind und technisch noch viel zu unausgereift.

Von der Politik ungeliebt

E.On schaltet mehrere Gänge zurück. Der Konzern will in solchen Großprojekten lieber nur noch die Rolle des Juniorpartners spielen, sagt Teyssen. Das Projekt Alpha Ventus zeigt mit mehreren Pannen, dass die Offshore-Technik noch technisch anfällig ist, weil immer wieder zahlreiche Windräder ausfallen und statt Strom nur Kosten produzieren.

Die große Bugwelle der Offshore-Technik ist nicht mehr da. Es ist ein ganzes Bündel von Faktoren, das die einst so monolithisch auftretenden, auftrumpfen-den Strommanager ins Dümpeln gebracht hat.

Die auffälligste Veränderung ist der Verlust der politischen Reputation. Gesellige Rotweinrunden von Abgeordneten mit Konzernvorständen sind passé. Stattdessen zerhacken Politiker die Energiewirtschaft zunehmend in Streitgesprächen, in denen sie über die hohen Strompreise und „Abzocke“ mitschimpfen können. So kürzlich in Potsdam geschehen, wo der schwedische Vattenfall-Konzern zu einem „Dialog“ mit Landespolitikern eingeladen hatte. Die Amtsträger machen sich die aufbrandenden Emotionen der Wähler zu eigen – und damit die Energiekonzerne zum alles überragenden Großfeind.

„Die Schweden regen sich über die Sex-Eskapaden ihres Königs auf, bei uns hat man als Aufreger die Energieindustrie“, sagt ein gefrusteter Vattenfall-Manager. Charlotte Roche, Autorin der „Feuchtgebiete“, bot Bundespräsident Christian Wulff gar eine Liebesnacht für den Fall, dass er die Atom-Laufzeitverlängerung nicht unterschreibt – Energie als Schmäh- und Witznummer.

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