EPR Frankreichs peinliches Atom-Dallas

Der Bau von EDFs EPR-Atommeiler soll Verspätung haben. Statt 2012 sollen die Bauarbeiten frühestens 2014 fertig sein. Der Bericht liefert der Schlammschlacht zwischen EDF und Areva neue Munition. Dabei geht es um die Frage, wer die Führung in der französischen Atom-Industrie innehaben soll.

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EPR-Baustelle im französischen Flamanville im November 2009: Der Bau dauert wohl länger als geplant. Quelle: Reuters Quelle: handelsblatt.com

PARIS. Der Bau des neuen Atommeilers EPR in Nordfrankreich hinkt laut einem Bericht der Zeitung "Le Figaro" zwei Jahre seinem Zeitplan hinterher. Statt 2012 würden die Bauarbeiten frühestens 2014 fertig sein, meldet die Zeitung. Das verschärft einen laufenden Streit in der französischen Atombranche.

Eine Sprecherin des Stromkonzerns EDF verwies auf Anfrage darauf, dass der Konzern "weiterhin am Kalender festhält, wie er im November 2009 genannt wurde" mit einem Abschluss der Bauarbeiten 2012 und den ersten kommerziellen Stromlieferungen im Jahr 2013. Auf die Nachfrage, ob eine neue Verspätung bekannt sei, verweigerte die Sprecherin aber ein klares "nein".

"EDF spricht intern schon seit längerem vom Datum 2014", heißt es aus französischen Industriekreisen zu möglichen Verzögerungen. Zu den Ursachen der Verspätung werden drei Gründe angeführt: Der EPR (European Pressurized Reactor) sei ein neuer Reaktortyp, den EDF zum ersten Mal gemeinsam mit Areva, Bouygues und Alstom baut. Zweitens würden die Ingenieure von EDF zum ersten Mal seit Jahren wieder einen neuen Atommeiler bauen, viele erfahrene Kräfte seien aber in die Rente gegangen. Drittens würde die Atomaufsicht ASN härtere Auflagen als erwartet machen. Der erste EPR in Europa, dessen Bau Areva in Finnland verantwortet, hängt rund drei Jahre dem Zeitplan hinterher.

Analysten verweisen darauf, dass die Meldungen über die Verspätung des französischen EPR-Baus zu einem heiklen Zeitpunkt auftauchen. Seit Wochen leisten sich der neue EDF-Chef Henri Proglio und die Areva-Chefin Anne Lauvergeon eine öffentliche Schlammschlacht.

Dabei geht es um Macht und um die Frage, wer die Führung in der französischen Atom-Industrie innehaben soll. "Die Verspätung würde das Image von EDF stark beschädigen just in dem Moment, in dem das Unternehmen eigentlich Frankreichs Nuklearindustrie im Export anführen soll", kommentiert Patrice Lambert-de Diesbach vom Broker CM CIC Securities.

Den ersten Akt in diesem "Dallas der Atomindustrie" lieferte Henri Proglio im vergangenen Herbst. Der Top-Manager war noch nicht offiziell zum neuen EDF-Chef ernannt, da forderte er in Gesprächen mit der Presse bereits, Areva zu zerschlagen. Es sei "ein Fehler" gewesen, unter Arevas Dach die Aktivitäten Brennstoffproduktion- und Wiederaufbereitung, Reaktorbau und Uranförderung zu vereinen, so Proglio. Darüber hinaus forderte er, dass künftig EDF allein beim Export der Kerntechnik das Sagen haben soll, Areva sei ein nur Zulieferer. Premierminister Francois Fillon rief daraufhin beide Top-Manager zur Ordnung. "Der Staat ist der wahre Chef der Atom-Industrie", stellte er klar.

Der Kampf der Egos bekam vor kurzem neue Nahrung durch den Export-Flop in Abu Dhabi. Das Scheichtum will Atomkraftwerke im Wert von 20 Mrd. Euro bauen, gab aber im Bieter-Finale der koreanischen Kepco den Zuschlag und dem Konsortium aus Areva, EDF, GDF-Suez und Total einen Korb. Nun ist eine Debatte in Frankreich entflammt, wer die Schuld an dem Export-Desaster trägt. In einem Interview mit "Le Monde" weist Areva-Chefin Lauvergeon die Verantwortung von sich. Demnach habe das Wüstenemirat gefordert, dass ein Stromkonzern sowohl den Bau als auch den Betrieb der Meiler garantiere; und trotz allen Bittens habe EDF erst sehr spät sich dazu bereit erklärt, dem französischen Konsortium beizutreten. EDF-Kreise wiederum verweisen darauf, dass der EPR-Meiler Arevas für solche Export-Aufträge einfach zu teuer sei. Die Baukosten werden mit rund fünf Mrd. Euro pro Stück veranschlagt.

Als ob das nicht schon genug wäre, streiten beide Unternehmen auch noch um Geld. Es geht darum, zu welchen finanziellen Bedingungen Areva die 58 Atomkraftwerke von EDF mit Brennstoff versorgt, und die alten Brenn-Elemente wiederaufbereitet. Eine erste Schlichtungsrunde zu dem Thema unter Moderation des Wirtschaftsministeriums hatte es bereits 2008 gegeben, nun gibt es Streit um die konkrete Anwendung des Schlichterspruchs.

Politiker fürchten bereits Schaden für Frankreichs Ruf als führende Atomnation durch den Dauerstreit. "Wir haben eine recht vorbildliche Nuklearindustrie in Frankreich. Sie sind drauf und dran, das mit ihrem Verhalten zu zerstören", klagt der Abgeordnete Ladislas Poniatowski, Vorsitzender des Energie-Ausschusses im Senat. Und die Atomgegner von Greenpeace verhöhnen die Konflikte als "Szenen einer Ehe".

Die nächste Eskalation ist bereits programmiert: Im Frühjahr wird der Bericht von Ex-EDF-Chef Francois Roussely erwartet, der für Staatschef Nicolas Sarkozy Vorschläge für eine effizientere Organisation des nuklearen Sektors machen soll. Der Mann gilt als enger Freund des neuen EDF-Chefs Proglio. Bei Areva bereitet man sich schon auf das Schlimmste vor.

Siemens

Ausstieg Vor rund einem Jahr schon hat der deutsche Siemens-Konzern bekannt gegeben, seinen Anteil von 34 Prozent am Kraftwerksbauer Areva NP an die Holding Areva zurückgeben zu wollen. Passiert ist seitdem wenig, beide Konzerne streiten über den Preis, den Areva zahlen muss. Ferner ist umstritten, ob Siemens mit der russischen Rosatom eine neue Atom-Partnerschaft eingehen darf, da die alten Verträge mit Areva eine Sillhaltefrist vorsehen. Der Fall soll nun von einer internationalen Schiedsstelle geschlichtet werden.

Einigkeit Beide Konzerne wollen dennoch weiter im Kraftwerksgeschäft kooperieren. Laut Areva-Chefin Anne Lauvergeon hat der französische Konzern mit Siemens ein neues Abkommen über zehn Jahre geschlossen, demzufolge Siemens Areva die Steuerungssysteme für Meiler liefert.

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