Erfolgsfaktoren Fusionen: Mitarbeiter-Integration wichtiger als Kostensenkung

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Zwei Kardinalfehler bei AT&Ts Übernahme von Media One

Das hatte das Führungsteam des damals größten US-Telekomkonzerns AT&T nicht bedacht, als es 1999 den amerikanischen Kabelfernsehbetreiber MediaOne übernahm. Zum Zeitpunkt der Fusion hatte AT&T die Integration des im Jahr zuvor gekauften Kabel-TV-Anbieters TCI noch nicht verdaut. Der Koloss war so mit sich selbst beschäftigt, dass Kundendienst und Neuakquisition vernachlässigt wurden: Nicht nur im Bereich Kabelfernsehen sondern auch im Kerngeschäftsbereich Telefonie – eine Todsünde zu jener Zeit, als der Wettbewerb im US-Telekommarkt härter wurde.

Zweiter Kardinalfehler war die Aufteilung des Konzerns kurz nach der Übernahme, was die Chancen auf eine gemeinsame Kundenansprache im Telefon- und Kabel-TV-Geschäft auf einen Schlag vernichtete. Umsatzwachstum und Gewinn brachen ein, schon 2002 trennte sich AT&T wieder von seinen Kabelfernsehinteressen.

Um solche Pannen zu vermeiden, sollte der Integrationsprozess Chefsache sein, fordert Schrottke: „Das Top-Management gehört an die Spitze der Bewegung.“ Zumal nicht nur die Kunden stiften gehen, wenn Sinn und Zweck einer Fusion unklar sind – auch bei hoch qualifizierten Mitarbeitern droht ein Aderlass. Solche Probleme lassen sich am besten durch intensive Kommunikation überwinden: „Am besten ist es, wenn das Top-Management gleich nach Abschluss der Fusion alle wichtigen neuen Standorte besucht und die Pläne erklärt“, sagt Rothenbücher, „das Mindeste ist aber ein Brief oder eine Mail an alle Beschäftigten noch am Tag der Bekanntmachung.“ Bewährt habe sich die gemischte Besetzung des Integrationsteams, das die während der Due-Diligence-Phase erarbeiteten Detailpläne umsetzt – „auch um bei den Beschäftigten des aufgekauften Unternehmens dem Eindruck einer feindlichen Übernahme vorzubeugen“, sagt Rothenbücher. Bei großen Fusionen kann das Integrationsteam aus bis zu 100 Arbeitsgruppen bestehen, die für einzelne Geschäftsbereiche wie Einkauf, Entwicklung und Produktion oder für unterschiedliche Produktgruppen zuständig sind und bei Bedarf von externen Beratern verstärkt werden können.

Bei der Fusion der beiden Pharmakonzerne Sanofi und Aventis vor vier Jahren zum heute größten Pillenproduzenten Europas hat das einigermaßen funktioniert. Obwohl dem Zusammenschluss ein feindliches Übernahmeangebot von Sanofi vorausgegangen war, arbeiteten in den dezentral aufgestellten Integrationsteams Vertreter beider Unternehmen, das Tempo der Verschmelzung war je nach Geschäftsbereich und Region ganz unterschiedlich.

Rothenbüchers Schlussfolgerung: „Notwendig ist ein funktional und zeitlich an den jeweiligen Fusionstyp angepasster Integrationsprozess.“ Stehen Größenvorteile und Skaleneffekte im Vordergrund, müsse sich die Integration vor allem auf das operative Geschäft konzentrieren, also die Schaffung gemeinsamer Einkaufsplattformen und die Zusammenlegung von Produktionsstätten. Bei grenzüberschreitenden Fusionen zur Erweiterung der Absatzmärkte stehe die Überwindung kultureller Unterschiede im Vordergrund. Ohne dabei den Kunden aus den Augen zu verlieren. Gerade Marktführer sind einem besonderen Risiko ausgesetzt, das häufig unterschätzt wird: „Niemand will beim Monopolisten kaufen – wenn der Lieferant zu dominant erscheint, wechseln die Kunden zu kleineren Mitbewerbern“, warnt Rothenbücher.

Geht es bei der Fusion um Produkt- oder Kompetenzerweiterungen, rücken die Nutzung von Cross-Selling-Möglichkeiten und die bessere Ausschöpfung von Kundenpotenzialen an die vorderste Stelle der Prioritätenliste. „Das Integrationsteam muss sich in diesem Fall zuerst um die Bindung von Kunden und Mitarbeitern kümmern“, fordert der M&A-Experte. Und dabei den ursprünglichen Zeitplan auch mal bewusst ignorieren: „Nicht alles muss auf Teufel komm raus integriert werden – und nicht alles von heute auf morgen.“

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