Erfolgsfaktoren Fusionen: Mitarbeiter-Integration wichtiger als Kostensenkung

Kostensenkung ist nicht alles. Viel zu oft werden Kunden und Mitarbeiter bei der Integration vergessen – das gefährdet den Erfolg.

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Brücke von Bilfinger Berger

Bekannt ist das Unternehmen zwar nur in der Fachwelt – doch es zählt schon seit Langem zu den Marktführern auf seinem Gebiet: Wenn in den Kühlhäusern Roms auch im Hochsommer nichts verdirbt und in Osloer Büros selbst im Januar trotz Eiseskälte niemand bei der Arbeit frieren muss, liegt das häufig an der Isolierung des Industriedienstleisters Rheinhold & Mahla.

Der Spezialist für industrielle Schall- und Wärmedämmung, Fassadentechnik sowie Konstruktion und Wartung von Industriegroßanlagen ist seit 2002 Teil von Bilfinger Berger – und ein Paradebeispiel für gelungene Übernahmen: Dank der Kompetenzerweiterung kann der Baukonzern seinen Industriekunden zusätzliche Dienstleistungen anbieten, gleichzeitig hat er neue Kundensegmente erschlossen. Die schnelle und reibungslose Integration hat beiden Unternehmen gutgetan: Die heute als Bilfinger Berger Industrial Services firmierende Tochter steigerte den Umsatz zwischen 2002 und 2006 von gut 800 Millionen Euro auf fast 1,4 Milliarden Euro, der Mutterkonzern legte im gleichen Zeitraum von rund fünf auf knapp acht Milliarden Euro zu.

Ein solcher Erfolg ist eher die Ausnahme: „Bei mehr als der Hälfte aller Fusionen und Übernahmen verschlechtert sich die Performance beider Unternehmen, weil bei der Integration schwere Fehler gemacht werden“, sagt Jürgen Rothenbücher, Leiter des Expertenteams für Fusionen bei A.T. Kearney. Gemeinsam mit dem Beratungshaus untersucht die WirtschaftsWoche in einer fünfteiligen Serie das Management von Mergers and Acquisitions (M&A): Im vierten Teil geht es um die Bedingungen einer erfolgreichen Integration – ein Thema von brennender Aktualität: Die gesamte Autoindustrie sorgt sich derzeit, dass der Zulieferkonzern Continental Probleme mit der Integration der von Siemens gekauften Sparte VDO bekommen könnte. Denn derzeit bindet der Abwehrkampf gegen die Übernahmeavancen durch den fränkischen Familienkonzern Schaeffler die Managementressourcen von Continental.

Die meisten Fusionen schaffen keinen Wert

Wie eine aktuelle Untersuchung von A.T. Kearney zeigt, schaffen die meisten Übernahmen und Fusionen keinen Wert – im Gegenteil: In den ersten drei Jahren nach Abschluss des Transfers verlangsamt sich das um konjunkturelle Effekte bereinigte Umsatzwachstum im Schnitt um sechs Prozentpunkte, bei den Gewinnen verringern sich die Zuwächse sogar um über neun Prozent. Dadurch verschlechtert sich der Börsenwert um durchschnittlich 2,5 Prozentpunkte.

„Die schwächere Dynamik hat vor allem zwei Ursachen“, erläutert Rothenbücher, „zum einen werden die Kunden vernachlässigt, weil die Organisation während der Integrationsphase überwiegend mit sich selbst beschäftigt ist, zum anderen gehen die meisten Führungskräfte irrtümlicherweise davon aus, dass der Wert einer Fusion vor allem durch die Synergien bestimmt wird.“ Diese von den Beratern als Synergieillusion bezeichnete Fehleinschätzung und der Hang zur Nabelschau sind sogar nachvollziehbar: In den ersten Wochen nach der Fusion gibt es so viel zu tun, dass die Manager damit fast immer überfordert sind. Da liegt es nahe, zuerst Projekte anzugehen, deren Effekt sofort erkennbar ist – etwa die Schließung überzähliger Fabriken.

Statt dieses vor allem auf Kostensenkung fokussierten Standardansatzes empfehlen die Berater eine andere Reihenfolge, bei der die Absicherung des bestehenden Geschäfts und die Akquisition neuer Aufträge und Kunden an erster Stelle steht: „Fusionierte Unternehmen sollten zuerst den Vertrieb stärken und die Kommunikation zu ihrer Kundschaft pflegen“, sagt Jörg Schrottke, Principal bei A.T. Kearney. „Umsatzwachstum ist die Voraussetzung für gesunde Profite und rangiert vor Synergien und vollständiger Integration.“

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