Ernährung Warum alle heiß auf Tiefkühlkost sind

Ob Muffins, Grünkohl, Beeren oder Pizzen: Das Geschäft mit der Tiefkühlkost wird immer variantenreicher und boomt in der Krisenzeit.

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Iglo-Fischstäbchen: Tiefkühlkost wird immer variantenreicher

Ewald Senning schaut skeptisch, während er mit einem Löffel in der Pfanne herumstochert. „Das gefällt mir noch nicht“, knurrt der 56-jährige Küchenmeister mit dem Schnauzbart und dem grau melierten Haar. „Die Zwiebeln ziehen viel zu viel Wasser.“ Der erste Versuch, eine tiefgekühlte Fertigmahlzeit mit dem Trendgemüse Kürbis zu komponieren, ist fehlgeschlagen.

Doch das stört den gemütlichen, wohlbeleibten Mann nicht. Senning, weißer Kittel mit den aufgestickten Initialen E.S. und der Personalnummer 482, wird es mit anderen Zutaten halt noch mal probieren. Unzählige Fertigmahlzeiten und Gemüsemischungen hat der Küchenmeister, der sich in der Konzernhierarchie des Tiefkühlkostriesen Iglo „Development Manager Product Design“ nennen darf, schon erfunden. Seit 25 Jahren leitet er die Versuchsküche des Unternehmens in Reken.

Reken ist eine kleine Gemeinde im westlichen Münsterland, deren überregionale Bekanntheit sich auf den Vogelpark Maria Veen und ein Bobby-Car-Rennen beschränkt. Umgeben von grünen Weiden, endlosen Gemüsefeldern und reichlich frischer Luft, hat der Tiefkühlriese, der vor knapp drei Jahren vom britisch-niederländischen Lebensmittelmulti Unilever (Knorr, Lätta) an die britische Beteiligungsgesellschaft Permira (ProSiebenSat1, Hugo Boss) verkauft wurde, eine der größten Gemüsefabriken Europas in die Landschaft gesetzt. Hier blubbt der Rahm in den Spinat, hier werden Erbsen und Rotkohl, Basilikum und Schnittlauch, aber auch der asiatische Sojabohnenmix oder das Bio-Dampfgemüse mit Reis in die rechteckigen Schachteln mit dem Iglo-Logo gezwängt.

Verbrauch von Tiefkühlkost hat sich verdreifacht

„Wir ernten das ganze Münsterland ab“, sagt Senning. Weit mehr als 100 Vertragsbauern liefern von April bis Oktober ihre Erzeugnisse bei Iglo ab. Rund 100.000 Tonnen Gemüse rollen hier jährlich an die Rampen. Drei Stunden nach der Ernte wird das Grünzeug in seinen Tiefkühlschlaf geschickt und landet anschließend in den Truhen bei Rewe oder Real.

Die Entwicklung der eiskalten Kost ist atemberaubend: Befeuert vom Trend hin zu Bequemlichkeit und Mikrowelle und weg von Selberbrutzeln und Kochplatte, hat sich der Verbrauch von Tiefkühl-(TK-)Ware in Deutschland seit 1977 verdreifacht, der Umsatz auf rund elf Milliarden Euro mehr als verzehnfacht. 2008 verputzte im Schnitt jeder Deutsche satte 39 Kilogramm davon, fast ein Kilo mehr als im Vorjahr. Darin ist das Schlecken von Eis noch nicht eingerechnet. Nur vier Prozent der Deutschen verweigern sich hartnäckig dem Essen aus der Truhe.

Tiefkühlkost hat das Zeug zum Krisengewinner. Der Lebensmittelhandel setzt darauf. Das TK-Sortiment schnitt bei der Frage nach den besten Umsatzerwartungen für 2009 im Vergleich zu insgesamt 38 Warengruppen mit Platz zwei ab, ergab eine Umfrage der Fachzeitschrift „Lebensmittel Praxis“ unter 1000 Managern der Branche. Nur Bioprodukte versprechen noch bessere Geschäfte.

Sucht der geldgebeutelte Verbraucher nach preiswerten Alternativen zum Restaurantbesuch beim Italiener, Thai oder Chinesen, findet er sie in den Kühltruhen der Supermärkte. Frosta-Produkte wie Thai Green Curry oder Cannelloni Ricotta-Blattspinat bescherten dem Bremerhavener Marktführer von tiefgekühlten Fertiggerichten 2008 ein zweistelliges Umsatzplus. Beim Lebensmittelriesen Dr. Oetker glaubt man sogar, dass die Pizzasparte die Nährmittel mit ihren Puddings, Backmischungen und Desserts schon bald überholen wird. Und das nicht nur wegen des geplanten Markteinstiegs mit Pizzen in den USA. „In der Krise steigt der Pizzakonsum zu Hause“, sagt Volkmar Preuß, Geschäftsführer der Tiefkühlsparte von Dr. Oetker.

Auch unabhängig von der Krise passt Essen aus dem Eis zum heutigen Lebensstil: unkomplizierte Lagerung, lange Haltbarkeit, wenig Aufwand bei der Zubereitung und so gut wie kein Abfall. Dennoch plagen viele Kunden Zweifel. Ist die Nahrung aus dem Eisschrank wirklich gesund? Was passiert mit Vitaminen und Inhaltsstoffen? Und wie sehr belasten Herstellung, Lagerung und Transport die Umwelt?

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