Eurovision Song Contest Melodien für Millionen

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Historische Fernseher Quelle: dpa

Selber singen wird er nicht. Ansonsten kümmert sich TV-Manager Schreiber um fast alles bei der Schlagersause. Schreiber ist bei der ARD, mit einem Umsatz von 6,3 Milliarden Euro auf Rang 17 der weltgrößten Medienkonzerne, der Mann fürs Bunte. Meist in Anzug, Hemd und Krawatte gewandet, verströmt der 51-Jährige den Charme eines seriösen, bedächtigen Sachbearbeiters. Und doch war er es, der den Song Contest in Kooperation mit dem Privatsender ProSieben und seinem Star Stefan Raab aufmöbelte.

Für Schreiber kommt es Samstag auf zweierlei an: Erstens muss die teure Show perfekt funktionieren. Sein Heimatsender NDR ist verantwortlich dafür, dass die Übertragung in jeder der geplanten 195 Sendeminuten klappt und jedes der 55 angeschlossenen Länder seine Bilder bekommt. Zweitens müssen die ARD-Quoten stimmen. 2010 hatten beim Finale fast 15 Millionen eingeschaltet. Gar mehr als 60 Prozent betrug der Marktanteil bei den 14- bis 29-Jährigen. Das ist auch diesmal Schreibers Messlatte, alles darunter dürften seine ARD-Kollegen als Niederlage empfinden. Denn dem Ersten dient die Schlagerorgie nicht zuletzt dazu, sich auf jugendlich zu trimmen. Immerhin liegt der Altersdurchschnitt der Zuschauer sonst oft deutlich jenseits der 60 Jahre.

ARD legt beim Grand Prix drauf

Dass Schreiber keine tiefschürfendere Kritik an dem Millionenaufwand erntete, liegt auch daran, dass die Gebührenfunker in all den musikalisch so erfolglosen Jahren vor Lena preiswert an die Ausstrahlung der bisherigen Wettbewerber kamen: Der jeweilige Gastgeber zahlte für die Party, die angeschlossenen Anstalten mussten nur eine Art Eintrittsgebühr überweisen. In diesem Jahr schießt die Europäische Rundfunkunion als Rechteinhaberin 3,8 Millionen Euro aus dem Ergebnis als Sockelbetrag dem NDR zu.

Weitere Einnahmen erzielt die ARD über Werbung im Umfeld der täglichen Sendungen zum Contest, die von diesem Montag an laufen, sowie aus dem Verkauf von 100 000 Show-Tickets. Wie viel der bringt, konnte der NDR noch nicht sagen. Die beiden nationalen Sponsoren – der Nutzfahrzeughersteller MAN und der E-Mail-Anbieter GMX – geben Geld und Dinge, etwa die 43 Reisebusse, mit denen die Delegationen durch Düsseldorf kurven. Unterm Strich wird der Song Contest für die ARD wohl zum Zuschussgeschäft.

Stefan Raab als Mitmoderator des Finales und Lena als Deutschlands Sangeshoffnung sind nur die sichtbaren Hinweise auf die Rolle, die einer der größten deutschen TV-Produzenten beim Contest spielt: Brainpool. Das Unternehmen mit Sitz in Köln produziert im schnöden TV-Alltag unter anderem Raabs Comedy-Sendung „TV total“ sowie seine zahlreichen Groß-Shows und vermarktet über ein Tochterunternehmen Lena. In Düsseldorf zieht Brainpool an noch größeren Strippen. Im Auftrag des NDR laufen die Fäden für die gesamte Produktion der Show bei Brainpool-Chef Jörg Grabosch – helle Windjacke, blauer Schal, kahler Kopf – zusammen. Unter seinen Fittichen stehen die mehr als 100 Subunternehmen, die die Düsseldorfer Arena in ein TV-Studio verwandelten – vom Generatorenverleiher Aggreko aus Aachen über die Spezialeffekte-Firma LunatX aus Düsseldorf bis zum Bühnenbauer MCI aus Hamburg. "Wir wickeln die ganze Show für den NDR ab, so wie wir auch Produktionen für ProSieben machen", sagt Grabosch.

Brainpool gehört zu 50 Prozent der international vernetzten französischen TV-Produktionsfirma Banijay, hinter der Investoren wie der italienische Industrieclan Agnelli (Fiat) und die französische Dynastie Arnault stehen, denen der Luxuskonzern LVMH (Louis Vuitton, Moet) gehört. Die übrigen Anteile verteilen sich zu gleichen Teilen auf Raab, Grabosch, Mitgeschäftsführer Ralf Günther sowie den Kölner Anwalt Andreas Scheuermann.

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