Expansionspläne Konzerne gehen auf Einkaufstour

In der Krise hatten viele Konzerne ihre Expansionspläne auf Eis gelegt und die Gunst der Stunde genutzt, um Kosten deutlich zu senken. Das ist vorbei: Es läuft rund bei Fusionen und Übernahmen - die milliardenhohen Offerten für Sara Lee und Danisco sind nur der Anfang.

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Der US-Konsumgüterkonzern Sara Lee ist ein begehrter Übernahmekandidat. Quelle: dapd

DÜSSELDORF/FRANKFURT/NEW YORK. Es ist ein Luxusproblem, das derzeit viele Konzerne plagt: Die Unternehmen haben zu viel Geld in der Kasse. Das Gleiche gilt für Finanzinvestoren. Knapp 1.000 Milliarden Dollar halten sie laut den Branchenexperten von Preqin für Firmenkäufe bereit. Bisher haben weder Firmen noch Investoren ihre Barbestände im großen Stil eingesetzt - die wirtschaftliche Lage war ihnen zu unsicher. Das aber ändert sich jetzt.

Zum Jahresauftakt sind gleich drei große Konzerne in das Visier von Investoren geraten. Der US-Chemieriese Dupont bietet 5,8 Milliarden Dollar für den größten dänischen Konzern Danisco, den Hersteller von Lebensmittelzusatzstoffen. Eine Gruppe von Finanzinvestoren arbeitet an einer Offerte für den Senseo-Kaffee- und Natreen-Hersteller Sara Lee, der an der Börse mit elf Milliarden Dollar bewertet ist. Für Sara Lee gibt es weitere Interessenten, die den Preis des Unternehmens treiben könnten. Auch in der US-Energiebranche bahnt sich ein Megadeal an: Duke Energy will für 13 Milliarden Dollar den Konkurrenten Progress übernehmen

Kein Zweifel: Die Manager sind wieder auf Einkaufstour. Und so paradox es klingt: Die prall gefüllten Kassen sind eine Folge der Krise. Denn in den vorigen Jahren herrschte eine selbst auferlegte Zurückhaltung. Viele Konzerne hatten ihre Expansionspläne auf Eis gelegt und die Gunst der Stunde genutzt, um Kosten deutlich zu senken.

Als 2010 die Wirtschaft ansprang, profitierten die Konzerne doppelt: von den Rahmenbedingungen und den Sanierungsmaßnahmen. Zudem starteten viele mit hohen Barbeständen. In der Krise hatten die Manager das Geld zusammengehalten, um liquide zu sein, sollten die Banken den Geldhahn zudrehen. Diese Phase ist vorbei. Jetzt sorgen sich die Bosse, nicht schnell genug zu investieren. Geld spielt offenbar kaum eine Rolle.

Sara Lee ist ein attraktives Ziel

So buhlen um den amerikanischen Konsumgüter-Hersteller Sara Lee laut mehreren, nicht dementierten Medienberichten derzeit zwei Interessenten. Der erfolgsverwöhnte mexikanische Fleischproduzent JBS hatte bereits Mitte Dezember elf Milliarden Dollar für Sara Lee geboten, war aber beim Management auf Ablehnung gestoßen. Jetzt sollen die Mexikaner ein neues Angebot erwägen. Ein anderer mexikanischer Lebensmittelhersteller, Grupo Bimbo, hatte im Herbst bereits das US-Backwarengeschäft von Sara Lee für eine Milliarde Dollar gekauft. Analysten von JP Morgan meinen, Sara Lee könne den Preis bis auf 17 Milliarden Dollar treiben - ein Aufschlag von einem Drittel auf den aktuellen Kurs.

Dabei könnte der zweite Interessent helfen: Der Milliardär Dean Metropoulos hat sich nach einem Bericht des "Wall Street Journal" mit dem Finanzinvestor Apollo verbündet, der bei Sara Lee angeblich bereits vor einigen Monaten abgeblitzt war. Jetzt feilen sie mit weiteren Finanzinvestoren an einer Offerte für den US-Konsumgüterhersteller.

Würde das Konsortium Sara Lee übernehmen, wäre es die wohl größte fremdfinanzierte Übernahme seit der Finanzkrise. "Private Equity hat das Tal der Tränen durchschritten", urteilt Peter Schwanitz, Senior Vice President beim Dachfonds Portfolio Advisors. Mittlerweile gebe es wieder Kredite für Übernahmen: "Das sorgt dafür, dass die Übernahmemaschine wieder anläuft."

Genau das ist dringend nötig. Denn 2010 stemmten Finanzinvestoren nach Zahlen von Thomson Reuters gerade einmal Käufe im Volumen von 211 Milliarden Dollar - nur ein Bruchteil dessen, was in den Jahren zuvor abgeschlossen worden war. Aus der Flaute erwachsen immense Probleme, denn kurz vor der Finanzkrise hatten viele Häuser noch neue, milliardenschwere Fonds aufgelegt.

Sara Lee ist ein attraktives Ziel mit starken Marken. Viele, etwa Jimmy Dean?s Würste, sind nur auf Regionalmärkten wie den USA bekannt. In Europa spielen neben Natreen auch Tee (Pickwick), Kaffee (Douwe Egberts) und die Automatenpads der Marke Senseo eine große Rolle. Was Sara Lee für Finanzinvestoren noch attraktiver macht: Die Firma steckt mitten im Umbau - mit der Chance, rasch Erlöse zu erzielen.

Die neue Übernahmewelle zieht sich durch viele Branchen: Der US-Mobilfunkzulieferer Qualcomm gab vor wenigen Tagen eine Milliardenofferte für Atheros ab. Der Internettelefonie-Anbieter Skype kündigte an, den Videospezialisten Qik zu übernehmen. Schon wird über weitere Deals spekuliert. So soll die Lufthansa die skandinavische SAS schlucken wollen und möchte noch im ersten Halbjahr zugreifen, berichten Finanzkreise. Zum Verkauf stehen auch Töchter des Mischkonzerns Siemens. Der Grund: Siemens Hörgeräte und der Leuchtmittelhersteller Osram gehören nicht mehr zum Kerngeschäft.

Energiebranche: Duke formt einen neuen Großversorger

Die anrollende Welle von Fusionen und Übernahmen lässt in den USA einen neuen Energiegiganten entstehen, der seine neue Größe zum Bau einer Serie neuer Atomkraftwerke nutzen will. Duke Energy, bislang die Nummer drei der Branche, hat gestern die Übernahme des kleineren Konkurrenten Progress für 13,7 Milliarden Dollar bekanntgegeben und wird damit zum Marktführer. "Unsere Branche ist in einer neuen Aufbauphase", begründete Jim Rogers, Vorstandschef von Duke Energy, die einvernehmliche Übernahme. Durch die Fusion könne man in eine Reihe neuer, kapitalintensiver Technologien investieren.

Zusammen versorgen die beiden im Bundesstaat North Carolina beheimateten Firmen 7,1 Millionen Kunden mit Energie, die aus Kohle, Gas, erneuerbaren Energien und Atomkraft gewonnen wird. Die Kraftwerke in den USA sind insgesamt erneuerungsbedürftig. Zudem gilt Atomkraft - anders als in Deutschland - als "grüne Alternative" zu Kohle. Im Einsatz neuer Nuklearanlagen sehen die Amerikaner einen Weg, die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren. Beide Firmen hatten zuvor separat die Erneuerung und den Ausbau ihrer Atomanlagen geplant. Progress allein hatte dafür Kosten in Höhe von 16 bis 17 Milliarden Dollar veranschlagt. Das Management sah es als zu risikoreich an, Investitionen in dieser Größenordnung allein zu schultern. Wegen der sich abzeichnenden Übernahme hatte Progress einige Atomprojekte in Gebieten gestoppt, in denen Duke ähnliche Pläne verfolgte.

Duke zahlt die Übernahmen in eigenen Aktien und legt dabei, gemessen am Durchschnittskurs der vergangenen 20 Handelstage, eine Prämie von 6,4 Prozent auf den Tisch. Zudem übernimmt der Käufer 12,2 Milliarden Dollar Schulden von Progress. Die Fusion muss noch von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden. Ob diese grünes Licht geben, ist völlig offen. Denn der neue Gigant erreicht vor allem in North und South Carolina eine marktbeherrschende Stellung, wie sie sonst kein Energieversorger in einem anderen Bundesstaat hat. Zuletzt hatten die Aufsichtsbehörden die Übernahme von Public Service Enterprises aus New Jersey durch den in Chicago beheimateten Energieversorger Exolon wegen Wettbewerbsverzerrung untersagt. Beobachter gehen davon aus, dass die aktuelle Fusion unter Auflagen genehmigt werden könnte, die dann aber die Wirtschaftlichkeit der Transaktion infrage stellen könnten.

Chemie: Dupont verstärkt sich mit Enzymhersteller Danisco

Die Chemiebranche startet mit einer überraschenden Großübernahme ins neue Jahr: Für 5,8 Milliarden Dollar (4,5 Milliarden Euro) will der amerikanische Chemiekonzern Dupont den Weltmarktführer für Lebensmittelzusatzstoffe, Danisco aus Dänemark, übernehmen. Der US-Konzern, der für seine Lacke, Folien und Kunststoffe bekannt ist, zielt damit darauf, seine Position als Vorlieferant der Ernährungsindustrie auszubauen. In diesem Geschäft verbucht er bisher rund ein Viertel seines Konzernumsatzes von mehr als 30 Milliarden Dollar. Dupont bietet unter anderem Pflanzenschutzmittel und Saatgut an.

Branchenfachleute bewerten die Übernahme als Beleg dafür, dass Fusionen und Übernahmen im Chemiesektor wieder an Schwung gewinnen. Ein solcher Trend zeichnete sich bereits im vergangenen Jahr ab. So stärkte BASF mit dem Kauf von Cognis ebenfalls das Geschäft mit Vorprodukten für Nahrungsmittel. Die niederländische DSM-Gruppe erwarb Ende Dezember die US-Firma Martek Bioscience, die ebenso wie Danisco in der Herstellung von Nahrungszusätzen tätig ist. Ihre Elastomer-Sparte wiederum hatte DSM kurz zuvor an Lanxess verkauft.

Dupont wagt mit dem Danisco-Deal die größte Übernahme seit dem Kauf des Saatgutherstellers Pioneer vor mehr als zehn Jahren. Den Danisco-Aktionären bietet der US-Konzern 665 Kronen (89,40 Euro) je Aktie und damit einen Aufschlag von 25 Prozent gegenüber dem Schlusskurs vom Freitag. Außerdem übernimmt er Verbindlichkeiten in Höhe von 500 Millionen Dollar. Danisco empfiehlt seinen Aktionären, das Angebot anzunehmen. Analysten in der dänischen Hauptstadt rechnen nicht mit einem Bieterkampf. Danisco hat sich in den vergangenen Jahren zu einem weltweit führenden Hersteller von Enzymen, Tierfutter und Nahrungszusätzen entwickelt. Mit 7 000 Beschäftigten setzte das Unternehmen im vergangenen Jahr umgerechnet rund 2,4 Milliarden Dollar um und erwirtschaftete einen bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von rund 440 Millionen Dollar.

Dupont übernimmt mit Danisco keinen Unbekannten: Beide Unternehmen betreiben bereits seit etwas mehr als einem Jahr ein Joint Venture, das Biokraftstoffe produziert. "Es gab mehrere Offerten, und wir haben die Wettbewerbssituation für uns genutzt", sagte Danisco-Aufsichtsratschef Jørgen Tandrup. Er wollte die anderen Interessenten allerdings nicht nennen.

Mit dem Kauf von Danisco verschiebt sich der Kundenschwerpunkt von Dupont noch stärker in Richtung Ernährungsindustrie. Das Geschäft von Danisco biete klare Synergien mit der Agrosparte von Dupont und passe daher perfekt zu der eigenen Wachstumsstrategie, sagte Dupont-Chefin Ellen Kullman.

Allerdings muss Dupont dafür tief in die Tasche greifen. Der Preis von 6,3 Milliarden Dollar (einschließlich Schulden) entspricht mehr als dem Doppelten des erwarteten Umsatzes und etwa dem Zwölffachen des für 2011 erwarteten Danisco-Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). BASF zahlte nur das siebenfache Ebitda für Cognis. Lanxess erwarb die Kunststoffsparte von DSM für das Sechsfache des erwarteten Ebitda.

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