Expertenforum Bankberater packen aus: Arbeitskämpfe und Abfindungen

Die WirtschaftsWoche hat skandalöse Zustände im Bankvertrieb enthüllt. Viele Kommentare und Fragen erreichten die Redaktion. Regina Glaser, Anwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf und Verbraucherrechtsexperte Jens Graf von der Kanzlei Jens Graf Rechtsanwälte in Düsseldorf beantworten ausgwählte Fragen zum Thema Anlegerschutz und Arbeitsrecht.

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Regina Glaser

Fragen zum Themenbereich Arbeitsrecht

Frage 1 Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Glaser,

vor fast genau einem Jahr bin ich, oder besser meine Psyche, ausgestiegen. Ich bin 52 Jahre alt und habe in meinem Leben schon einige Dinge gemeistert. Ich bin 1992 nach einer Elternzeit und anderer beruflicher Orientierung wieder bei meiner Bank eingestiegen und habe seit dieser Zeit erfolgreich an der Front, das heißt am Kunden, gearbeitet. Bis es nun durch Personalwechsel zum Eklat kam.

Bis zu diesem Zeitpunkt war es möglich gewesen, den vorhandenen Vertriebsdruck durch Teamarbeit, Ideenreichtum, Flexibilität und sehr gute persönliche Kontakte erträglich zu halten. Dann war das vorbei.

Grabenkämpfe zwischen den Kollegen wo zuvor Anstand, Verständnis und Zuversicht herrschten. "Jeder rette seinen Kopf und hoffe, dass er es überstehe". Ich bin seit dieser Zeit zu Hause und in psychologischer Behandlung, seit meinem Kuraufenthalt. Selbstmordgedanken , Alpträumen, Persönlichkeitsspaltungen , Angst vor Menschen , Existenzängste.

Durch Therapien und Hilfe von vielen Seiten konnte ich mich wieder damit anfreunden, ein normales Leben zu beginnen und suche im Moment einen neuen Arbeitgeber.

Meine Bitte ist dahingehend zu erfahren, ob ich eine Chance habe eine Abfindung, ein Schmerzensgeld, eine einmalige Abgeltung zu erhalten.

Ich bin praktisch unkündbar, jedoch auch viel zu teuer als das man mich an anderer Stelle als im Vertrieb einsetzten würde und zudem konnte und kann man mir keine alternative Stelle anbieten.

Antwort zur Frage 1:

Sehr geehrte Frau B.

es besteht die Möglichkeit ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden, indem sie einen Aufhebungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber schließen. Im  Rahmen dessen könnten sie die Zahlung einer Abfindung aushandeln. Zu bedenken ist allerdings, dass  ein rechtlicher Anspruch auf eine solche nicht besteht. Außerdem dürfte ihr Verhandlungsspielraum dabei sehr gering sein, da für ihren Arbeitgeber im Grunde keine Veranlassung zur Zahlung einer Abfindung besteht.

Wenn sie sich dazu entscheiden einen Aufhebungsvertrag zu schließen, sollten Sie ein ärztliches Attest über ihren Gesundheitszustand einholen, um nachweisen zu können, dass sie den Aufhebungsvertrag aus einem wichtigen Grund iSd § 144 Abs. 1 SGB III geschlossen haben. Andernfalls ruht ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III für die Dauer von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zudem vermindert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gem. § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III um die Dauer der Sperrzeit, so dass sie nach der dreimonatigen Sperrzeit anstatt für einen Zeitraum von 9 Monaten nur noch für einen Zeitraum von 6 Monaten Arbeitslosengeld erhielten.

Frage 2: Sehr geehrte Frau Glaser, der Artikel in der Wirtschaftswoche Nr. 6/2008 hat mir aus dem Herzen gesprochen. Ich war von Juli 1991 bis Dezember 2007 bei einer Sparkasse beschäftigt. Weil ich diese Vertriebsmentalität nicht mehr länger ertragen konnte, ohne ernsthaft psychischen Schaden zu nehmen, habe ich 2007 einen Aufhebungsvertrag mit meinem ehemaligen Arbeitgeber geschlossen. Ich werde mich dieses Jahr selbständig machen. Das Arbeitsamt hat mir nun mitgeteilt, dass ich eine 3-monatige Sperrzeit für das Arbeitslosengeld bekomme, da der psychische Verkaufsdruck kein Grund ist, sein Arbeitsverhältnis zu beenden. Meine Frage lautet, lohnt sich da ein Widerspruch? Oder ist das eher zwecklos, weil ich fast gar keine Krankheitstage nachweisen kann? Egal, wie schlecht es mir auch ging, ich habe mich immer auf Arbeit geschleppt. Vielen Dank für Ihre Antwort.

Antwort 2. Sehr geehrte Frau G., gemäß § 144 Abs. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Sperrzeit von drei Monaten, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat. Ein versicherungswidriges Verhalten im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III liegt auch bei dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages vor, da der Arbeitslose durch seine Zustimmung eine wesentliche Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisse gesetzt hat.

Die Sperrzeit tritt gem. § 144 Abs. 1 SGB III jedoch nicht ein, wenn der Arbeitslose für sein versicherungswidriges Verhalten einen wichtigen Grund hat.

Als ein solcher kommt grundsätzlich auch der von Ihnen geschilderte psychische Verkaufsdruck, das heißt das systematische und fortlaufende Drangsalieren und unter Druck setzen eines Arbeitnehmers in Betracht. Dem Grunde nach hätten sie demnach wohl einen Anspruch auf Zahlung des Arbeitslosengeldes auch für die ersten drei Monate nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gehabt.

Sie tragen jedoch gem. § 144 Abs. 1 S. 4 SGB III die Beweislast für die Tatsachen, die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebend sind. Die gesundheitlichen Folgen des vom Arbeitgeber ausgeübten Drucks müssten somit von Ihnen mittels eines ärztlichen Attestes dargelegt und nachgewiesen werden. Da sie nach ihren Angaben nur an sehr wenigen Tagen krankheitsbedingt abwesend waren und keinen Arzt aufsuchten dürfte der Beweis mangels eines ärztlichen Attests nicht zu führen sein.

Ich rate Ihnen daher mangels Erfolgsaussichten keinen Widerspruch gegen den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit einzulegen.

Falls sie sich dennoch für die Einlegung eines Widerspruchs entscheiden bedenken sie bitte, dass dieser innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe (Zugang) des Bescheides eingelegt werden muss.

Frage 3

Guten Tag, ich bin seit 34 Jahren bei einer Sparkasse angestellt, eigentlich unkündbar (über 45 Jahre usw.). Ich hatte schon jahrelange Probleme mit einem Vorgesetzten, der mich mobbte, z.B. immer Dinge mir reindrückte und bei Beförderungen mir sagte, eigentlich wären sie der richtige Mann, aber nachdem ich weiß was sie von mir halten kann ich das nicht befürworten und vieles mehr. Aufgrund einer Umstrukturierung des Betriebes fiel dann eine Beraterstelle weg und natürlich musste ich dran glauben und eine völlig neue Aufgabe 25 km weg bei einer Zweigstelle übernehmen. Ich war vorher schon durch die jahrelange Auseinandersetzung nervlich angeschlagen und wurde nun noch völlig depressiv, was mich zu einem Klinikaufenthalt für 1/2 Jahr zwang.

Als ich zurückkam versetzte man mich entgegen meines Wunsches, in die Sachbearbeitung in die am weitesten entfernte Zweigstelle. Ich habe das bewusst nicht abgelehnt. Nun hat man mir eine lächerliche Abfindung angeboten mit der Begründung, dass man nicht glaube, dass ich den Belastungen weiter gewachsen sein werde. Ich mache aber nun den mir zugeteilten Job, obwohl er eigentlich nicht meiner Aus-bzw. Weiterbildung entspricht. Man will mich rausekeln.

Frage: Kann mich der Arbeitgeber zurückstufen, weil die jetzige Tätigkeit nicht meiner Vergütungsgruppe entspricht (ich habe mich aber nicht auf diesen Job beworben)? Hab ich Nachteile zu erwarten, wenn ich einen Schwerbehindertenausweis vorlege (mein Arzt hat mir empfohlen, diesen zu beantragen)? Ich hab schon gehört, dass dann ein Arbeitgeber sagte, "wir haben keinen Schwerbehindertenjob für sie" und dieser dann gekündigt wurde, trotz Kündigungsschutz. Wenn ich es schaffen würde, evtl. 1/2 EU-Rente zu bekommen, muss der Arbeitgeber mir dann einen 1/2-Tagesjob anbieten oder wäre das ein Kündigungsgrund?

Antwort zu Frage 3: Sehr geehrter Herr L.,

ihr Arbeitgeber ist trotz ihrer Versetzung auf eine andere Arbeitsstelle, die nicht ihrer Vergütungsgruppe entspricht, verpflichtet ihnen weiter ein Gehalt entsprechend ihrer ursprünglichen Vergütungsgruppe zu zahlen. Die Kürzung ihrer Vergütung wäre nur mittels einer Änderungskündigung möglich. Hierfür wäre jedoch ein  betriebsbedingter Grund erforderlich, der in ihrem Fall nicht ersichtlich ist.

Fraglich ist vielmehr, ob ihre Versetzung zu einem Arbeitsplatz in der Zweigstelle mit völlig neuen Aufgaben überhaupt zulässig war. Der Arbeitgeber ist zwar aufgrund seines aus § 106 GewO folgenden Direktionsrechtes grundsätzlich berechtigt den Arbeitnehmer zu versetzen, das heißt ihm einen neuen Tätigkeitsbereich zuzuweisen. Hierbei muss es sich jedoch um eine gleichwertige Tätigkeit handeln, die der Vergütungsgruppe des Arbeitnehmers entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer auch dann keine unterwertige Tätigkeit zuweisen, wenn die Bezahlung gleich bleibt.

Möglicherweise ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers in ihrem Fall sogar durch einen langjährigen vorbehaltlosen Einsatz auf einem bestimmten Arbeitsplatz eingeschränkt. Die Arbeitspflicht hätte sich dann auf diesen konkretisiert, so dass eine Versetzung nicht zulässig wäre. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann auch durch eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag (Stellenbeschreibung) eingeschränkt sein.

Zudem ist nicht zu befürchten, dass bei Vorlage eines Behindertenausweises Nachteile für sie entstehen. Das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung ist durch Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, sowie durch das AGG abgesichert. Vielmehr bestünde für sie ein Sonderkündigungsschutz und sie hätten z.B. Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr.

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