Expertenkolumne Fallstricke beim Praxisverkauf

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Praktischer Arzt bei der Quelle: dpa

Oder aber der Verkäufer behält sich nur noch Nebentätigkeiten in geringem Umfang vor. Die Finanzverwaltung akzeptiert Nebentätigkeiten wie das Erstellen von Gutachten oder Vortragsveranstaltungen bzw. die Zurückbehaltung eines Teils der Patienten, soweit diese nicht mehr als zehn Prozent der bisherigen durchschnittlichen Gesamteinnahmen der letzten drei Jahre ausmachen. Dafür müssen keine Teilbetriebe vorliegen. Der Praxisverkauf bleibt trotzdem steuerbegünstigt.

Wer krankheitsbedingt nicht mehr voll als niedergelassener Arzt arbeiten kann, dem steht noch eine andere Alternative offen. Er kann statt zu verkaufen seine Praxis verpachten und erzielt dann gewerbliche Einkünfte. Diese Verpachtung löst zwar grundsätzlich Gewerbesteuer aus. Durch die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer fällt aber de facto zumindest in Großstädten mit Hebesätzen ab 400 Prozent keine Gewerbesteuer an. Die Steuerbelastung kann somit für die Dauer der Verpachtung gestreckt werden. Denn trotz hälftigen Steuersatzes löst der Verkauf mit sich anschließender Sofortversteuerung des Totalgewinns oftmals eine hohe Steuer aus. Die anfängliche Verpachtung zögert die Sofortbesteuerung des Totalgewinnes erst einmal hinaus. Die Verpachtung kann dann jederzeit beendet und der steuerbegünstigte Verkauf angehängt werden.

Dieser Weg hat jedoch einen Haken. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Möglichkeit der Praxisverpachtung bisher nur in dem Fall bejahrt, in dem der Praxisinhaber verstirbt und seine Erben die Praxis solange an einen Arzt verpachten, bis einer der Erben sein bereits aufgenommenes Medizinstudium beendet hat. Ob eine Praxisverpachtung über den entschiedenen Einzelfall hinaus grundsätzlich auch für Fälle möglich ist, in denen der bisherige Praxisinhaber an einen Berufskollegen übertragt und danach weiterlebt, hat der BFH bisher noch nicht entschieden.

Eine weitere steuerliche Gestaltung wird zurzeit kontrovers diskutiert und ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Gemeint ist die Praxisverlegung in das EU-Ausland. Bisher fingiert das Gesetz für diesen Fall eine Praxisaufgabe mit der Versteuerung der stillen Reserven, die insbesondere auf den Patientenstamm entfallen, ohne dass es hierbei vorher zu einem Liquiditätszufluss in Gestalt eines gezahlten Kaufpreises gekommen ist. Nach einer aktuellen Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts (Urteil vom 17.01.2008; 4 K 1347/03) verstößt diese Fiktion der Praxisaufgabe gegen die EU-rechtliche Niederlassungsfreiheit. Sollte der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen EU-Rechtsverstoß bejahen, könnte eventuell eine steuerneutrale Praxisverlegung in das EU-Ausland gewählt werden. Zu klären wäre dann noch, welcher Staat einen späteren Veräußerungsgewinn versteuert, wenn der Praxisinhaber nicht mehr in Deutschland seinen Wohnsitz hat. Auf jeden Fall sollten entsprechende Steuerfälle in Deutschland offen gehalten werden.

Wer jedoch nach dem Verkauf seiner inländischen Praxis z.B. in die Schweiz verzieht und statt eines Kaufpreises die Beteiligung an den zukünftigen Honoraren des Erwerbers vereinbart, hat die sukzessiv realisierten Einkünfte aus der Praxisveräußerung in Deutschland zu versteuern.

Je nach Interessenlage der Beteiligten, beispielsweise bei Praxisüberleitung an einen jüngeren Kollegen, können aber auch andere steuerliche Konstruktionen sinnvoll sein. So kann statt eines Einmalkaufpreises die Praxis steuerbegünstigt gegen eine Leibrente oder gegen über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren zu zahlende Kaufpreisraten übertragen werden.

Es kommt also immer auf den Einzelfall an. Insbesondere unterliegen ausschließlich steuerlich motivierte Gestaltungen in der Regel dem Missbrauchsvorbehalt des § 42 Abgabenordnung. Deshalb sollten immer auch wirtschaftlich sinnvolle Gründe für die gewählte Gestaltung sprechen.

Der Ausstieg aus dem Berufsleben muss daher immer von langer Hand geplant werden, um ihn steueroptimal zu nutzen. Nur dann bleibt man vor bösen Überraschungen am Ende seiner beruflichen Laufbahn verschont. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei Praxisverkäufen in Großstädten stattliche Gewinne erzielt werden können.

Mussten Ärzte ihre Praxen noch vor zehn Jahren solange weiterführen, bis sie altersbedingt dazu nicht mehr in der Lage waren, so wird heute nicht selten alleine für den Patientenstamm und die Kassenzulassung 50 Prozent des bisherigen Jahresumsatzes bezahlt.  

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