Familienunternehmen Stiftungen boomen wie nie zuvor

Das Motto lautet "Stiften statt streiten": Familienstiftungen erleben derzeit einen wahren Boom. Hinter der Gründungswelle steckt nicht nur Mildtätigkeit, sondern der Wunsch, den Zusammenhalt in der Unternehmerfamilie zu stärken. Denn wenn Mitglieder dem Unternehmen von der Stange gehen, kann es teuer werden.

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Der Unternehmer Werner Otto will mit seiner Stiftung künftig arme, ältere Menschen in Berlin und Brandenburg unterstützen. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

KÖLN. Joachim Herz galt in seiner Familie stets als Querulant. Mehr als einmal wollte der 2008 verunglückte Tchibo-Erbe und Beiersdorf-Großaktionär aus dem Familienbesitz aussteigen. Doch mit seinem Testament bewies der Kaufmannssohn, dass er eigentlich immer nur eins gewollt hat: den zerstrittenen Familienclan zusammenhalten. Sein Vermögen von geschätzten einer Mrd. Euro vermachte der kinderlose Firmenerbe einer Stiftung, die seit Sommer 2009 Projekte in Bildung und Wissenschaft fördert und zugleich knapp 20 Prozent der Familienholding Maxinvest hält.

Was ihm zu Lebzeiten nicht gelang, sich mit seinen Brüdern Michael und Wolfgang zu befrieden, schaffte Joachim Herz mit seiner nach ihm benannten Stiftung schließlich posthum: die Familie setzte sich an einen Tisch und beendete ihre Rechtsstreitigkeiten.

"Familienstiftungen erleben zurzeit einen wahren Gründungsboom", sagt Klaus Schweinsberg, Partner der Intes Akademie für Familienunternehmen. "Allein rund 40 der 100 größten Familienunternehmen in Deutschland sind bereits heute schon im Stiftungswesen aktiv. Ein weiteres gutes Dutzend plant, in absehbarer Zeit mit neuen eigenen Stiftungen an den Start zu gehen", schätzt der Experte für inhabergeführte Unternehmen. Darunter zum Beispiel der Gründer des Hamburger Otto-Versands Werner Otto. Zwei Tage vor seinem 100. Geburtstag - im August 2009 - verkündete der gebürtige Brandenburger, gemeinsam mit seiner dritten Ehefrau Maren künftig arme, ältere Menschen in Berlin und Brandenburg über die Werner und Maren Otto-Stiftung zu unterstützen.

Dass gerade jetzt in der Wirtschaftskrise so viele Familienunternehmer, Teile ihres Firmenvermögens in gemeinnützige Stiftungen umschichten, hat nicht nur mit Mildtätigkeit zu tun. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt vielmehr die Gefahr, dass Familienmitglieder dem Unternehmen von der Stange gehen und plötzlich ausbezahlt werden wollen.

"Ein Damoklesschwert, das vor allem über Familienunternehmen der dritten und vierten Generation schwebt", sagt Rechtsanwalt Mark Binz von Binz & Partner in Stuttgart. "Familienclans, die es schaffen, auch als Unternehmerfamilie bis in die fünfte Generation zusammenzuhalten, wissen in der Regel, wie man Krisen und Konflikte übersteht und pflegen ganz bewusst Rituale und Instrumente, die den Zusammenhalt stärken." Kein Wunder also, dass Traditionshäuser wie Bertelsmann, Heraeus oder Haniel sich schon seit Jahrzehnten als Stifter engagieren. Sie wissen, welche Zugkraft Institutionen der guten Tat auf das Gemeinschaftsgefühl der Gesellschafter haben können.

"Riefen Familienunternehmer bislang Stiftungen ins Leben, wenn sie in der Familie keinen Nachfolger fanden, wollen sie heute damit häufig die wachsende Zahl an Gesellschaftern an das Unternehmen binden", bestätigt Binz. "Stiftungen eröffnen aber auch die Möglichkeit, jenen Familienmitgliedern eine Rolle zu übertragen, die sich im Beirat oder Gesellschafterausschuss nicht wohlfühlen würden", sagt Schweinsberg. Wie zum Beispiel Beate Heraeus, Philologin und Schwiegertochter des Firmengründers des gleichnamigen Hanauer Hightech-Konzerns, die als Vorstand der Bertha- Heraeus- und Kathinka-Platzdorff-Stiftung die Bildungslandschaft beflügelt. Auch die Kinder von Unternehmensgründern müssten nicht selbst über Unternehmertalent verfügen, so Schweinsberg. Als Ärzte oder Künstler könnten sie aber in Stiftungen ihre Qualifikationen auch für das Unternehmen einbringen.

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