Finck-Clan Schlammschlacht ums Milliardenerbe

30 Jahre nach dem Tod des Barons August von Finck fetzen sich seine Söhne um das Milliardenerbe des Privatbankiers – und enthüllen dabei Innenansichten eines der reichsten Clans der Republik.

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Helmut von Finck beim Pferderennen Quelle: Imago/Tuchel

Die Stimmung ist kühl, als sich die drei Brüder am Vormittag des 14. Februar 1985 in der Amtsstube des Münchner Notars Helmut Keidel treffen. Nach einer kurzen Begrüßung verliest der Notar einen 27-seitigen Vertrag. Helmut, Wilhelm und August von Finck junior unterzeichnen, der Notar besiegelt die Urkunde Nummer 408 K – und ein Vermögen verdampft.

Denn mit seiner Unterschrift überträgt Helmut von Finck wesentliche Teile seines Erbes auf die beiden Brüder, darunter Anteile am familieneigenen Bankhaus Merck Finck & Co, an Ländereien und Aktienpaketen. Im Gegenzug kassiert er 65 Millionen Mark, umgerechnet 33,2 Millionen Euro. Ein fairer Preis?

Ein Vierteljahrhundert später beschäftigt diese Frage deutsche Gerichte. Helmut von Finck fordert nicht nur die Rückabwicklung des Vertrags von 1985, bei dem ihm seine Halbbrüder „in empörender – juristisch gesprochen in sittenwidriger – Weise“ sein Vermögen abgenommen hätten, wie es in der Klageschrift heißt. Er will Wilhelm und August junior nachträglich enterben lassen und demnächst auch gegen die Testamentsvollstrecker vor Gericht ziehen.

Hat er Erfolg, muss die adlige Verwandtschaft um Schloss und Vermögen bangen. Auch Helmuts Sohn Nino ist als sogenannter Nacherbe in den Streit involviert und müht sich seit Jahren, die komplexe Materie juristisch aufzurollen.

Mittlerweile scheint die Fehde fast so verworren wie das Firmengeflecht der Sippe, zu dem heute Anteile am Schweizer Gastronomie- und Hotelkonzern Mövenpick, der Beteiligungsgesellschaft Custodia und dem Industriekonzern Von Roll gehören (siehe Tabelle auf Seite 6). Der Familienbrauch, die Söhne des Hauses vorzugsweise August oder Wilhelm zu taufen, macht die Sache nicht einfacher.

Obwohl die von Fincks zu den 100 reichsten Familien des Planeten zählen und nach vorsichtigen Schätzungen über ein Vermögen von mehr als sechs Milliarden Euro gebieten, macht sich der Clan in der Öffentlichkeit rar. Nur die umstrittenen Großspenden aus dem von Finck’schen Imperium an die FDP sorgten Anfang des Jahres plötzlich für unerwünschtes Aufsehen – und natürlich der leidige Erbschaftskrieg.

Mittlerweile hat sich der Streit zu einer spielfilmreifen Familiensaga entwickelt, die sich wahlweise als großangelegtes Verschwörungswerk oder monumentales Racheepos auf die Leinwand bringen ließe. In den Hauptrollen: ein milliardenschwerer Bankier, ein drogenabhängiger Bhagwan-Jünger und dessen erzkonservative Brüder. Aber der Reihe nach.

Der Vater

August von Finck junior und senior Quelle: Picture-Alliance/DPA

Augusts, Wilhelms und Helmuts Vater August von Finck senior galt als knorriger Multimilliardär, ein Mann, gleichermaßen geizig wie reich. Er rauchte billige Strohhalm-Zigaretten, feilschte beim Friseur ums Trinkgeld und versagte seinen Angestellten lange Zeit Armlehnen an den Stühlen („die haben doch beim Arbeiten die Hände auf dem Tisch“).

Privat besaß der Bankier ein altes Schloss in der Schweiz und ein Jagdrevier in der Alpenregion Karwendel. Rund 4000 Hektar Felder, Wiesen und Wälder im Bayrischen nannte er sein Eigen, darunter ausgedehnte Ländereien im Osten von München. Vorzugsweise im abgewetzten Lodenmantel stapfte der Senior dort durchs Revier und stieg hernach in seinen VW-Käfer, um zurück zum Geldhaus am Lenbachplatz zu fahren.

Die Bank war dem Patriarchen heilig. Er hatte Merck Finck & Co nach dem Tod des Vaters 1924 übernommen. Auch die Nazi-Zeit bedeutete kein Ende der Geschäfte. Im Gegenteil: Von Finck machte sich um den Bau von Adolf Hitlers Haus der Deutschen Kunst in München verdient und durfte zum Dank für derlei Dienste jüdische Bankhäuser „arisieren“.

Als der Krieg vorbei war, wurde das NSDAP-Mitglied zum „Mitläufer“ herabgestuft, sollte 1000 Mark Strafe zahlen und beantragte selbst dafür Befreiung wegen seines lädierten Knies. Wenig später durfte er die Reichtumsvermehrung ungehindert fortsetzen und baute die Privatbank zu seiner persönlichen Schaltzentrale aus.

Von hier aus steuerte er umfangreiche Unternehmensbeteiligungen, die beim Bankhaus und in den Familiendepots gebündelt wurden. Wer Anfang der Achtzigerjahre etwa Prämien beim Versicherer Allianz zahlte oder bei den Isarwerken – einem E.On-Vorgängerunternehmen – Strom bezog, half, die Rendite der Dynastie zu mehren. Auch wer bei Hochtief ein Bürogebäude oder im Wirtshaus ein Bier der Marke Löwenbräu orderte, füllte indirekt die Kassen des Barons. Der Großbankier und -grundbesitzer war zeitweise der reichste Deutsche, der „Spiegel“ schätzte sein Vermögen auf einen „zehnstelligen Markbetrag“ .

Einen Teil davon hatte der Patron noch zu Lebzeiten seinen Söhnen übertragen, darunter Anteile am Bankhaus und an einer Grundstücksgesellschaft.

Großer Sitzungssaal der Privatbank Merck Finck & Co. in München Quelle: Pressefoto

Nach seinem Ableben sollte der Rest des Vermögens unter Helmut, August junior und Wilhelm verteilt werden. Gerhard von Finck, der vierte Sohn, war wegen seines angeblich „ehrlosen Lebenswandels“ vom Vater enterbt worden. Auch die Damen des Hauses, egal, ob Tochter, Gattin oder Ex-Ehefrau, blieben außen vor. Für die Erben galten strikte Auflagen, die der Patriarch in einer breitgezogenen, kaum lesbaren Handschrift niedergeschrieben hatte. Bis zur Wahl des Studienfaches seiner Sprösslinge – Jura und Wirtschaft waren erlaubt, auch Agrar- und Forstwirtschaft nicht ganz verkehrt – reichte der letzte Wille des Barons.

Zwei Punkte lagen ihm besonders am Herzen. Zum einen sollte das Bankhaus „als offene Handelsgesellschaft mit meinen erbberechtigten Söhnen und von diesen als persönlich haftenden Gesellschaftern fortgesetzt werden“. Zum anderen sollten die Erben die Beteiligung an den Isarwerken 25 Jahre lang nicht antasten.

Für seinen Jüngsten, Helmut, hatte sich der Alte ein paar zusätzliche Schikanen einfallen lassen. Bis zum 38. Geburtstag sollte sich Helmut die Beträge für einen „standesgemäßen Unterhalt“ von einem Testamentsvollstreckergremium genehmigen lassen. Auch danach hätte er nicht frei über sein gesamtes Vermögen verfügen können.

Helmut war nur als sogenannter Vorerbe eingesetzt. Erst nach seinem Tod sollten „seine männlichen blutsmäßigen ehelichen Abkömmlinge“ erben, wie es in einer Passage des Testaments heißt. Dass der Passus auch für die zuvor erfolgten Schenkungen galt, ist unwahrscheinlich. Doch offenkundig hegte der Senior Zweifel daran, wie sich sein Jüngster entwickeln würde.

Dessen Leistungen im bayrischen Traditionsinternat Schloss Neubeuern ließen zu wünschen übrig. Helmut ging lieber in die Rosenheimer Diskotheken, rauchte ab und an einen Joint und hörte dazu Musik der Dire Straits. Mit 18 schmiss er die Schule hin, und der direkte Kontakt zum Vater riss ab. Doch als der Patriarch im April 1980 auf Gut Möschenfeld bei München im Alter von 81 Jahren an seinem Schreibtisch starb, warf das auch den Sohn aus der Bahn.

Der Sohn

Das Logo des Mövenpick-Hotel Quelle: dpa

Es fällt schwer, sich Helmut von Finck damals vorzustellen. Heute betreibt der 51-Jährige eine erfolgreiche Pferdezucht in der Nähe von Soltau bei Hamburg. Alle paar Minuten nestelt er sein iPhone aus der Tasche, um seine E-Mails zu checken.

Damals versackte er in einer Lebenskrise, feierte sich erst durch Münchens Schickeria, versuchte sich gar als Betreiber einer Disco namens Confetti und setzte sich dann im November 1983 zur Ranch des Bhagwan-Gurus im US-Staat Oregon ab. Dort lebte er mit einer Gruppe Bhagwan-Mönche in einer Bretterhütte, ließ sich die Haare scheren und trug rote Gewänder.

Als die „Bild“-Zeitung durch einen anonymen Hinweis auf die Story aufmerksam wurde und wenig später titelte „Bankerbe Finck zum Bhagwan“, knallte es im Clan. „Ich habe genug von dem ganzen Geld und dem Ärger darumherum“, ließ Helmut von Finck das Blatt wissen. Prompt wurde er per Fax nach München zitiert. Nicht auszudenken, so die Befürchtungen damals, wenn der Adelsspross sein Erbteil einem Guru vermachen würde und die Traditionsbank dereinst in indische Hände fiele.

Zurück in München trennte er sich von seiner Freundin, warf Amphetamine und LSD ein, nahm Schlafmittel und rauchte Cannabis. „Geordnete und logische gedankliche Schlussfolgerungen waren dem Kläger nicht mehr möglich“, schreiben seine Anwälte und listen Zeugen und Gutachter auf, die Helmut von Fincks Geschäftsunfähigkeit bestätigen. Denn just in dieser Lebensphase hätten ihm die Halbbrüder den umstrittenen Vertrag vorgelegt.

Ohne eigene Berater zu konsultieren, unterschrieb er und verzichtete damit auf ein Vermögen, dessen damaligen Wert seine Anwälte heute auf mindestens 760 Millionen Mark beziffern. Auch zwei der drei Testamentsvollstrecker, die über das Erbe wachen sollten, stimmten zu. Der dritte war erst nach Vertragsschluss informiert worden, heißt es in der Klage. Helmut von Finck kassierte rund 65 Millionen Mark und gab seinen Posten als persönlich haftender Gesellschafter der Bank ab. Er sei überzeugt gewesen, dass er sich nur seine Vorerben-Ansprüche auszahlen lasse, sagt von Finck heute.

Sein Sohn, so die Annahme damals, werde nach seinem Tod den Millionen-Schatz bekommen. Bis dahin hätten die Halbbrüder nur die Nutzungsrechte am Erbteil erworben. Von den Schenkungen, die er schon vorher von seinem Vater bekommen hatte und die er damals ebenfalls auf seine Halbbrüder übertrug, wusste Helmut von Finck nach eigenem Bekunden nichts, obgleich sie im Vertrag von 1985 teilweise erwähnt werden.

Doch nicht nur das Kleingedruckte rauschte damals an Helmut vorbei. Und 1973, zum Zeitpunkt der Schenkungen, war er ein 14-jähriger Schüler. Ein amtlich bestellter Pfleger, der sich um die Schenkungen bis zu Helmuts 25. Geburtstag kümmern sollte, verstarb kurz nach dem Tod des Vaters. Alle relevanten Unterlagen seien damals ins Bankhaus gebracht worden, behauptet Helmut von Finck.

Die Brüder

August von Finck junior Quelle: Agency People Image/Michael Tinnefeld

Dort regierten seine Halbbrüder. Wilhelm und August von Finck junior stammten aus der ersten Ehe des Vaters. 1985 waren sie bereits 57 und 54 Jahre alt und seit Jahren in der Bank aktiv. Während Helmut sich zu Bhagwan-Zeiten „Swami Anand Nityo“ nannte – zu Deutsch: der, dem die Freude angeboren ist –, war August junior immer nur der „Gustl“, sittenstreng und erzkonservativ. „Rechts vom Gustl steht nur der Dschingis Khan“, formulierte der Bankier Ferdinand Graf von Galen. Kurz: Helmut und seine Halbbrüder verband eine tiefe Antipathie.

Kaum war der Notartermin beendet, trennten sich ihre Wege. Helmuts Sohn Nino wurde ein paar Monate später geboren, der Rebell fing sich und baute seine Pferdezucht auf.

Seine Halbbrüder machten sich derweil mit Verve daran, das väterliche Erbe neu zu sortieren. Wilhelm erhielt den Großteil der Land- und Forstflächen. August von Finck junior sicherte sich den unternehmerischen Besitz. Die Stammbeteiligungen ihres Vaters schleiften die Gebrüder fast vollständig.

Das 25-Prozent-Paket an Hochtief verschwand 1987 aus dem Familienportfolio, ein paar Jahre später mussten die Anteile am Stromversorger Isarwerke weichen. Der größte Schlag gegen den Willen des Vaters war jedoch der Verkauf des früheren Familienheiligtums. Die britische Barclays Bank übernahm im Herbst 1990 Merck Finck & Co für angeblich 500 bis 600 Millionen Mark, Wilhelm und Gustl stiegen als persönlich haftende Gesellschafter aus.

Ironie der Geschichte: Ende Mai 2010 reichte Barclays die Münchner Privatbank an eine neue Konzernmutter weiter – den indischen Mischkonzern Hinduja.

Seit der Trennung vom Gros der väterlichen Beteiligungen ist es ruhiger geworden um den Clan. Wilhelm von Finck verstarb im Oktober 2003 und hinterließ seinem Sohn Wilhelm junior, genannt Billy, den Besitz.

Beteiligungen von August von Finck junior

August junior zog es derweil in das Familienschloss hoch über dem schweizerischen Weinfelden im Thurgau. In der Alpenrepublik kaufte er sich beim Transformatoren-Hersteller Von Roll ein. Auch am Genfer Warenprüfkonzern SGS ist er beteiligt. Vor allem aber baute der Baron die Beteiligung am Gastronomie- und Hotelkonzern Mövenpick aus – und engagiert sich seither mal mehr, mal weniger subtil für das Unternehmen.

Anfang des Jahres wurde publik, dass die Substantia AG, ebenfalls ein Unternehmen aus dem Imperium des Barons, den deutschen Liberalen im vergangenen Jahr 850.000 Euro gespendet hat. Als die FDP trotz klammer Kassenlage in Berlin eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Hoteliers durchsetzte, sprach die Opposition von der „Mövenpick-Partei“. Von Finck geriet mit in die Schlagzeilen.

Eine Zumutung für den mittlerweile 80-Jährigen, der kaum etwas mehr scheut als die Öffentlichkeit. Seine Manager erfreue er zwar bisweilen mit knappen Blackberry-Mails, vermerkte das Schweizer Magazin „Bilanz“. Ansonsten gibt er sich betont zurückhaltend. Abgesehen von seiner Leidenschaft für das Helikopter-Fliegen ist wenig über ihn bekannt. Öffentliche Aussagen haben Seltenheitswert, Transparenz scheint nicht allzu erwünscht. Schon gar nicht bei Geschäften.

So hatte von Finck im September 2005 über die Münchner Custodia, eine börsennotierte Holdinggesellschaft der Familie, still und heimlich zu einem Kurs von 35 Euro eine erste Aktientranche an der früheren Beteiligung Hochtief erstanden. Er baute seinen Anteil nach und nach auf 25 Prozent aus und versilberte das gesamte Paket im Frühjahr 2007 zum Kurs von 72 Euro an den spanischen Baukonzern ACS.

Auf Transparenz-Regelungen wie den Corporate-Governance-Kodex verzichtet von Finck bei der Custodia. Auch alle Fragen der WirtschaftsWoche blieben unbeantwortet. Selbst bei Familienanfragen fasst sich August von Finck bisweilen ungebührlich kurz.

Der Enkel

Nino und Helmut von Finck Quelle: visum/Christian O. Bruch

Kurz nach seinem 18. Geburtstag bat Helmut von Fincks Sohn Nino seinen „lieben Onkel August“ per Brief um Unterlagen und Auskunft über die Höhe des zu erwartenden Erbes, schließlich trete er dereinst ja das Nacherbe seines Vaters an. „Ich hole mir das Testament auch gerne bei Euch ab“, schrieb Nino, „wir können uns dann gleich kennenlernen.“

Daraus wurde nichts. 186.000 Allianz-Aktien und ein Festgeldkonto mit 31.000 Euro habe er für ihn deponiert, ließ August junior ausrichten. Statt des erhofften Milliardenschatzes sollte Nino mit Werten von insgesamt rund 16 Millionen Euro abgespeist werden.

Nino reichte eine Auskunftsklage ein – und der Erbschaftskrieg begann. Bis zum Bundesgerichtshof (BGH) prozessierte Nino, schaffte alte Dokumente herbei und ließ sich von einem Rechtsmediziner bestätigen, dass zu 99,9977 Prozent von der „blutsmäßigen Abstammung“ auszugehen sei, um seine Ansprüche zu untermauern.

Nach vier Jahren war das erste Ziel erreicht. Im Januar 2010 verurteilte das Oberlandesgericht München Ninos Gegner dazu, über den Nachlass detaillierter Auskunft zu erteilen. Inzwischen weiß Nino, dass auch die Linie Wilhelm von Finck zusätzliche 25 Millionen Euro Nacherbenvermögen für ihn verwaltet. Zuvor hatte der BGH ein gegenteiliges Urteil aufgehoben und in die Urteilsbegründung gleich noch eine Steilvorlage für Ninos Vater Helmut eingebaut.

Weil Helmut von Finck damals aus der Bank ausgeschieden sei, so argumentierte die Gegenseite, hätte er dem letzten Willen des Vaters widersprochen und dadurch seine Vorerbenstellung verloren. Wenn es aber keinen Vorerben gebe, könne es auch keinen Nacherben – und damit im Grunde gar keine Auskunftspflicht – geben, folgerten die Juristen.

Falsch, urteilte hingegen das Gericht. Weil Helmut seinen Anteil an der OHG, also der Bank, nicht an externe Dritte, sondern an Angehörige abgegeben habe, sei der Wille des Erblassers durchaus gewahrt worden. „Danach könnte allenfalls zweifelhaft sein“, verkündeten die Richter, „ob es dem Erblasserwillen entsprochen hätte, wenn familienfremde Dritte an der OHG beteiligt worden wären.“

Eine nachträgliche Enterbung, so die Richter, käme eher für August junior und Wilhelm von Finck in Betracht, da „diese im Jahre 1990 das Bankhaus an die Barclays Bank veräußert haben und selbst als Gesellschafter ausgeschieden sind“.

Mövenpick-Hotel Hamburg Quelle: Pressefoto

Seither nährt die Exegese des alten Testaments Heerscharen von Juristen. Denn auf den letzten Willen des Patriarchen stützt sich auch die 125 Seiten starke Klageschrift, die Helmut von Finck im Dezember 2009 beim Landgericht München eingereicht hat. Neben der Rückabwicklung des Vertrags von 1985 fordern seine Anwälte per Stufenklage die nachträgliche Enterbung der Halbbrüder wegen der vermeintlichen Verstöße gegen das Testament sowie die „Herausgabe sämtlicher Nachlassgegenstände“ beziehungsweise all jener Unternehmensbeteiligungen, die inzwischen an ihre Stelle getreten sind.

Dass August von Finck junior freiwillig Anteile an Mövenpick abgibt oder gar sein Schloss räumt, darf bezweifelt werden. Der Mann hat die Mittel, sich zur Wehr zu setzen. Die Erbschlacht dürfte sich also noch über Jahre hinziehen, auch wenn für Anfang Oktober ein erster Gütetermin vorgesehen ist.

Denn auch Helmut von Finck hat sich Unterstützung gesichert. Eine Gruppe von Unternehmern bezahlt die Anwälte, um den Streit notfalls durch alle Gerichtsinstanzen zu fechten. Dafür sollen die Prozessfinanzierer im Erfolgsfall einen Teil der Beute erhalten.

Die Schwestern

Immerhin, die von Finck’sche Fehde zeugt von Traditionsbewusstsein. Schon eine Generation zuvor fetzte sich die Adelssippe. Damals, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, begehrten die beiden Schwestern von August senior Einblick in die Geschäfte der Familienbank, die sie von ihrem Vater, dem legendären Bankier und Mitbegründer der Allianz-Versicherung Wilhelm von Finck, anteilig geerbt hatten. „Ich fragte und fragte, doch August gab mir keine Antwort“, ließ sich Margarethe von Stengel, eine der Schwestern, später zitieren.

Statt der erhofften Einblicke habe es im Treppenaufgang von Gut Möschenfeld nur eine Ohrfeige gesetzt. Margarethe ließ sich auszahlen, prozessierte mehr als 20 Jahre lang gegen August senior und tat fortan gerne kund: „August hat mich beschissen.“

Eine Generation später hat sich im Grunde nicht viel geändert. Selbst die Namen klingen vertraut.

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