Frank Stieler Der neue starke Mann bei Hochtief

Der künftige Chef des größten deutschen Baukonzerns, Frank Stieler, muss sich vor allem in spanischer Diplomatie üben.

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Frank Stieler Quelle: dpa

Frank Stieler kennt das: Er wechselt zu einem neuen Arbeitgeber – und plötzlich herrscht Ausnahmezustand. Mit der Metallgesellschaft-Tochter Lurgi, deren Energie- und Umweltsparte der Jurist damals kaufmännisch führte, gerät Stieler Mitte der Neunzigerjahre in den bis dato skandalösesten Insolvenzfall der Nachkriegszeit. Dann wird Stieler Chef des Wassertechnik-Mittelständlers Lurgi Bamag, den 1999 eine Tochter des US-Energiekonzerns Enron übernimmt – der bricht bald in einem Bilanzfälschungsskandal zusammen.

Der Hesse entkommt zu Siemens und baut in Duisburg erfolgreich die Öl- und Gastechnik-Tochter auf – um zu erleben, wie der Korruptionsskandal den Ruf von Siemens ruiniert. 2009 holt Hochtief-Chef Herbert Lütkestratkötter Stieler in den Vorstand – nur 18 Monate später kämpft der Baukonzern um seine Selbstständigkeit. Diesen Kampf verliert Hochtief nach sieben Monaten gegen den Großaktionär ACS. Lütkestratkötter geht – und der krisenerprobte Stieler wird mit der Hauptversammlung am 12. Mai Hochtief-Chef unter spanischer Regie.

Vorbilder: Blick nach Bangladesch

Mit Stielers Ex-Chefs ist das so eine Sache. Der frühere Enron-Boss Jeffrey Skilling sitzt voraussichtlich bis 2031 in Haft, Siemens-Patron Heinrich v. Pierer schied unehrenhaft aus, Metallgesellschaft-Sanierer Neukirchen war Stieler wohl zu wenig Menschenfreund, Noch-Chef Lütkestratkötter ist mangels Spanien-Faible für die nähere Zukunft kein geeignetes Vorbild für den neuen Hochtief-Vorstandschef.

Lieber orientiert sich Stieler an Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der in Bangladesch mit Kleinkrediten für Arme deren Eigeninitiative stärkt und soziale Missstände bekämpft. „Das spiegelt meine Auffassung von sozialer Verantwortung wider“, sagt Stieler. Er trennt dabei zwischen der Grundidee marktwirtschaftlicher Anschubhilfe und Yunus’ akuten Problemen, die ihn gerade seinen Chefposten bei der von ihm gegründeten Grameen Bank gekostet haben.

Vorlieben und Abneigungen: Obst statt Kekse

Marathonläufer in Boston Quelle: Reuters

„Er nimmt die Treppe, auch vom Parterre bis in die achte Etage“, stöhnt ein enger Mitarbeiter Stielers. Der hat viele Sportdisziplinen intensiv praktiziert: Leichtathletik, Reiten, Schwimmen, Radfahren, Skifahren. Heute ist er vor allem passionierter Läufer. So macht der 52-Jährige mit beim 7777 Meter langen Eppsteiner Burglauf oder Ende Juni beim Fidelitas Nachtlauf in Karlsruhe, bei dem das aus vier Familienmitgliedern bestehende Stieler-Team 80 Kilometer bewältigt.

Dreimal die Woche läuft der Manager 10-Kilometer-Strecken – am Rhein in Duisburg oder am Wochenende im Taunus. Für Dienstreisen bucht Stielers Sekretariat Hotels in der Nähe attraktiver Laufstrecken – und ordert für Marathon-Konferenzen Obstteller statt Kekse.

Stärken & Schwächen: Wurzeln in Eppstein

Stieler gilt als umgänglicher Manager ohne Allüren, der zuhört: „Ich will die Stärken der Menschen und die einer Organisation verstehen und daraus unternehmerischen Erfolg entwickeln.“ Dass Mitarbeiter ihn schon mal aufbrausend erlebt haben, streitet er nicht ab – in Situationen, „in denen sich die Frustration einen Weg suchte“. Stieler ist verwurzelt in Eppstein im Taunus, wo er mit Ehefrau Beate, einer studierten Wirtschaftspädagogin, seit 1986 lebt. Sie kennen sich seit dem Gymnasium in Frankfurt-Höchst. In der evangelischen Eppsteiner Talkirche haben sie vor 28 Jahren geheiratet, ihre fünf Kinder wurden dort getauft. „Aus diesem Umfeld und der Familie schöpfe ich meine Kraft“, sagt Stieler.

Ziele & Visionen: Eigenständig in Essen

Das scheinbar überraschende Votum der Aufsichtsratssitzung vom Sonntag vergangener Woche war gut vorbereitet. ACS begrüßte Montag früh die Mitteilung, dass der widerspenstige Lütkestratkötter geht und der bis dahin wenig beachtete Stieler sein Nachfolger wird: „Herr Stieler hat unser volles Vertrauen.“ Die Loyalität der Hochtief-Crew hingegen muss sich der Neue noch erkämpfen. So betont er gegenüber der WirtschaftsWoche die Eigenständigkeit trotz spanischer Oberhoheit: „Hochtief ist eine eigene Aktiengesellschaft und wird es bleiben. Der Vorstand verantwortet auch weiterhin das Geschäft und ist dem Wohl aller Aktionäre verpflichtet.“ Zu Verkäufen von Unternehmensteilen will Stieler sich von ACS nicht drängen lassen: „Veränderungen am Portfolio gibt es nur, wenn wir in Essen sie sinnvoll finden.“

Freunde & Gegner: Normale Menschen

Kajo Neukirchen Quelle: dpa

Während Stieler die Beben bei Enron und Siemens nur am Rande erlebte, befand er sich bei der Metallgesellschaft nah am Epizentrum. Vorstandschef Kajo Neukirchen, als Sanierer berühmt und berüchtigt, holte Stieler 1995 von der Tochter Lurgi ins MG-Hauptquartier, das Neukirchen gerade von 600 auf 60 Mitarbeiter geschrumpft hatte. Stieler nennt Neukirchen den „scharfsinnigsten Analytiker unternehmerischer Situationen, den ich je getroffen habe“. Freundschaft entstand aber offenbar nicht. Stieler pflegt Kontakt zu früheren MG-Vorständen und seinem Nachfolger bei Siemens Oil & Gas, Tom Blades. Die meisten Freundschaften unterhält er daheim im Taunus-Städtchen Eppstein zu „ganz normalen Menschen aus meinem Umfeld, mit denen man über Kinder und Alltagsthemen spricht“.

Kritiker Stielers sitzen angeblich in der aus dem traditionellen Bau- und dem Servicegeschäft entstandenen Sparte Hochtief Solutions – altgediente ACS-kritische Hochtiefler, denen bei Stieler der Stallgeruch fehlt.

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