Franz Fehrenbach im Interview "Beim Klimaschutz gibt es kein Bremsen"

Seite 2/3

Ist die Gefahr nicht sehr groß, dass Bosch sich mit dem neuen Bereich verzettelt?

Nein, ganz und gar nicht. Bosch steht für langfristige strategische Planungen, die gut vorbereitet und durchdacht sind. Außerdem machen wir nicht alles allein. Wenn es sinnvoll ist, gehen wir Partnerschaften ein. Zum Beispiel haben wir eine Forschungspartnerschaft mit dem Chemiekonzern BASF und anderen Unternehmen, in der wir sehr innovative organische Solarzellen entwickeln.

Eine spannende Technik, die Solarzellen viel günstiger machen könnte. Wann rechnen Sie mit marktreifen Produkten?

Silizium ist der wichtigste Grundstoff für herkömmliche Solarzellen. Doch es ist knapp. In der Forschungspartnerschaft versuchen wir deshalb organische Solarzellen zu entwickeln, die ohne Silizium auskommen. Das ist aber eher eine Technologie für die Zeit nach 2015. Aber wenn es so weit ist, werden wir uns auch auf diesem Gebiet umfassend aufstellen.

Strom aus Windkraft ist viel günstiger als Solarstrom. Heute schon kostet er je nach Standort und Anlage nicht viel mehr als Kohle- oder Atomstrom. Hätte Bosch nicht besser in diesem Bereich ein Unternehmen übernehmen sollen?

Das ist nicht nötig. Bosch ist bereits der weltweit größte unabhängige Zulieferer für Getriebe und Ausgleichssysteme für Windkraftanlagen. Vor einigen Monaten haben wir entschieden, dass wir 300 Millionen Euro zusätzlich in dieses Geschäft investieren. Gerade bauen wir in Nürnberg eine große Fabrik für Getriebe für Windkraftanlagen. In China bauen wir ebenfalls eine Fabrik für Windkraftanlagen. Außerdem prüfen wir, ob wir einen weiteren Produktionsstandort auf dem amerikanischen Kontinent errichten.

Der Klimaschutz kann Bosch belasten, zum Beispiel wenn Ihre Kunden in der Autoindustrie darunter leiden. Er kann aber auch neue Geschäftschancen bringen. Hand aufs Herz: Sind Sie dankbar für die Klimadebatte?

Für uns als führendes, global agierendes Technologieunternehmen bieten sich viele Möglichkeiten, unsere Kompetenzen einzubringen und unser Geschäft gleichzeitig auszubauen. Beim Klimaschutz gibt es keinen Weg zurück und es gibt auch kein Bremsen. Man muss sich der Herausforderung stellen.

Man hat den Eindruck, Sie verwandeln Bosch still und leise in einen grünen Konzern. Fürchten Sie, Bosch könnte als Profiteur des Klimawandels gelten, während Ihre wichtigsten Kunden, die Autohersteller, am Pranger stehen?

Wieso still und leise und wieso neu? Wir kümmern uns seit Jahrzehnten um Umweltfragen und sagen das auch deutlich. Bosch hat schon nach der ersten Ölkrise in den Siebzigerjahren das 3S-Programm aufgelegt. Es steht für sicher, sauber, sparsam. Seither haben diese Leitlinien unsere gesamte Produktentwicklung dominiert. Technologien, die ein ressourcenschonendes und klimafreundliches Wirtschaften ermöglichen, machen bereits heute rund 40 Prozent der 3,6 Milliarden Euro aus, die wir für Forschung und Entwicklung aufwenden. Das ist aber kein Geheimnis.

Die breite Öffentlichkeit hat davon aber nicht viel mitbekommen. Wieso tun Sie es nicht dem US-amerikanischen Mischkonzern General Electric gleich, der die grünen Technologien vor vier Jahren zum wichtigsten Wachstumsbereich erklärt und sich mit einer breit angelegten Werbekampagne ein grünes Image zugelegt hat?

Bosch entwickelt schon sehr lange umwelt- und ressourcenschonende Produkte. Und die Menschen merken auch ohne großes Werbe-Tamtam, für was wir stehen. Angesichts der Klimadebatte werden wir die Schwerpunkte im Unternehmen weiter in Richtung der Umwelt- und Effizienztechnologien verschieben, das ist ganz klar. Unser Slogan „Technik fürs Leben“ ist deshalb heute bereits ein strategisches Leitmotiv für die gesamte Bosch-Gruppe.

Ist der Klimawandel die große Chance für die deutsche Industrie?

Ja. Denn es gilt, gemeinsam auf die drängenden ökologischen Fragen die richtigen technischen Antworten zu geben. Die Lösungen liegen definitiv in mehr und besserer Technik. Solche Ansätze sind die Stärke gerade der deutschen Wirtschaft. Diese Innovationskraft war bis heute das Fundament für den ökonomischen Erfolg und bietet entsprechende Chancen für die Zukunft.

ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz ist der Ansicht, dass die Umwelttechnologie die Automobilwirtschaft bis 2020 als deutsche Leitindustrie ablösen wird. Teilen Sie diese Einschätzung?

Der steigende Bedarf an umwelt- und ressourcenschonender Technik ist unverkennbar. Umwelttechnik ist aber mehr ein Oberbegriff, der den Einsatz innovativer Technologien beschreibt, die zunehmend in allen Branchen zum Einsatz kommen, also auch in der Automobilindustrie. Unsere Systeme wie Start-Stopp, Hochdruckeinspritztechnik, Hybridantriebe oder Energiemanagement im Fahrzeug gehen schon heute in diese Richtung. Es wird also die bestehende durch innovative Technik abgelöst.

Je mehr Sie in die Energieerzeugung investieren, desto geringer wird wohl der Anteil der Kraftfahrtzeugtechnik an Ihrem Geschäft. Haben Sie den Glauben an Ihre wichtigste Sparte verloren?

Nein, im Gegenteil. Unsere Kraftfahrzeugsparte soll auch in Zukunft wachsen. Sie steuert derzeit mehr als 60 Prozent zu unserem Gesamtumsatz bei. Und wir haben auch weiterhin ambitionierte Wachstumsziele für die Sparte. Richtig ist aber, dass dieser prozentuale Anteil sinken wird, weil andere Geschäftsbereiche noch stärker wachsen werden. Wir haben schon vor einiger Zeit entschieden, die Unternehmensbereiche besser auszubalancieren, sprich: die Dominanz der Kraftfahrzeugtechnik zu verringern und die anderen Bereiche Industrietechnik, Hausgeräte und Gebäudetechnik zu stärken. Wir verstehen uns aber auch in Zukunft weiterhin als starker, weltweit agierender Automobilzulieferer.

In Balance bringen, heißt das, dass die Kfz-Technik künftig nur noch die Hälfte des Gesamtumsatzes bringen soll?

Ja, so etwa 50 Prozent. Wir streben als Unternehmen ein jährliches Umsatzwachstum von acht Prozent an. Da der Automarkt weltweit stückzahlmäßig nur mit rund drei Prozent zulegen wird und wir auch noch Segmentverschiebungen sowie Preisreduzierungen ausgleichen müssen, wird sich die Sparte Kraftfahrzeugtechnik richtig sputen müssen, um die Wachstumsziele zu erreichen und nicht unter 50 Prozent Anteil zu fallen.

Was macht Sie so optimistisch, dass die Geschäfte außerhalb der Kfz-Technik so schnell wie erhofft wachsen?

Das Thema Energieeffizienz hat durch den Klimawandel und den hohen Ölpreis einen völlig neuen Stellenwert bekommen. Und der zieht sich durch fast alle unsere Geschäfte: von der Industrietechnik über Gebrauchsgüter wie zum Beispiel unsere Elektrowerkzeuge und Hausgeräte bis zur Gebäude- und Heizungstechnik. In allen diesen Bereichen sind wir bestens aufgestellt, denn wir können schon heute sehr energieeffiziente Lösungen bieten. Und wir bauen diese Felder weiter aus.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%