Frieder Burda "Mit Kunst wird man nicht reich"

Seite 2/3

Andere fühlen sich gerade durch Kunst angezogen, zu der sie anfangs keinen Zugang haben. Und die Zuneigung zu einem Bild erst nach einer Art Inkubationszeit spüren.

Das ist bei mir nicht so. So wie eine Inkubationszeit zu einer Krankheit führt, wird bei mir anfängliche Ablehnung gegen ein Bild mit der Zeit eher stärker. Man entwickelt ja im Lauf der Jahre auch ein Gespür für die Kunst, schult das Auge. Ich war jahrelang nur in Museen, Galerien unterwegs. Man kann sich vieles aneignen, muss viel sehen – das schärft die eigene Urteilsfähigkeit. Und stärkt so die eigene Position gegenüber den Künstlern.

Wie meinen Sie das?

Als ich Gerhard Richter, mit dem ich inzwischen gut befreundet bin, einmal in seinem Atelier besuchte, entdeckte ich „See“, ein abstraktes Bild in einem faszinierenden Grün, das mich an die Seerosenbilder von Monet erinnerte. Ich fragte ihn, ob ich es kaufen könne. Richter riet mir ab – das Bild sei schlechter, als ich denken würde. Ich blieb hartnäckig, er gab schließlich nach. Und als ich die Arbeit viele Jahre später in einer Ausstellung in Edinburgh zeigte, standen wir beide wieder vor dem Bild. Und Richter sagte: „Hast Du damals erkannt, dass das Bild so gut ist? Jetzt sehe ich es auch.“

Inzwischen gehören rund 50 Richter-Arbeiten zu Ihrer Sammlung, darunter auch eines seiner bekanntesten Werke „Die Kerze“. Wann kaufen Sie den nächsten?

„Die Kerze“ ist ein Bild mit hoher meditativer Ausstrahlung, es begeistert mich immer wieder aufs Neue. Aber diesen Teil meiner Sammlung habe ich vor zehn Jahren abgeschlossen. Ich bin nach wie vor sehr eng mit ihm befreundet, aber seine Bilder sind mir zu teuer geworden. Für zehn Millionen Euro kaufe ich keinen Richter mehr. Da beschäftige ich mich lieber mit der jungen Kunst. Auch auf die Gefahr hin, dass sie in einigen Jahren ihren finanziellen Wert halbiert hat. Aber eine Sammlung muss sich weiterentwickeln. Ich will wissen, was in der Kunst heute passiert, Und wo die Kunstzentren von morgen sind.

Wo denn – Peking? Shanghai? Hongkong?

Da muss man manchmal gar nicht so weit reisen. Ich schaue mich immer mal wieder auf Ausstellungen der Studenten in den Kunstakademien um. Dort habe ich auch schon einige Bilder gekauft.

Und welche Arbeit haben Sie zuletzt erworben?

Eine Skulptur des Franzosen Jean-Michel Othoniel. Er baut riesige Ketten mit dicken, glänzenden Kugeln aus Glas und Aluminium. Sie hängen wie riesige Perlenketten von der Decke bis zum Boden. Eine tolle Arbeit.

Werden Sie das auch an Ihrem 80. Geburtstag noch sagen?

Ob er der nächste Picasso wird, weiß ich natürlich auch nicht. Ich habe schon von einigen vielversprechenden jungen Künstlern Arbeiten gekauft – und zehn Jahre später enttäuscht festgestellt, dass sie sich seitdem nicht weiterentwickelt haben, bei ihrem Stiefel geblieben sind. Was mittelmäßige von großen Künstlern unterscheidet, ist ihre Fantasie. Sich alle paar Jahre neu zu erfinden oder zumindest weiter zu entwickeln, schafft leider kaum einer. Viele von ihnen werden einfach vergessen. Aber dieses Risiko gehört dazu – zur Profession des Künstlers wie zur Passion des Sammlers.

Wie viel lassen Sie sich Ihre Passion eigentlich jedes Jahr kosten?

Man muss sich hüten vor der Obsession, sie verstellt einem den klaren Blick. Deshalb lege ich Anfang jedes Jahres ein Budget fest – und wenn ich Pech habe, ist es Ende Januar schon aufgebraucht. Wie hoch es ist, hängt ab stark ab von der generellen Konjunktur. Die letzten Jahre waren da ja nicht so gut. 2009 gab es deshalb auch für die Kunst etwas weniger. Ich will mein Geld ja nicht verspielen. Ich lege mein Vermögen grundsätzlich sehr konservativ an, auf Sicherheit und nie auf hohe Erträge. Deswegen interessiert mich auch der monetäre Aspekt am Sammeln überhaupt nicht. Ich kann nur davor warnen, Kunst als Finanz-Investition zu betrachten. Es ist ganz schwierig, mit Kunst Geld zu verdienen – mit Kunst wird man nicht reich. Den berühmten Rembrandt auf dem Dachboden der Großmutter wird man nicht finden. Auch die Wahrscheinlichkeit, einen Künstler in jungen Jahren zu entdecken, seine Werke günstig zu erwerben und mitzuerleben, wie er sich zum nächsten Picasso entwickelt, dessen Arbeiten dann Millionen einbringen – das ist und bleibt ein Traum. Vor dieser Gier kann ich nur warnen. Man soll nicht mehr Geld ausgeben als man einnimmt. Da bin ich ganz schwäbische Hausfrau.

Ist das auch Ihre Rolle in der Ankaufkommission des Pariser Museums Centre Pompidou?

Ich sag's mal so: Das Budget für Ankäufe ist ja wirklich sehr bescheiden. Was macht das Museum also, wenn es ein Bild haben möchte, das dieses Budget sprengt? Dann wird gebettelt, wo es nur geht. Weil man angeblich nicht auf dieses eine Werk verzichten könne – bei einer Sammlung von 35 000 Kunstwerken, das muss man sich mal vorstellen. So weit sollte man es nicht kommen lassen. Auch die Abhängigkeit von den Schenkungen einzelner Sammler ist mittlerweile zu groß – die meisten haben es doch sowieso nur auf die Steuergutschrift in Frankreich abgesehen.

Oder lassen sich vom Steuerzahler sowohl Bau als auch Unterhaltskosten für ein Museum bezahlen, das ihre Sammlung zeigt.

Für mich war immer klar: Ich finanziere mein Museum und alles darum selbst. Ich wollte nicht, dass der Staat mir hinein redet, ich wollte frei bleiben. Mir ging es immer gut, ich hatte erfolgreiche Eltern. Deswegen wollte ich etwas zurückgeben an meine Stadt, an mein Land. 

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%