Fußball-Managerin Katja Kraus „WM ist ein Schritt hin zu größerer Selbstverständlichkeit“

Die frühere Nationalspielerin Katja Kraus freut sich auf die Frauen-WM. Mit ALEXANDER MÖTHE spricht sie über ihre Erfahrungen im männerdominierten Fußball-Business und verrät, was eine Frauenquote ändern könnte.

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Ex-Nationaltorhüterin Katja Kraus: Als Aktive gewann sie mit dem FSV Frankfurt mehrfach die Deutsche Meisterschaft sowie den DFB Pokal. Mit der Nationalmannschaft wurde Kraus Europa- und Vize-Weltmeisterin. Nach ihrer aktiven Laufbahn arbeitete sie zunächst für Adidas, wurde anschließend Pressesprecherin bei Eintracht Frankfurt. Von 2003 an war Kraus beim Hamburger SV für die Bereiche Kommunikation und Marketing zuständig. 2010 rückte sie in den Vorstand - als erste Frau bei einem Bundesligisten überhaupt. Quelle: handelsblatt.com

Frau Kraus, Sie waren als erste Frau Vorstandsmitglied bei einem Bundesligisten, sind darüber hinaus sehr erfolgreich im Sport-Marketing tätig. Haben Sie alles erreicht oder suchen Sie neue Herausforderungen?

Ich bin zufrieden mit meinem beruflichen Weg. Im Moment genieße ich es, einen neuen Schwerpunkt zu setzen, der mich ausfüllt und mir viel Raum für Kreativität und Experimentierfreude gibt. Bei aller Begeisterung, die ich für meine Aufgabe hatte, geht das durch die rasante Geschwindigkeit und die Flüchtigkeit des Bundesligageschäftes oft verloren. Das gilt wohl für alle Bereiche mit einer so enormen Öffentlichkeitswirksamkeit. Aus der relativen Distanz, mit der ich gerade darauf blicke, entstehen ganz neue Gedanken, und irgendwann vielleicht auch der Wunsch, wieder in der Branche zu gestalten.

Mit welchen Widerständen hatten Sie auf dem Weg in ihr Amt zu kämpfen?

In einer Branche, mit einer solchen Aufmerksamkeit und entsprechender Meinungsvielfalt, Entscheidungen zu treffen, heißt mit Widerständen umgehen zu müssen. In meiner Zeit als Vorstand habe ich allerdings keine solchen gespürt, die in meinem Frausein begründen waren. Zumindest wurde ich nicht direkt damit konfrontiert. Das war anfangs anders. Als ich 1996 Pressesprecherin bei Eintracht Frankfurt wurde, war die Skepsis der Männer groß, und sie haben ihr Spielfeld nach Kräften verteidigt. Durchaus auch mal mithilfe eines Fouls. Auch heute spielen Männlichkeitsrituale in der Fußballbranche noch eine große Rolle. Aber das weicht gerade etwas auf, da zunehmend Männer, die eine andere Vorstellung von Führung, Teamstruktur und Kommunikation haben, in verantwortlichen Positionen sind.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum im Fußball kaum Frauen in Führungspositionen vertreten sind?

Ich würde mir wünschen, dass es mehr Frauen in Führungspositionen gibt, weil es eine zusätzliche Managementkompetenz einbringt und die Ausrichtung und die Atmosphäre verändert. Allerdings ist die Veränderungsgeschwindigkeit in der Bundesliga langsamer als in anderen Branchen und die Offenheit für Einflüsse von außen begrenzt. Das gilt nicht nur für die Akzeptanz der Bereicherung durch kompetente Frauen.

War der Einbruch in die Männerdomäne für Sie besonderer Ansporn?

Nein. ich habe immer Fußball gespielt und in meiner Welt gab es die Frage nicht, wem dieses Spiel eigentlich gehört. Als sich die Chance ergab, darauf meine berufliche Karriere aufzubauen, habe ich mir auch  keine Gedanken gemacht, dass damit Widerstände verbunden sein könnten. An den bedeutenden Weichenstellungen meines Lebens habe ich keine bewussten Entscheidungen getroffen, sondern lagen Wege wie selbstverständlich vor mit. In jedem Fall brauchte ich keinen zusätzlichen Ansporn neben der Begeisterung für die Aufgabe.

„Spielfreude hat nichts mit Millionengagen zu tun“

Haben Sie sich während Ihrer aktiven Karriere und Ihrem Studium  vorgestellt, später im Marketing tätig zu sein? Ist dies Ihr Traumjob?

Der Sport, mit allem, was damit inzwischen verbunden ist, Medien und Kommunikation, Menschen, Politik, das liegt mir über den Job hinaus am Herzen. Dass ich die Chance hatte, rund um diese Themen mit größtmöglicher Gestaltungsfreiheit und Verantwortung meinen Arbeitsalltag zu gestalten, ist ein Geschenk.

Theo Zwanziger forciert die Aufwertung des Frauenfußballs wie niemand in vergleichbarer Position vor ihm. Haben Sie den Eindruck, dass sich die Erfolgsgeschichte Nationalmannschaft verselbstständigt oder bedarf es wirklich eines mächtigen männlichen Fürsprechers?

Ich finde, das widerspricht sich nicht. Der Frauenfußball hat sich in den vergangenen 40 Jahren, seit er in Deutschland überhaupt erst legitimiert ist, unaufhaltsam entwickelt, und das wird auch weiterhin so sein. Die glaubwürdige Unterstützung durch Theo Zwanziger ist dabei  sicher sehr hilfreich. Ich hoffe sehr, er wird in seiner Begeisterung  auch nach der WM nicht nachlassen.

Beneiden Sie die heutigen Spielerinnen um ihre Möglichkeiten - etwa die Champions League oder steigende Prämien, sowie das mediale Interesse?

Ich bin sehr froh über die Umstände unter denen ich Fußball spielen konnte. Dass wir nicht, oder nur sehr überschaubar, bezahlt wurden, hat meine Leidenschaft nicht beeinträchtigt. Ich bin überzeugt, dass Spielfreude nichts damit zu tun hat, ob Erfolge mit einem Kaffeeservice oder Millionengagen honoriert werden. Ich war mit Freunden zusammen und habe das getan, was ich am liebsten tat, auch wenn das jetzt  romantisch verklärt klingen mag. Der Sport hat mich geprägt und meinen beruflichen Weg geebnet, das ist meine Prämie.

In der Wirtschaft wird heftig über die Frauenquote diskutiert. Würden Sie eine ähnliche Regelung im Fußball begrüßen?

Ich halte die Quote für notwendig um bestehende Barrieren für kompetente Frauen abzubauen. Allerdings kann sie nicht isoliert funktionieren, es muss dazu die entsprechenden Bildungs- und Betreuungsangebote geben. Der volkswirtschaftliche Nutzen von Frauen  in Führungspositionen ist bekannt und es gibt sicher keinen Zweifel  daran, dass unterschiedliche Management-, Kommunikations- und Führungskompetenzen Unternehmen bereichern. Ganz  sicher auch Fußballvereine.

„Frauenfußball wird neue Fans gewinnen“

Empfinden Sie sich als Pionier oder haben Sie nie groß darüber nachgedacht?

Pionierinnen waren Frauen, die unter starken Ressentiments mutige und zum Teil auch radikale Wege für ihre Überzeugungen gegangen sind. Sie haben mir auch ermöglicht, dass ich mich lange nicht damit auseinandergesetzt habe und vieles für selbstverständlich hielt. Inzwischen ist es mir sehr wichtig, mich zu engagieren und deutlich zu machen, dass Gleichstellung noch lange nicht erreicht ist. Ich würde mir wünschen, dass es eine entschlossenere politische Debatte und feministische Vorbilder gibt.

Gerade die Hamburger Medienlandschaft gilt nicht gerade als zimperlich, wenn es um den HSV geht. Hatten Sie den Eindruck, dass  man mit Ihnen sanfter umgeht oder gab es die volle Breitseite?

In den Hamburger Medien war es relativ schnell kein besonderes Thema mehr. Ich hatte das Gefühl, tatsächlich nach Inhalten beurteilt zu werden. Soweit das im Fußballgeschäft möglich ist. Ein außergewöhnliches Maß an Sanftheit habe ich nicht festgestellt, aber das ging alles in Ordnung.

Welche Auswirkungen, vor allem unter Aspekten der Vermarktung im Anschluss, hätte ein Titelgewinn vor heimischem Publikum für den deutschen Frauenfußball?

Wir sollten nicht so viel über die Zeit nach der WM diskutieren und ob der Sport nun zu männlich oder neuerdings zu weiblich, besser oder  schlechter als Männerfußball ist. Ich freue mich auf das Turnier und darauf, gute Fußballspiele zu sehen. Das geht sicher vielen Menschen so. Die WM ist wieder ein Schritt hin zu größerer Selbstverständlichkeit. Es werden noch mehr Mädchen Fußball spielen. In vielen Ländern der Welt, die durch dieses Turnier erreicht werden, hilft es, die Identität und das Selbstbewusstsein von Mädchen stärken. Das ist ein wichtiger Aspekt der WM. Und ganz sicher werden die Frauen auch neue Fans gewinnen. Aber wenn es nur darum geht, was nach der WM passiert, wird das Turnier zu einer Art Promotion-Plattform. Am Ende geht es um 21 Spielerinnen, die Lust  haben erfolgreich Fußball zu spielen und das Turnier zu gewinnen.

Und wer wird Frauen-Weltmeister 2011?

Bei allen Unwägbarkeiten eines Turniers bin ich überzeugt, dass die  deutsche Mannschaft die beste ist und dementsprechend auch Weltmeister wird.

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