Gastronomie Bratwurst mit Gleisanschluss

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Baguette-Business Quelle: Dominik Asbach für WirtschaftsWoche

Draußen steigt die Sonne über den Kölner Dächern auf. Der Regionalexpress nach Düsseldorf fährt auf Gleis 9 ein, ein Pendlerzug. Die Türen öffnen sich, herein drängt die typische Pendler-Melange: Büroangestellte, bewehrt mit Bechern dampfenden Kaffees, eine Gruppe Teenager, die sich gemeinschaftlich von einem Schokohörnchen nährt, ein junger Mann mit Rucksack und einem Salami-Baguette in der Rechten. Unten in der Passage herrscht Hochbetrieb. Für die Kaffee- und Backshops ist es die umsatzstärkste Zeit des Tages.

„Hallo, bitte schön?“, begrüßt die Le-Crobag-Verkäuferin im roten Shirt die nächste Kundin, zapft den Cappuccino, „noch etwas dazu?“, angelt ein Croissant vom Blech, gibt das Wechselgeld zurück, bedankt sich, während ihr Kollege schon den nächsten Kunden fragt: „Ja, bitte?“ Eine Endlosschleife.

60 000 bis 80 000 Kunden machen jeden Tag Station an einer der deutschlandweit 120 Le-Crobag-Filialen. Sie geben im Durchschnitt drei Euro aus und greifen vorzugsweise zu den Klassikern der Snackkette: Zwei Millionen Butter-, 1,5 Millionen Schoko- und ähnlich viele Schinken-Käse-Croissants gingen im vergangenen Jahr über die Tresen und spülten so rund 69 Millionen Euro in die Kassen des Unternehmens, das fast ausschließlich auf Bahnhöfen aktiv ist.

Anders als der französische Name vermuten lässt, wurde Le Crobag in Hamburg gegründet. Vor 30 Jahren ging es los. Friederike Stöver, heute Geschäftsführerin der Kette, jobbte damals im ersten Le-Crobag-Shop der Republik im Hamburger Hauptbahnhof. Auf Werbung konnte das Unternehmen verzichten. Denn in den Anfangsjahren musste Le Crobag noch keine Abluftanlagen installieren, und der Duft frischer Croissants zog wie ein Lockstoff durch die Bahnhofshallen. Zudem gab es kaum Konkurrenz, Backketten waren rar.

Essen bei SSP

Doch das Croissant-Monopol ist längst gefallen. Le Crobags Erzrivale Kamps betreibt inzwischen acht seiner zehn umsatzstärksten Shops an Bahnhöfen und Flughäfen. Der Billigbäcker Backwerk verkauft in 20 Bahnhöfen Quarktaschen und belegte Brötchen. Bis Mitte des Jahres sollen fünf weitere Bahnhofs-Backwerke eröffnen. Wie Hefeteig, der im Ofen aufgeht, entwickelt sich das Brötchengeschäft in den Bahnhöfen.

Auch Stöver sieht noch „enormes Wachstumspotenzial“ für Le Crobag. Zwölf neue Filialen will sie 2011 eröffnen. Mehr ist nicht möglich. Nicht knauserige Kunden oder Kampfpreise der Konkurrenz bremsen das Wachstum. Der „limitierende Faktor“, sagt Stöver, sei inzwischen „vor allem die verfügbare Fläche“.

So geht es den meisten Anbietern. Dabei war schon in den vergangenen Jahren eine Ausweitung der Esszonen zu beobachten – mitunter bis direkt ans Gleis.

Auf Gleis 6 fährt der ICE nach Stuttgart ein. In der Mitte des Bahnsteigs preist der Currywurst Express „Thüringer Roster“ für 2,20 Euro an. Ein Mann mit Trolley und Tochter im Schlepp ordert zwei Bratwürste und pumpt am SB-Ketchupspender reichlich Rot auf die Pappteller.

Dass der neun quadratmetergroße Bahnsteigimbiss Teil eines weltumspannenden Gastroimperiums ist, ahnt vermutlich niemand, der hier in seine Wurst beißt. Allenfalls beim Blick auf den Kassenbon fallen drei Buchstaben auf: SSP. Das Kürzel steht für Select Service Partners, ein Konzern mit Sitz in Großbritannien, der in 30 Ländern aktiv ist, 26 000 Mitarbeiter beschäftigt, 1,8 Milliarden -Euro umsetzt – und den kaum einer der täglich rund 200 000 deutschen Kunden kennt. Dabei ist der komplette Restaurantbereich im Berliner Hauptbahnhof britische Verpflegungszone, ebenso wie weite Teile der Hamburger, Stuttgarter und Frankfurter Hauptbahnhöfe. In Köln erstreckt sich das SSP-Areal neben den insgesamt fünf Wurstbuden auf den Bahnsteigen auch auf den Markthallenbereich in der Mitte des Gebäudes.

Wie Fast-Food-Inseln liegen dort Pizza Hut und Segafredo, der Kölsch-Treff und das Sylter Fischrestaurant Gosch – wer hier isst, ist bei SSP.

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