Gebietsansprüche Anrainerstaaten streiten um Bodenschätze in der Arktis

Ab heute beraten die fünf Arktis-Anrainer Russland, USA, Kanada, Norwegen und Dänemark im grönländischen Ilulissat über ihre Gebietsansprüche im Nordpolarmeer. Weil das Grönland-Eis schmilzt, werden die darunter liegenden Bodenschätze zugänglich. Jetzt beginnt der Streit, wer sie ausbeuten darf, wenn es sie wirklich gibt.

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Grönland ist reich an Rohstoffen - alleine die Öl- und Gasvorkommen werden auf 31 Milliarden Barrel geschätzt Quelle: Grafik: WirtschaftsWoche

Schon immer die größte Insel der Welt und demnächst auch noch die reichste von allen – neue geologische Forschungen legen so eine Entwicklung Grönlands nah. Auf dem Gebiet der international von Dänemark vertretenen, innenpolitisch autonomen Insel und unter dem sie umgebenden Meeresboden lagern große Metall- und Erdölvorkommen. Allein vor der Nordostküste vermutet der US Geological Service Erdöl und Erdgas, die zusammen so viel Energie speichern wie 31 Milliarden Barrel Öl. Das entspräche derzeit einem Wert von weit über drei Billionen US-Dollar, mindestens 50 Millionen für jeden der etwa 57.000 Einwohner. Demnach könnte der durchschnittliche Grönländer eines Tages zehn- mal so ölreich sein wie der durchschnittliche Bewohner Kuwaits heute.

Bodenschätze in der Arktis sind ein internationales Thema, seit Russland 2007 seine Flagge unter dem Nordpol anbrachte, um so ein großes Gebiet für sich zu reklamieren. Diese Woche soll es diplomatischer zugehen: Dänen und Grönländer haben die Außenminister Kanadas, Norwegens, Russlands und der USA in die Inselhauptstadt Nuuk eingeladen, um unter anderem die Bindung der arktischen Anrainer „an existierende Verträge und Regeln zu bekräftigen“. Also keine Alleingänge nach russischem Muster, sondern Einhaltung der UN-Seerechtskonvention. Das wäre schön für die wenigen Inuit und die noch wenigeren dänischen Zuwanderer auf der Rieseninsel: Denn dann hätten sie auf jeden Fall das Sagen über vermutete Schätze vor ihren Küsten im Osten und Westen.

Die Ölkonzerne Exxon und Shell, aber auch viele kleine Unternehmen aus südlicheren Gefilden – sogar Australier – haben in Nuuk bereits Lizenzen für einzelne Reviere erworben. Flemming Christiansen, Vizedirektor der Geologischen Forschungsanstalt für Dänemark und Grönland, ist optimistisch: „Mit etwas Glück wird in fünf bis zehn Jahren das erste Öl gefunden.“

Solches Glück hat den Dänen in Grönland in der Vergangenheit oft gefehlt. Die mittelalterliche Ansiedlung der Wikinger in dem „Grünen Land“ erlosch im 16. Jahrhundert vor allem wegen des garstigen Klimas. Seit Errichtung einer dänischen Walfängersiedlung 1721 wurde nach Rohstoffen gesucht, über 200 Jahre wirklich Kohle, Kupfer, Zink und Blei gefördert. Nachdem die leicht zugänglichen Bereiche erschöpft waren, machten die Minen dicht. Derzeit sind nur noch zwei in Betrieb: Im Kirkespil-Tal im Süden wird Gold gefördert und aus dem Berg Maniitsoq das Mineral Olivin, das zur Stahlhärtung verwendet wird. Der Fisch aus den eiskalten Gewässern um die Insel ist darum mit 87 Prozent der Exporteinnahmen weitaus der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Weil sie sich in ihre Fischereipolitik nicht reinreden lassen wollen, sind die Grönländer auch keine EU-Mitglieder.

Jetzt soll aber die andernorts so gefürchtete Erderwärmung alles verändern, den Anfang macht schon in diesem Jahr ein Molybdän-Bergwerk. „Je weniger Eis da ist, desto einfacher lassen sich die Rohstoffvorkommen orten und ausbeuten. Außerdem machen die steigenden Rohstoffpreise auch kostenintensivere Förderung rentabel“, sagt Christiansen. Die Grönländer rechnen offenbar fest damit: Vorigen Monat hat ihr Ministerpräsident Hans Enoksen – ein Inuit, der angeblich nur seine Muttersprache beherrscht – mit den Dänen neue Spielregeln ausgehandelt. Die Bindung ans Mutterland wird lockerer: Demnächst verfügt die Insel allein über ihre Rohstoffe, bekommt aber auch weniger Geld aus Kopenhagen, das heute noch für etwa die Hälfte der grönländischen Regierungsausgaben aufkommt, umgerechnet über 400 Millionen Euro im Jahr. In Zukunft soll sich diese Unterstützung für jede im grönländischen Rohstoffgeschäft eingenommene Krone um 50 Öre vermindern.

Braucht Grönland also die Dänen nicht mehr? Die Expertin Marianne Krogh Andersen hat Zweifel angesichts der wenigen, oft schlecht ausgebildeten Inselbewohner: „Es wird schwer, genügend Expertise zu finden, um die Ausbeutung solch enormer Rohstoffmengen zu planen und zu verwalten.“ Entsprechend nennt sie ihr Buch: „Grönland – mächtig und ohnmächtig“.

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