Gefängnis-Report Haftbedingungen im Ausland

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Haftort Brasilien

Hochsicherheitsgefängnis Bangu-8 Quelle: AP

Bis vor wenigen Jahren war es in Brasilien unwahrscheinlich, dass ein Manager, Banker oder Unternehmer tatsächlich ins Gefängnis kam. Eine überlastete Justiz, geneigte oder schlicht korrupte Richter und Rechtsanwälte mit guten Beziehungen konnten jeden Schuldigen aus der Wirtschaftselite mit immer neuen Einsprüchen so lange vor dem Knast bewahren, bis die Angelegenheit verjährt war. Doch das hat sich geändert, seit sich Brasiliens Unternehmen und die Politik nach außen öffnen. Immer öfter kommen auch bekannte Persönlichkeiten hinter Gitter. In den vergangenen fünf Jahren waren es meist Banker, die mit Betrügereien aufgeflogen sind – und nun einsitzen. Weil immer mehr Großkopferte mit Handschellen abgeführt wurden, hat der Oberste Gerichtshof jetzt in einer umstrittenen Entscheidung festgelegt, dass Handschellen nur noch bei begründeter Fluchtgefahr angelegt werden müssen.

Akademiker und Manager haben Vorteile in Brasiliens Gefängnissystem: Sie haben das Recht auf verbesserte Haftbedingungen, etwa auf komfortablere Zellen in der Untersuchungshaft. Wie die sind, das beschreibt Banker Edemar Cid Ferreira, dessen Banco Santos vor vier Jahren mit Milliarden-Verlusten pleiteging. Ferreira, einer der bekanntesten Kunstsammler und -mäzene Brasiliens, hatte die Verluste verschwiegen. Am 26. Mai 2006 wurden ihm beim Antritt seiner Strafe in einem Gefängnis in der Peripherie von São Paulo Toilettenpapier, Seife, Reinigungsmittel und eine Matratze überreicht. Nach einigen Tagen isoliert auf der Krankenstation, kam er in eine Zelle mit sechs Etagenbetten. Dort saßen allerdings 20 Personen ein. Jeweils zwei Gefangene schliefen auf einer Matratze. Nach 89 Tagen kam Ferreira frei. Inzwischen hat er eine Selbsthilfeorganisation für Häftlinge gegründet.

Auch Salvatore Cacciola musste sich umstellen: Der wegen krimineller Milliarden-Deals mit der Zentralbank angeklagte Banker der Banco Marka flüchtete zunächst nach Italien, wo sein italienischer Pass ihn acht Jahre lang vor der Auslieferung schützte. In Abwesenheit wurde er vor drei Jahren zu 13 Jahren Haft verurteilt. Als er im September 2007 ein Wochenende in Monaco verbrachte, wurde er festgenommen und im Juli nach Brasilien abgeschoben. Während er in Monaco seine Untersuchungshaft in einer Einzelzelle verbrachte – angeblich mit Mini-Bar und Blick aufs Mittelmeer –, musste sich Cacciola jetzt radikal umstellen. Der 64-Jährige verbüßt seine Strafe im berüchtigten Bangu-8-Hochsicherheitsgefängnis in Rio de Janeiro, wo die gefährlichsten Drogenhändler und Mafiabosse sitzen. In einer 62-Quadratmeter-Zelle lebt Cacciola mit 32 anderen Gefangenen zusammen. Bescheidenes Extra: Die Knastleitung spendierte der Cacciola-Zelle einen Fernseher mit 14-Zoll-Bildschirm.

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