Gescheiterte Expansionsversuche USA macht deutschen Konzernen zu schaffen

Auffällig häufig scheitern deutsche Unternehmen in den USA. Meist verstehen die Manager den Markt nicht — und wirken technokratisch.

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Laden des Mobilfunkanbieters Quelle: dapd

Es war ein Abschied unter Tränen. Jahrelang kämpfte Telekom-Chef René Obermann mit viel Herzblut und hohem Einsatz für einen Verbleib von T-Mobile in den USA. Wieder und wieder stellte er die tollen Wachstumschancen jenseits des Atlantiks heraus. Zum Schluss übernahm er im Vorstand sogar persönlich die Verantwortung für die Geschäfte. Doch auch Obermann wollte dem Übernahmeangebot von AT&T in Höhe von 39 Milliarden Dollar nichts entgegensetzen. Es gebe „keinen Sinn, sich überall zu verkämpfen“, sagte Obermann etwas resignierend. Die Börse jubelt. Der Aktienkurs der Deutschen Telekom stieg um 16 Prozent — der größte Sprung seit zehn Jahren. Der Marktwert wuchs um mehr als sechs Milliarden Euro, weil das Risiko USA für die Anleger vom Tisch ist.

Mal wieder hat sich ein deutsches Unternehmen in den USA verzockt. Die jüngste Wirtschaftsgeschichte hat zahlreiche Beispiele parat, wo Konzerne mit hohen Erwartungen einstiegen, nur um schon wenig später kleinmütig einzuräumen, dass in Amerika für sie kein Platz ist. Deutsche Manager agieren in den USA häufig überheblich, verstehen die amerikanischen Konsumenten nicht und unterschätzen den Investitionsbedarf. Die Folgen dieser Fehlpolitik: milliardenschwere Abschreibungen, hohe Verluste, geplatzte Weltmarktträume.

Die Deutschen Telekom kostet das US-Abenteuer rund 60 Milliarden Euro. 2001 kaufte der Bonner Konzern unter dem Vorsitz von Ron Sommer den Wettbewerber Voicestream für sage und schreibe rund 39,4 Milliarden Euro. Die Wachstumschancen schienen unerschütterlich. Doch als Nummer vier blieb T-Mobile USA bie heute zu klein. Weil die Telekom zudem keinen Vertrag mit Apple aushandeln konnte, liefen Kunden zur Konkurrenz, wo es das begehrte iPhone-Handy gibt. Um den Kundenstamm zu vergrößern, hätte das Unternehmen mehrere Milliarden Euro in den Netzausbau investieren müssen.

Die Deutsche Telekom reiht sich damit ein in eine Vielzahl von gescheiterten Expansionsversuchen. „Die Unternehmen unterschätzen häufig die Größe des Landes“, sagt Lars Knorn, Leiter des New Yorker Büros der Unternehmensberatung Droege & Comp. Häufig fehle ihnen „das eindeutige Bekenntnis für weitere Investitionen“. Das sei eine der Hauptursachen für misslungene Expansionsversuchen in die USA. Vor allem Netzwerk-Anbieter wie Telekommunikation, Energierversorgung und Logistik kamen so in den USA unter die Räder. RWE holte sich eine blutige Nase, genauso wie der Konkurrent E.on. Beide Unternehmen zogen sich in den vergangenen beiden Jahren aus den USA zurück. Der Aufbau von Netzen erfordert Milliardeninvestitionen, die einen langen Atem benötigen und wichtige Finanzmittel binden. Gelingt nicht auf Anhieb der lückenlose Aufbau des Netzes, springen Kunden schnell frustriert ab.

Das war auch einer der Hauptgründe für das Scheitern der Deutschen Post. 2008 plante der Logistiker den Großangriff auf die US-Wettbewerber Fedex und UPS. Für rund eine Milliarde US-Dollar kaufte die Post-Tochter DHL den Billiganbieter Airborne. Doch deren inneramerikanisches Expressnetz von Verteilerzentren und Zustellungsdienstleisten war löchrig, die Qualität der Zustellung war miserabel. Trotz milliardenschwerer Investitionen etwa in eigene Hubs wie in Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio gelang DHL der Turnaround nicht. Am Ende stand ein Milliardendesaster in Höhe von mehr als sieben Milliarden Euro in den Büchern.

Deutsche Oberlehrer

Doch bei der Deutschen Post spielten auch andere Gründe eine Rolle. Hinter vorgehaltener Hand bewerten hochrangige Konzernmanager vor allem den Einsatz deutscher Manager als Fehler. Reihenweise entsandte Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel deutsche Vertreter in die Staaten. Doch Großkunden in den USA wollten keine Eins-zu-Eins-Kopie des Bonner Know-hows, sondern angepasste Produkte an den amerikanischen Markt. Der heutige Post-Chef Frank Appel hat diese Erkenntnisse in seine Führungsstruktur umgesetzt. Inzwischen stellen Ausländer die Mehrzahl des siebenköpfigen Vorstands. Zudem haben sie ihren zentralen Sitz in einen der wichtigsten Märkte USA oder Asien.

„Unternehmen müssen darauf achten, dass sie gegenüber ihren Kunden nicht wie deutsche 'Oberlehrer' rüberkommen“, sagt Droege-Experte Knorn. Den amerikanischen Kunden gehe es vielmehr um praktikable Lösungen statt um den letzten technischen Zusatznutzen. So habe auch der Wiederverkaufswert von Maschinen in den USA eine geringere Bedeutung als in Deutschland. Autofahrer wollten einen "Cup Holder", auch wenn der aus Designgründen möglichweise die deutsche Ästhetik stört.

Deutsche Ingenieurskunst ist zwar weiterhin ein gefragtes Gut, doch das gilt vor allem für Premiumhersteller. Autokonzerne wie Porsche und BMW, Möbelhersteller wie Poggenpohl und Kofferhersteller Rimowa verdienen prächtig in den USA. Auch Unternehmen, die sich verstärkt auf das Großkundengeschäft konzentrieren wie Siemens und SAP leben gut vom US-Dollar. Die Deutsche Bank, BASF, Henkel und Hochtief haben zudem erfolgreich US-Unternehmen gekauft und integriert. Selbst der Sportartikelhersteller Adidas hat mit der 2005 erworbenen Tochter Reebock inzwischen Grund zur Freude. „Erfolg und Misserfolg halten sich in etwa die Waage“, sagt Knorn.

Dennoch unterschätzen deutsche Unternehmen häufig die kulturellen Unterschiede. Das gilt vor allem auch bei den Produkteinführungen. In Deutschland tendieren Manager dazu, Produkte erst dann einzuführen, wenn sie hundertprozentig ausgereift sind. „In den USA ist 'Time to Market' sehr wichtig“, sagt Knorn. „Produkte können auch während der Markteinführungsphase in Details noch optimiert werden wie das iPhone zeigt“. Konsumenten würden das den Unternehmen verzeihen. Weil deutsche Unternehmen aber ihre Produkteinführung in den USA oft unnötig hinaus zögern, „riskieren sie den Verlust von Marktanteilen“.

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