Gianfranco Lanci "Das iPad ist nicht die richtige Lösung"

Gianfranco Lanci hat das Ziel, Acer zur Nummer eins im Bereich Mobile Computing zu machen, und sieht den Konzern nahe am Ziel. Der Chef des PC-Herstellers über die Schwächen Apples und die eigene Offensive im wachstumsträchtigen Tablet-Markt.

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Gianfranco Lanci: Der CEO von Acer glaubt nicht dass der Apple-Booom ewig hält. Quelle: handelsblatt.com

Handelsblatt: Mister Lanci, Sie haben in New York gerade eine Serie von Tablet-Computern vorgestellt. Wollen Sie ernsthaft gegen das iPad von Apple antreten?

Lanci: Das iPad ist ein geschlossenes System mit zahlreichen Begrenzungen und daher im Moment fast ausschließlich zum Konsumieren von Inhalten nutzbar. Wenn es außerdem um Produktivität und das Erstellen von Inhalten geht, dann ist hierfür nach wie vor zum Beispiel ein Notebook komfortabler.

Halten Sie Tablets dann nur für Medienkonsum und Spielereien geeignet?

Lanci: Tablets werden sicher auch immer mehr für die professionelle Nutzung eingesetzt, hier ist zur Zeit aber Microsoft noch absoluter Standard. Nehmen sie etwa eine Office-Datei: Die können sie beispielsweise auf dem iPad nur lesen, aber nichts anderes damit machen. Mit einem Windows-Tablet können sie Dateien verändern, speichern und wieder verschicken. Wenn wir also über Produktivität und über die Schaffung von Inhalten reden, ist das Tablet, wie es heute bei Apple aussieht, noch nicht die richtige Lösung.

Dafür hat Ihnen Apple-Chef Steve Jobs ausrichten lassen, dass sie nicht auf die richtige Bildschirmgröße setzen. Alles unterhalb von zehn Zoll sei "dead on arrival" (zur Ankunft tot), behauptet Jobs.

Lanci: Wir sind überzeugt, dass ein Tablet fünf Zoll, aber auch zehn Zoll haben kann. Es kommt doch ganz darauf an, wie sie das Gerät nutzen wollen. Zu Hause benötigen sie sicher zehn Zoll, aber wenn sie auf Reisen sind, sind sieben Zoll wohl groß genug. Apple hat bisweilen die Einstellung, den Menschen erzählen zu müssen, was sie zu tun haben. Dabei können die sehr gut selber entscheiden, was für sie das richtige ist.

Aber die Menschen entscheiden sich auffallend häufig für Apple?

Lanci: Ich glaube nicht, dass das ewig hält. Apple ist zurzeit groß in Mode, und die Menschen rennen nun mal hinter der Mode her, nur um sie zuerst zu haben. Wahr ist aber auch: Apple fährt seine iPad-Lieferungen im vierten Quartal bereits zurück, und zwar nicht weil das Material nicht erhältlich wäre. Die Nachfrage verlangsamt sich.

Weshalb besetzt Acer dann selbst das Feld, wenn Sie an der Nachhaltigkeit des iPad-Erfolgs zweifeln?

Lanci: Ich glaube sehr wohl, dass das Tablet nachhaltig Erfolg haben und zur neuen Geräte-Kategorie werden kann. Nur müssen wir es verbessern. Wir bringen jetzt ein breiteres Portfolio auf den Markt, um damit verschiedene Kundengruppen mit ihren verschiedenen Anforderungen ansprechen zu können. Ein Windows Tablet für professionelle Büroanwendungen etwa und ein Android Tablet, das mehr auf Unterhaltung, Spiele, Lesen, Musik ausgerichtet ist.

Haben Sie keine Angst, dass Sie mit den Tablets das eigene Portfolio kannibalisieren? Marktbeobachter halten insbesondere die starke Position von Acer bei Netbooks für gefährdet.

Lanci: Wir stellen eine Abschwächung bei Netbooks in den USA fest, aber das ist die Ausnahme. In Europa und dem Rest der Welt sehen wir nicht, dass es Kannibalisierung durch das Tablet gibt. Der Notebook-Absatz wächst ungebremst weiter.

Sie haben im Vorjahr bei PC-Verkäufen den US-Rivalen Dell überholt und greifen jetzt Hewlett-Packard an. Kann Acer schon 2011 Weltmarktführer werden?

Lanci: Unser Ziel war stets, die Nummer eins im Bereich Mobile Computing zu werden. Wir sind nahe dran, es fehlen nur noch einige Zehntel Prozent. Mit 20 Mrd. Dollar Umsatz und mehr als 40 Millionen Einheiten können wir nun aus einer sicheren Position heraus in die Zukunft denken.

In der IT-Branche wird die Ernennung von Leo Apotheker zum HP-Chef als Signal gesehen, dass sich Ihr Rivale stärker Richtung Software-Konzern wandelt. Apotheker hat schließlich keine Erfahrung im Hardware-Bereich.

Lanci: Apotheker ist sicher ein guter Manager, der aus der Software-Branche kommt. Auf der anderen Seite hat HP in den vergangenen 24 Monaten auch viel in Hardware investiert, unter anderem in den Kauf von Palm. Aus meiner Sicht müssen sie weiter in beiden Bereichen aktiv sein. Ob Apotheker das auch tun wird? Es ist zu früh, um das beurteilen zu können. Ich sehe jedoch einige kleinere Anbieter schneller aus dem PC-Markt aussteigen als HP.

Was würden Sie als zentrale Stärke von Acer beschreiben?

Lanci: Eine Mischung aus guten Produkten und Technologie, aber sicher auch die Unternehmensgröße sowie die geografische Aufstellung. Wir sind eine der wenige Firmen mit einer sehr starken Position sowohl in den reifen Märkten als auch in Schwellenländern. China etwa war bereits im dritten Quartal der größte PC-Markt der Welt und wird in den nächsten Jahren noch sehr viel größer werden als der US-Markt.

Aber in China kommt ganz oben Lenovo mit 30 Prozent Marktanteil und dann lange nichts.

Wir haben gerade die Akquisition von Founder hinter uns, dem zweitgrößten lokalen PC-Hersteller in China hinter Lenovo. Das erhöht unseren Marktanteil in China auf zwölf bis 13 Prozent. Die nächsten Konkurrenten liegen etwa bei zehn Prozent.

Hatten Sie keine Probleme beim Kauf eines chinesischen Unternehmens?

Nein, nicht wirklich. Es gab keine Spur von Protektionismus.

Inwiefern hilft Acer die Konzernzentrale Taiwan, um in Asien voranzukommen?

Lanci: Der Standort hilft vor allem beim Management der Zulieferkette, weil mehr als 90 Prozent der PC-Produktion in dieser Region stattfindet. Mit dem Vorankommen in Wachstumsmärkten hat das weniger zu tun, da Taiwan nicht dazu zählt. Da sind eher Russland und Brasilien wichtige aufstrebende Märkte, aber die sind geografisch weit weg. Und in China will man nicht gerne mit Taiwan verglichen werden. China ist China, und Taiwan ist Taiwan.

Acers Einstieg in den Markt der Smartphones fiel, vornehm ausgedrückt, beschwerlich aus. Ihr Marktanteil liegt bisher noch unter zwei Prozent. Was ist da schief gelaufen?

Lanci: Ich glaube gar nicht, dass viel schief gelaufen ist, aber der Aufbau benötigt eben Zeit. Das ist wie bei jedem anderen Markteintritt. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine Menge gelernt, denn das Smartphone-Geschäft unterscheidet sich doch sehr vom PC-Business. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir auch in diesem Bereich im nächsten Jahr vorankommen und starkes Wachstum sehen werden.

Der Smartphone-Markt ist weltweit heiß umkämpft und sehr zersplittert. Ihr Rivale HP hat zuletzt Palm gekauft. Geht die Konsolidierung weiter?

Lanci: Ja, wir werden sicher weitere Konsolidierungsschritte sehen, im Smartphone-Bereich wie im PC-Geschäft. Viele Firmen haben schlicht nicht die notwendige Größe, um Wachstum finanzieren zu können. Ohne Skaleneffekte überleben sie in dieser Industrie nicht.

Sehen wir Acer auf der Käufer- oder auf der Verkäuferseite?

Lanci: Üblicherweise stehen wir auf der Käuferseite. Wir sind stets offen für weitere Zukäufe, sehen aber im Moment kein großes Akquisitionsziel.

Sie blicken fast zornig auf Apple: Wollen Sie dem Tablet-Rivalen nicht wenigstens zugestehen, dass er bei Marketing und Vertrieb Weltklasse ist?

Lanci: Ja, im Marketing sind sie wirklich gut, ohne Zweifel.

Heißt das, Acer kann davon lernen? Ja, vielleicht sollten wir davon lernen - ein bisschen.

Das Unternehmen: Gegründet 1976 von Stan Shih, dessen Frau Carolyn Yeh und einer Handvoll Ingenieure wurde Acer schnell zu einem führenden Auftragsfertiger von Computern, PDAs und Laptops für Markenhersteller weltweit. Nach mehreren Reorganisationen und Übernahmen von Packard Bell, Gateway und eMaschines stieg Acer dann als eigene Marke in die Top Drei der PC-Weltrangliste auf, vor Dell und hinter HP. In den ersten neun Monaten 2010 lag der Umsatz bei umgerechnet rund 15,3 Mrd. Dollar, ein Plus von 18 Prozent.

Der Manager: Gianfranco Lanci (55) schaffte in nur acht Jahren den Sprung vom Landeschef Italien an die Spitze des taiwanesischen High-Tech-Konzerns, seit 2005 ist er Präsident der Acer Inc. Zuvor hatte sich der studierte Ingenieur mit Abschluss der polytechnischen Universität Turin bereits bei Texas Instruments Italien vom Vertriebschef zum Landeschef hochgearbeitet.

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