Glencore Gigantischer Börsengang eines geheimnisvollen Konzerns

Der weltgrößte Rohstoffkonzern wagt einen gigantischen Börsengang. Kaum einer verkörpert den Coup besser als Aufsichtsratschef Simon Murray – hartgesottener Macho und Selfmade-Tycoon.

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Simon Murray Quelle: REUTERS

Simon Murray hat eine raue Stimme. „Die abgeschnittenen Köpfe der beiden Deserteure in meinem Rucksack, die ich meinen französischen Offizieren bringen musste, waren schwer“, raspelt er ins Mikrophon. „Und ich hatte da ja auch noch meinen Proviant und meinen Schlafsack.“ Zwei Jahre ist es her, dass der heute 71-Jährige die Story im britischen Staatssender BBC zum Besten gab. 50 Jahre liegt der grausige Acht-Kilometer-Marsch zurück, den er als Söldner der französischen Fremdenlegion in Algerien absolvierte. Das Ende der Anekdote? Abends im Suppentopf tauchte einer der Köpfe wieder auf. „Erst wurde es totenstill, dann brach schallendes Gelächter aus. Ich habe eingestimmt“, erinnert sich Murray.

Die Brutalität und die Entbehrungen, die er Anfang der Sechzigerjahre fünf Jahre lang in Algerien in der Legion erlebte, haben den Mann geprägt. Auch wenn man es dem schlanken Unternehmer nicht anmerkt: Irgendwie passt Murray, dessen Vermögen auf 50 Millionen Pfund geschätzt wird, zu dem, wofür er stehen soll.

Der harte Bursche wurde am 14. April Aufsichtsratschef von Glencore, dem mit 145 Milliarden Dollar Umsatz größten Rohstoffkonzern der Welt. Der geheimnisumwitterte Gigant mit der Zentrale in der Schweizer Steueroase Baar startete als Handelsfirma, fördert aber inzwischen in Südafrika Kupfer, Kobalt und Kohle, baut in Australien Nickel und in Südamerika Aluminium, Zink oder Blei ab.

Glencore ist in rund 40 Ländern tätig, auch im Irak und Kongo, und soll am 19. Mai in London und am 25. Mai in Hongkong an die Börse gehen. Es wird der größte Gang aufs Parkett, den es je in der britischen Hauptstadt gegeben hat, und die drittgrößte europäische Platzierung aller Zeiten. Auf bis zu 61 Milliarden Dollar haben Investmentbanker den Wert aller Aktien taxiert, von denen zunächst Anteile im Wert von rund zehn Milliarden Dollar unter die Anleger gebracht werden sollen.

Welchen Wert die Glencore-Aktien der Top-Manager des Schweizer Rohstoff-Konzerns haben

Für Murray, unter dem Ex-BP-Chef Tony Hayward und der frühere Chef-Investmentbanker der Dresdner Bank Leonhard Fischer im Aufsichtsrat sitzen, ist die Kontrolle eines solchen Unternehmens kein Grund zum Fürchten. „Sie sprechen hier mit einem Mann“, erklärte er einem Reporter, „der von einem Leoparden gejagt und auf den mal mit einem Maschinengewehr geschossen wurde.“

Gejagt und beschossen wird Murray künftig wohl kaum. Umso schärfer werden ihn jedoch die Investmentbanker und Analysten in der City beobachten. Sollte es irgendwo im verzweigten Imperium zu einem größeren Zwischenfall kommen, wird Murray die erste Zielscheibe sein.

Schon vor dem Börsengang zeichnet sich ab, dass der Haudegen weiter den Ledernacken wird geben müssen. Weltweit sieht sich Glencore mit Rechtsstreitigkeiten konfrontiert, insgesamt fordern Kläger bis zu knapp einer Milliarde Dollar Schadensersatz. Sammelkläger in den USA werfen Glencore und dem Aluminiumriesen Alcoa beispielsweise vor, auf den amerikanischen Jungferninseln giftige Substanzen freigesetzt zu haben.

Und was, wenn der mehrfach überzeichnete, mit Vorschusslorbeeren bedachte Börsengang floppt, weil der Kurs danach nicht hochkommt oder sogar fällt? Sollte der jüngste Kurssturz für Öl und andere Rohstoffe sich als echte Trendwende erweisen, wäre der Lack schnell ab. Schmerzlich wäre ein Einbruch der Glencore-Aktie auch für die Topmanager um Glencore-Chef Ivan Glasenberg, die durch den Börsengang zu Milliardären werden – wenn sie die Aktien später und einem guten Kurs versilbern können (siehe Grafik).

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