Gloria von Thurn und Taxis "Wir sind das Land der Bedenkenträger"

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Der Unternehmer Günther Fielmann kauft in Ostdeutschland zu.

Das ist etwas anderes. Für jemanden, der ein großes Industrie- oder auch Kapitalvermögen besitzt, kann es sehr clever sein, sich in Land- und Forstwirtschaft einzukaufen.

Sie wiederum planen bei Straubing den größten Solarpark der Welt. Haben die Behörden den inzwischen abgesegnet?

Das ist eine traurige Geschichte, weil wir immer noch nicht alle Genehmigungen haben. Die Behörden haben sich lange schwergetan. Mittlerweile ist die Einspeisevergütung reduziert worden, sodass wir diese Investition mit einem noch spitzeren Bleistift rechnen müssen. Wir glauben nach wie vor, dass es sich lohnen würde. Aber es ist heute sehr schwierig, in Deutschland etwas Neues auf die Beine zu stellen, weil überall Verhinderer sitzen.

Ähnlich drückt sich der Chef der -Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, aus, wenn er über den Bahnhofsneubau in Stuttgart spricht.

Was im großen Stil in Stuttgart geschieht, ist uns im Kleinen passiert. Einerseits bilden in München Tausende von Leuten eine Menschenkette, um gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken zu demonstrieren. Andererseits konstituiert sich eine Bürgerinitiative gegen unseren Solarpark. Wo will der Bürger seinen Strom denn herbekommen? Ich bin ernüchtert, dass dieses Vorhaben nicht in dem Tempo umzusetzen war, wie es für uns gut gewesen wäre.

Aber Sie halten daran fest?

Ja. Man muss auch sehen, ob sich die politischen Rahmenbedingungen nicht doch verbessern und der Solarstrom auf großer Fläche stärker gefördert wird als auf dem Dach, weil Letzteres teurer und weniger effektiv ist.

Geht es auch für vermögende Großbetriebe nicht ohne den Staat?

Bei allen neuen Technologien ist es wichtig, dass der Staat als Initiator und Nachfrager auftritt. Schauen Sie die scheußlichen Windräder an, die überall in Deutschland stehen. Das geht nur mit Subventionen.

Die Deutschen waren 2010 ein Volk, das sich fleißig aus der Krise gearbeitet hat, außer Stuttgart 21 und Castor-Transporten nichts wirklich schlimm fand. Sind die Deutschen ideale Untertanen?

Nein, im Gegenteil! Wir sind das Land der Bedenkenträger und Verhinderer. Ich halte Demonstrationen wie in Stuttgart für höchst bedenklich. Ich bin mit dem Solarpark ja auch betroffen, in kleinerem Umfang, aber für einen Privatinvestor signifikant. Man versucht hier, unternehmerische Initiativen niederzubügeln. Dabei haben wir die besten Voraussetzungen. Straubing will seine Stromversorgung mit uns regeln und die erste grüne Stadt Bayerns werden. Wenn auch solche Projekte nicht mehr möglich sind, muss man sich fragen: Sind wir Deutschen so satt und im Wohlstandsglück, dass wir es uns erlauben, unreflektiert auf Zukunftschancen zu verzichten? Die Bahnhofsgegner in Stuttgart hätten viel früher die Möglichkeit gehabt, das Projekt zu kippen. Aber sich jetzt, nachdem das Geld zum großen Teil ausgegeben ist, auf die Straße zu stellen – das signalisiert eine verwöhnte Gesellschaft, die nicht mehr über die Konsequenzen ihres Handelns nachdenkt.

Zukunftsorientierte Schwerpunkte

Sie wünschen den Deutschen für das kommende Jahr also mehr Entscheidungsfreude und Mut?

Ich wünsche uns, weniger Energie ins Protestieren zu stecken und mehr in Erziehung, Schule, Universitäten, Familie, Kinder. Wir müssen zukunftsorientiert Schwerpunkte setzen. Ich wünsche uns, dass wir wieder das Land der Innovationskraft werden, des Ingenieurwesens, des Erfindungsgeists, der Präzision. Das können die Deutschen gut, und wir sollten es fördern und positiv besetzen. Das würde auch unsere Leistungskraft auf internationaler Ebene stärken und unseren Wettbewerbsvorteil sichern. Nicht nur dagegen sein, sondern aufbauen!

Die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York vom 11. September jähren sich 2011 zum zehnten Mal. Was hat sich seither verändert?

Sehr viel. Die Sicherheitsstandards sind enorm erhöht worden – Reisen ist heute kompliziert und mühsam. Und die Geheimdienste können sehen, wie viel jeder Mensch auf dem Konto hat. Wir sind dem gläsernen Bürger wesentlich näher als vor zehn Jahren. Die Frage ist: Wie viel Sicherheit verlangen wir, und wie viel Freiheit wollen wir aufgeben?

Sollten wir die Kontrollen reduzieren?

Nein, natürlich ist Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung wichtig. Man muss nur aufpassen, dass man nicht zu weit geht. Eine sehr stark regulierte Gesellschaft verliert an Dynamik.

Sie sind oft in den Vereinigten Staaten. Hat sich das Deutschland-Bild dort verändert?

Thurn und Taxis: Seit ich Amerika bereise, also seit etwa 30 Jahren, war das Deutschland-Bild immer das einer sehr zuverlässigen und innovativen Nation, deren Produkte man schätzt. Die Haltung war von Respekt getragen, und das ist im Grunde immer noch so.

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