"Glücklichmacher" Konsumforschung: Direkter Weg in den Kopf

Ökonomen, Marktforscher und Neurologen können jetzt mit sehr präzisen, bildgebenden Verfahren untersuchen, wie das Gehirn unsere Kaufentscheidungen steuert.

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Ein moderner Hochfeld-Kernspintomograf macht beeindruckend gute Bilder vom Gehirn. Jedes Areal wird so gut erkennbar, dass Forscher und Ärzte dem Denkorgan quasi bei der Arbeit zusehen können. Der Blick in den Kopf sollte nicht nur helfen, Krankheiten besser zu diagnostizieren, dachte sich der Münsteraner Marketingforscher Peter Kenning. Mit solchen Einblicken müsse sich doch auch ergründen lassen, warum Menschen Kaufentscheidungen treffen, die nach allem Anschein unlogisch sind. Zum Beispiel, warum Kunden sich für Coca-Cola entscheiden, obwohl sie in Blindverkostungen angegeben haben, dass ihnen Pepsi besser schmeckte. Ökonom Kenning vom Institut für Handelsmanagement und Netzwerkmarketing, klopfte bei Radiologen und Nervenheilkundlern der Universitätskliniken an. Er trommelte fünf Wissenschaftler zusammen, und seither schieben sie Testpersonen ins Magnetfeld. Statt echter Softdrinks bekamen die Probanden Bilder präsentiert, während sie in der engen Röhre des Tomografen lagen. Mal von Kaffeesorten, mal Angebote von Reiseveranstaltern. In einem zweiten Durchgang wurde ein Teil der Produkte mit bekannten Markennamen in Verbindung gebracht. Prompt verschob sich die Wahl zu Gunsten der Markenartikel. Im Gehirn leuchteten andere Areale auf – vor allem solche, die den Emotionen zugeordnet sind. „Bei Marken schaltet der Verstand aus“, kommentiert der Neurophysiker Michael Deppe, einer der fünf Forscher, das Ergebnis. Arbeitende Gehirne Die Wissenschaftler aus Münster haben mit ihrer Arbeit einen ganz neuen Forschungszweig in Deutschland begründet. Die Jünger des Münsteraner Marketingpapstes Heribert Meffert wollen mithilfe von Neuroökonomie und Neuromarketing jetzt endlich klären, was in den Hirnen der Menschen passiert, wenn sie sich innerhalb von Sekundenbruchteilen für oder gegen den Kauf eines bestimmten Produkts entscheiden. Ihr Ziel: den direkten Weg in den Kopf der Konsumenten zu finden. Auch an den Universitäten in Magdeburg, Bonn, Ulm und München haben sich Forschungszirkel aus Ökonomen und Neurologen formiert, die ähnliche Ziele verfolgen. Schon werben erste Beratungsunternehmen mit den neuen Begriffen. Die WestLB hat in ihrer Researchabteilung einen Experten eingestellt, der sich mit der Neurophysiologie des Anlegerverhaltens beschäftigt. „Die Neuroökonomie ist ein Forschungsfeld mit großer Zukunft“, sagt der Münchner Hirnforscher Ernst Pöppel (siehe Interview im eMagazin Seite 88): „Das geht weit über die Marktforschung hinaus.“ Schon etwas länger treiben US-Forscher das Thema voran. Vor zwei Jahren bezeichnete der Wirtschafts-Nobelpreisträger Vernon Smith die neuen Verfahren mit ihren Bildern von arbeitenden Hirnen als den „Beginn eines Unterfangens, das unser Verständnis, wie Menschen denken, beobachten und Entscheidungen fällen, grundlegend verändern könnte“.

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