Gründerszene "Jeden Euro zweimal umdrehen"

Die drohende Wirtschaftskrise lässt die Gründerszene nicht kalt. Kapitalgeber sehen in der Krise aber auch Chancen – wenn das Geschäftsmodell stimmt. Sechs Fragen an sechs Investoren.

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1. Wie reagieren Sie auf die Verschärfung der Krise?

Olaf Jacobi ist Venture Partner bei Target Partners (München) und investiert als Business Angel in Internet- und IT-Startups.

Rolf Mathies, Mitgründer von Earlybird: „Auf die deutliche Verschärfung der Krise reagieren wir, indem wir uns mit unseren reifen Firmen auf ein langsameres Wachstum und damit auf eine längere Zeit bis zum Exit vorbereiten. Wichtig ist, dass die Firmen weiterhin einen positiven Cash-Flow verzeichnen. Dafür ist es nötig, jeden Euro zweimal umzudrehen.“

Florian Schweitzer, Partner bei BrainsToVentures: „Wenn Business Angels und Risikokapitalgeber jetzt neu investieren, müssen sie sicherstellen, dass das Kapital auch wirklich 24 Monate reicht – das war bis vor drei Monaten noch ganz anders.“

Olaf Jacobi, Partner bei Target Partners: „Es ist natürlich ein Problem, dass weniger Finanzmittel im Umlauf sind – das bedeutet, dass ein junges Unternehmen noch schneller profitabel werden muss. Und Unternehmen, die vor einer Finanzierungsrunde stehen, müssen Geschäftsmodelle präsentieren, die monetarisierbar sind. Wer das nicht schafft, bekommt nur schwer eine Folgefinanzierung.“

Oliver Samwer, Mitgründer des European Founders Fund : „Natürlich gehen wir selektiver vor und schauen, ob das Geschäftsmodell krisensicher ist. Wer auf Werbung setzt ist jetzt am anfälligsten. Wir glauben jedoch, dass der Internetmarkt weiter wachsen wird und investieren trotzdem, die Frage ist nur, zu welchem Preis.“

2. Auch nach dem Platzen der New-Economy-Blase im Jahr 2000 mussten viele Internet-Unternehmen aufgeben. Was ist heute anders?

Christian Leybold, Principal bei BV Capital: „Im Gegensatz zum ersten Hype im Jahr 2000 sterben die Internetfirmen dieses Mal eher einen leisen Tod – wenn sie denn überhaupt sterben. Manche Internetgründer verkaufen ihr Projekt bei Ebay. Andere lassen es nebenher weiterlaufen und machen gleichzeitig einen anderen Job. Das funktioniert, weil eine Internetfirma heute viel günstiger zu unterhalten ist: Die Software ist billiger, die Kosten für Server und Bandbreite sind viel niedriger und man kann schneller kleine Beträge verdienen. Man kommt mit wenig Geld weiter.“

Rolf Mathies: „Der Shake-Out bei Web 2.0 wird durch die Krise schneller gehen: Diejenigen, die kein Geld verdienen, werden wieder verschwinden. Und es gibt eine Menge kleiner Firmen, deren Geschäftsmodelle noch nicht ausgereift sind. Dennoch wird das eine kleinere, moderatere Welle als im Jahr 2000, weil Gründer und Kapitalgeber viel vorsichtiger und erfahrener geworden sind. Auch damals hat sich die Spreu vom Weizen getrennt – und die Firmen, die das überlebt haben, haben heute eine gute Marktposition.“

3. Wie sollten junge Unternehmer jetzt reagieren?

Lukasz Gadowski, Gründer von Team Europe Ventures:  „Sie sollten die Psychologie im Markt zum Nachverhandeln nutzen und sich auf eine schwierigere Finanzierung einstellen. Aber auf keinen Fall einen Investor nehmen, der nur investiert, weil der Preis günstig ist. Das würde sich sehr schnell rächen, dann sollten Sie lieber langsamer Wachsen.

Geld braucht man vor allem für Personal. Daher mit den eigenen Leuten verhandeln und Ihnen lieber  einige Anteile geben, als Investoren welche die Gunst der Stunde nutzen wollen um billig einzukaufen. Nie vergessen: niemanden Anteile von seinem eigenen Unternehmen geben, der nur wegen dem Preis investiert!“

Oliver Samwer: Das Wichtigste ist, die Kosten unter Kontrolle zu haben. Wenn das Geld früher für sechs Monate gereicht hat, sollte man jetzt 12 Monate damit auskommen. Man sollte sich außerdem nicht auf den Wettbewerb, sondern nur auf sein eigenes business konzentrieren.

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