24-Stunden-Metzgerei Wurst und Fleisch aus dem Schließfach

Mit den langen Öffnungszeiten der Supermärkte können traditionelle Bäckereien oder Metzgereien nicht mithalten. Ein Fleischer in Rheinland-Pfalz bedient seine Kunden trotzdem rund um die Uhr.

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Die skurrilsten Automaten
Ein begehbarer Automat zum Beten - kurz: Gebetomat - steht jetzt am Flughafen Stuttgart Quelle: dpa
Kunst-Automat Berlin Quelle: dpa
RosenkränzeIn Hamburg-Wandsbek gibt es seit 2013 in der katholischen Pfarrgemeinde St. Joseph den ersten Automaten für Rosenkränze. Die "Bet-Box" bietet Rosenkränze aus Rom inklusive kleinen Gebetsanleitungen für vier Euro. Zunächst gab es auch kleine Armbänder mit religiösen Motiven für zwei Euro - mittlerweile wurden sie aber durch gebrauchte Rosenkränze ersetzt, die aus Nachlässen stammen, erzählt Pastoralreferent Sebastian Fiebig. "Wir haben sie gereinigt und hoffen, dass sie so weiter dem Gebet dienen können". Der gesamte Erlös aus der Bet-Box kommt dem Kinder-Zeltlager der Gemeinde zugute.Bild: Sebastian Fiebig Quelle: Presse
MatratzenMatratzen aus dem Automaten, wo gibt es denn sowas? Das war 2014 Glückssache. Denn der MatratzOMat, eine Art umgebauter Lkw-Anhänger, ist (noch) weltweit einmalig. Der Marketing-Gag der Firma Matratzen-direct fand großen Anklang, so dass die Aktion gleich mehrfach durchgeführt wurde. Der MatratzOMat war mit einem Gewinnspiel verknüpft, kaufen konnte man die Matratzen nicht. Stattdessen wurde ein Rubbellos ausgeteilt, die Glücksritter durften dann an einem Hebel ziehen und konnten eine Matratze gewinnen.Bild: Matratzen-direct Quelle: Presse
SchwangerschaftstestVor allem an Bahnhöfen findet man Automaten für alles mögliche - mittlerweile auch für Schwangerschaftstests. Für acht Euro kann frau am Automaten einen "Maybe Baby "-Test der Wäfler Diagnostics AG erwerben und nach drei Minuten mit 99-prozentiger Sicherheit wissen, ob sie schwanger ist oder nicht. Die Idee entstand aus dem Gedanken, dass eben nicht nur Kondome sondern auch Schwangerschaftstests zu jeder Tag- und Nachtzeit erhältlich sein sollten, erzählt CEO Markus Wäfler. Diskretion bei dem sensiblen Thema bietet die Entscheidung, keine eigenständigen Automaten aufzustellen, sondern die Tests in Selecta-Automaten unterzubringen, die auch diversen Süßkram und Getränke anbieten. Die Standorte der Automaten lassen sich über die kostenlose Smartphone-App "Selecta-Finder" finden. Die Idee stammt aus der Schweiz, hier gibt es seit der Markteinführung 2011 inzwischen über 3000 Automaten mit dem Test. In Deutschland findet man die Schwangerschaftstests derzeit an mehr als 300 Automaten im Großraum Berlin, im Ruhr- und Rhein-Main-Gebiet.Bild: Wäfler Diagnostics AG Quelle: Presse
CupcakesLust auf ein frisches Törtchen, aber alle Bäcker haben schon zu? Zumindest in New York gibt es Abhilfe, denn hier kann man seit März auch Cupcakes am Automaten ziehen. Die Idee kam der Gründerin der Bäckerei-Kette Sprinkles, Candace Nelson, in der Schwangerschaft, als sie zu den unmöglichsten Zeiten Lust auf die süßen Törtchen hatte. Bis zu vier Cupcakes in allen möglichen Geschmacksrichtungen für 4,75 Dollar pro Stück (etwa 3,50 Euro) spuckt die Maschine gleichzeitig aus. Auch an Hunde wurde gedacht: Für sie gibt es zwei kleine zuckerfreie Törtchen für knapp fünf Dollar zu kaufen. Quelle: REUTERS
Kamera, Ladekabel und Co.Beim Kopfhörer ist unterwegs das Kabel gebrochen, Fotoapparat oder Ladekabel haben es aus Schusseligkeit nicht in den Reisekoffer geschafft? Dafür hat Saturn die "Xpress"-Automaten ins Leben gerufen. Seit 2011 gibt es am Düsseldorfer Flughafen diese rund-um-die-Uhr Shoppingmöglichkeit. Mittlerweile gibt es laut einer Sprecherin des Unternehmens insgesamt 13 Automaten an neun deutschen Flughäfen. Der 24-Stunden-Service bietet mehr als fünfzig unterschiedliche Produkte. Neben typischem Reise-Zubehör wie Kopfhörern, Speicherkarten oder Reiseadaptern gibt es auch das iPad mini oder eReader. Bezahlt wird per Kreditkarte, Reklamationen können ganz normal im Laden durchgeführt werden.Bild: Saturn Quelle: Presse

Fleisch und Wurst rund um die Uhr einkaufen: Das geht seit neuestem bei einem Metzger im rheinland-pfälzischen Temmels. Möglich macht's eine große Schließfachanlage mit 40 gekühlten Boxen, die Peter Klassen jüngst vor seinem Geschäft in Betrieb genommen hat. „Der Einkauf geht ganz einfach“, sagt der 53-Jährige vor den roten Fächern. Nachdem der Kunde seine Bestellung telefonisch durchgegeben hat, legt Klassen die gewünschte Ware in einer Tüte in ein Kühlfach - und der Kunde holt sie ab, wenn es ihm passt. Abends nach der Arbeit, nachts um 3.00 Uhr oder am Sonntag.

„Der Kunde von heute erwartet eine höhere Flexibilität“, sagt Klassen. Viele arbeiteten noch, wenn er sein Geschäft um 18.00 Uhr schließe. Um diese Kundschaft nicht Läden mit längeren Öffnungszeiten zu überlassen, habe er diese Idee gehabt. „Mit dem Vorteil, dass wir jetzt sogar 24 Stunden geöffnet haben.“

Wer nicht bestellt, kann sich aus den vier Grad kühlen Fächern auch vorbereitete Pakete, etwa für einen spontanen Grillabend, holen. Und neben die Kühlfächer hat Klassen zwei Automaten gestellt, in denen er Produkte wie Eier, Milch, Suppen, Bier und Nudeln anbietet. „Es läuft gut“, sagt der Metzger. Er geht davon aus, dass sich die vor einem Monat gestartete rund 80 000 Euro teure Gesamtinvestition in etwa einem Jahr bezahlt gemacht haben wird.

Die Mär vom guten Fleisch? Wie es nutzt und wo es schadet

Hausfrau Gabi Kimmel (67) lobt das neue Angebot. „Man muss sich nicht mehr nach den Geschäftszeiten richten“, sagt sie, nachdem sie mit der Giro-Karte an der Anlage bezahlt hat und ihren Code zum Öffnen des Schließfachs eintippt. Wenn man am Wochenende beim Kochen merkt, dass etwas fehlt, könne man sich das jetzt rasch besorgen. Und wenn man zu Hause nicht so viel Platz zum Kühlen habe, könne man bestellte Platten auch kurzfristig abholen.

Mit einem festen Sortiment an Fleisch, Milch, Eiern und Co bestückte Automaten zur Selbstbedienung gibt es schon seit Jahren bei Metzgern oder Landwirten. Doch Klassen ist der bundesweit erste Metzger, der so eine Schließfachanlage habe, mit der Möglichkeit zur individuellen Bestellung, sagt Geschäftsführer Olaf Clausen von der Firma Locktec im bayerischen Weißenbrunn, die das Teil hergestellt hat. Er geht davon aus, dass das Modell Schule machen wird. „Es ist ein zunehmender Markt.“ Locktec hat seine „Cool Locker“ auch in der Schweiz, in Australien und Frankreich stehen.

Auch nach Einschätzung des Deutschen Fleischer-Verbandes (DFV) ist Klassen mit seinem Modell deutschlandweit Vorreiter. „Ich habe so etwas vorher noch nicht gehört“, sagt DFV-Sprecher Gero Jentzsch in Frankfurt. Das Fleischerhandwerk stehe neuen Vertriebswegen aufgeschlossen gegenüber, auch um an Discounter verloren gegangene Marktanteile zu kompensieren: Nach Partyservice und Heißer Theke kommen Automaten, Internet und mobiler Verkauf. Bestellungen per Smartphone und per Internet nähmen auch beim Metzger zu.

Die Deutschen stehen auf Wurst und Fleisch

Um zukunftsfähig zu bleiben, müsse man sich neue Sachen einfallen lassen, sagt Klassen, der mit rund 30 Mitarbeitern 2,7 Millionen Euro im Jahr umsetzt. Er ist überzeugt, dass die Kühlfachanlage auch für andere Fleischereien Sinn mache. „Wir müssen uns alle gegen Discounter behaupten.“ Automaten zur Selbstbedienung bei Metzgern oder Landwirten lägen im Trend, sagt Dirk Hensing von der Hensing GmbH im nordrhein-westfälischen Emsdetten, die bereits mehr als 1000 davon bundesweit und im angrenzenden Ausland aufgestellt hat. „Wir haben jedes Jahr eine Umsatzsteigerung von 150 Prozent.“ Hensing vermarktet seit 2010 sogenannte Regiomaten und Milchtankstellen.

Für einzelne Metzger oder Landwirte könnten solche Automaten neue Vermarktungswege eröffnen und eine wichtige Alternative sein, sagt der Sprecher des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels, Christian Böttcher, in Berlin. Der Anteil jener Zusatzgeschäfte liege allerdings beim Gesamtumsatz des deutschen Lebensmittelhandels von rund 150 Milliarden Euro im Jahr lediglich „im Promillebereich“.

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