40 Jahre Ikea in Deutschland "Die Marke Ikea steht für ein besseres Lebensgefühl"

Seit 1974 schrauben, basteln und verzweifeln die Deutschen an Ikea-Produkten. 40 Jahre mit Möbeln zum Selberbauen haben das Verhältnis zu Stühlen, Tischen und Betten grundlegend verändert.

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Die Ikea-Titelcover im Wandel der Zeit
1951Der erste Ikea-Katalog erscheint in Schweden, ihn ziert ein Ohrensessel. "Straße zu den guten Einkäufen" steht in dem Zierband auf dem Titel. Dazu gibt es ein "Qualitäts-Garantie"-Siegel. Ingvar Kamprad gründete Ikea bereits 1943 im Alter von 17 Jahren. Zunächst verkaufte er diverse kleine Artikel wie Stifte, Streichhölzer oder Nylonstrümpfe. Seit 1947 verkaufte Kamprad auch Möbel per Versand. Mit dem Erscheinen des ersten Katalogs 1951 konzentrierte sich Kamprad nur noch auf Möbel. Quelle: Inter IKEA Systems B.V.
1952Mit schicken Streifen und ganz ohne Möbel kommt das Katalog-Cover von 52 aus. Die alten Kataloge sind bei Sammlern begehrt: Auf der Handelsplattform Ebay erreichen sie Preise über 100 Euro. Quelle: Inter IKEA Systems B.V.
1953"Bessere Möbel billiger" prangt auf dem Ikea-Katalog von 1953. Quelle: Inter IKEA Systems B.V.
1954Der schwedische Katalog von 54 hat nun einige ausgewählte Möbel auf dem Cover. Es bleibt bei der rötlich-braunen Farbgebung. "Möbel - Teppiche - Ausstattung" wirbt Ikea. Quelle: Inter IKEA Systems B.V.
1955Eine gezeichnete Wohnlandschaft und ein Grundriss zieren den Katalog. 1955 bot Ikea-Gründer Ingvar Kamprad erstmals eigens für Ikea entworfene Möbel an. Quelle: Inter IKEA Systems B.V.
1956Um Versand- und Montagekosten zu sparen, wurden die Möbel ab 1956 als Bausatz verschickt. Quelle: Inter IKEA Systems B.V.
1957Es wird kuschlig: Eine schlafende Katze ziert das Cover und verbreitet Gemütlichkeit. Quelle: Inter IKEA Systems B.V.

"Das sind doch bloß Apfelsinenkisten", sagten die Skeptiker. Als Ikea vor 40 Jahren sein erstes Einrichtungshaus in Deutschland eröffnete, ernteten die Schrankwände aus dem Norden in der Branche Verwunderung, Ablehnung und Spott.

Zu billig, zu labberig und kein echtes Handwerk, urteilten die Möbelbauer. Doch die Kunden urteilten anders. Auf das erste Ikea-Einrichtungshaus in München folgten binnen kurzer Zeit weitere in Köln, Brinkum und Großburgwedel. 48 Ikea-Häuser gibt es zurzeit in Deutschland, weitere sind geplant.

Der Siegeszug der Möbelkette hat nicht nur deutsche Wohn- und Schlafzimmer, sondern unser Verhältnis zu Möbeln insgesamt verändert. Der Psychologe Stephan Grünewald erklärt, warum viele Kunden Schweden-Pressholz der deutschen Eiche vorziehen und bislang kein Skandal Ikea schaden konnte.

Zur Person

Herr Grünewald, als Ikea 1974 die erste Filiale in Deutschlande eröffnete, herrschte in deutschen Wohnzimmern das Gelsenkirchener Barock vor. Wie hat Ikea unser Verhältnis zu Möbeln verändert?
Das war damals eine echte Revolution. Das Gelsenkirchener Barock war ein Ausdruck für den Zeitgeist der Sechzigerjahre. Die Eichenschrankwand war in ihrer Massivität Sinnbild für eine Früh-Versargung. Man umgibt sich schon zu Lebzeiten mit dem Material, das einen später ins Jenseits begleitet. Ikea hat hingegen die Revolte der 68er aufgegriffen und mit diesem zementierten Zeitgeist gebrochen. Die Möbel wurden kleiner, flexibel und kombinierbar.

Wie Ikea Deutschland erobert

Entspricht der heutige Ikea-Kunde noch dem 68er-Revoluzzer?
Ikea hat es verstanden, unterschiedliche Ströme im Zeitgeist aufzugreifen. In den Anfangsjahren war das die Generation, die lieber mit Billy-Regalen oder in einem VW Bully gelebt hat. Man wollte nichts Festes, sondern war mit einem Provisorium auf Sinnsuche. In den heutigen Krisenzeiten ist aber das Ankommen wichtiger. Ich will meinen Rückzugsort einrichten.

Wie sieht so ein Rückzugsort aus?
Ein Ort, an dem ich mich buchstäblich zuhause fühle. Wo ich liebevoll empfangen werde. Wo nicht nur meine Liebsten, sondern alle Dinge des Lebens ihren Platz haben und gut aufgehoben sind.

Wer bei Ikea kauft

Und warum tun wir uns den Stress an, diesen Rückzugsort selbst zu bauen?
Ein Teil der Werteanmutung liegt im Zusammenbau des Möbels. Selbst, wenn ich nur ein paar Schrauben in vorgefertigte Teile gedreht habe, trägt es meine Handschrift. So hat es einen deutlich höheren ideellen Wert für mich. Genau das beschreibt der Ikea-Effekt, der inzwischen auch in der Wissenschaft etabliert ist.

Warum kein Skandal Ikea schaden kann

Was macht die Faszination aus? Schließlich ist es nur ein Möbelhaus.
Nein, es ist viel mehr als ein Möbelhaus. Ikea verkauft ein Lebensgefühl, das man immer wieder auffrischen kann. Sobald sich in meinem Leben etwas ändert, kann ich für wenig Geld meine Einrichtung den neuen Umständen anpassen. Selbst 75-jährige Senioren gehen heute zu Ikea – in dem Bewusstsein, dass sie diese Möbel überleben werden. In einigen Jahren gehen sie wieder hin und kaufen das, was ihnen dann gefällt oder ihren neuen Lebensumständen am besten entspricht.

Zehn Fakten über das schwedische Möbelhaus
Ingvar Kamprad Quelle: REUTERS
Das Foto aus dem Jahr 1974 zeigt das erste in Deutschland eröffnete Ikea-Möbelhaus in Eching bei München Quelle: dpa
Ikea Köttbullar Quelle: dpa
Wie Ikea zu seinem Namen kam Quelle: dpa
Der Ikea-Katalog ist beliebter als die Bibel
Das Bücherregal „Billy“ ist einer der Ikea-Verkaufsschlager schlechthin Quelle: dpa
Ikeas "Klippan" ist nicht nur ein Sofa für die Studentenbude, sondern auch ein kleines Kaff in der schwedischen Provinz. Quelle: dpa

Pressholz schlägt also die gute deutsche Eiche?
Die Verbraucher sind insgeheim froh, dass die Möbel nicht ewig halten. Heute haben die meisten Menschen lieber ein charmantes Provisorium, das sich ihrem Leben anpasst, als das eine Möbelstück, das Generationen hält.

Lohnt sich trotzdem das im August angekündigte lebenslange Rückgaberecht?
Das ist ein sehr geschickter Marketingzug, es ist sehr positiv aufgenommen worden. Dennoch bleibt die zentrale Motivation, nicht alte Sachen zurückzugeben, sondern neue zu kaufen. Wenn ein Möbelstück über Jahre Teil meines Lebens war und ich es auch selbst aufgebaut habe, will ich es nicht zurückgeben. Bevor ich es wegwerfe oder zurückgebe, stelle ich es in den Keller oder auf den Dachboden, da viele Erinnerungen daran hängen. Die Zahl derer, die dieses Rückgabe-Angebot nutzen, wird also überschaubar bleiben.

Ikea ist in Deutschland auf Wachstumskurs

Mit dem Prinzip des Abholmarkts und den niedrigen Preisen hat Ikea den Weg für noch günstigere Anbieter geebnet. Wie können sich die Schweden dennoch von Poco, Roller oder Mömax abgrenzen?
Ikea hat gut daran getan, nie auf das Discounter-Prinzip zu setzen. Die Marke steht für ein besseres Lebensgefühl. Selbst wenn sie nur Accessoires oder Pflanzen kaufen, fahren viele Menschen ein bis zwei Mal pro Jahr zu Ikea. Nur weil sie sehen wollen, was bei der Einrichtung gerade in Mode ist und wie sie ihr Leben verändern können. Und jeder weiß, dass sich selbst die kleinen Mitbringsel im Einkaufswagen am Ende auch summieren. Mit dem reinen Fokus auf den Preis wäre das nicht möglich gewesen.

Der Konzern stand über die Jahre immer wieder in der Kritik, sei es die Nazi-Vergangenheit des Gründers, die niedrigen Löhne oder die Überwachung von Arbeitern. Warum sind all die Vorwürfe an Ikea abgeprallt?
Ikea hat es verstanden, keine hierarchischen Verhältnisse zum Kunden aufzubauen. Das „Du“ in der Werbung oder die Namen für die einzelnen Möbelstücke zeigen dem Kunden, auf einer Ebene mit dem Unternehmen zu sein. Diese liebevolle und fürsorgliche Seite von Ikea hat es bislang geschafft, die Skandale zu überdecken.

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