A320neo Airbus muss tatenlos zusehen wie Dutzende A320neo am Boden bleiben

Airbus-Zulieferer Pratt & Whitney bekommt seine Triebwerks-Probleme nicht in den Griff. Die Airlines sind sauer – und ist doch machtlos.

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Frankfurt Er ist das Arbeitstier über den Wolken: die A320. Zusammen mit dem fast gleichgroßen Kurz- und Mittelstreckenjet 737 des Rivalen Boeing dominiert das Flugzeug von Airbus weite Teile des Himmels. Von der 1987 in Produktion gegangenen A320-Familie wurden bislang rund 7.900 Exemplare gebaut, von der 737, die schon 1967 in Serie ging, sogar fast 10.000 Stück. Doch obwohl beide Jets damit zu den wohl ausgereiftesten Flugzeugen gehören, bereiten sie zuweilen mächtig Probleme Das spürt gerade Airbus wieder.

Der A320 – in Luftfahrtkreisen wegen der großen Verbreitung auch der „Golf der Lüfte“ genannt – hat sich in seiner Neuauflage zu einem Sorgenkind entwickelt. Vor allem Probleme mit den neu entwickelten Motoren von Pratt & Whitney machen der sogenannte A320neo mächtig zu schaffen. Dabei dachten die Techniker, dass die Kinderkrankheiten beseitigt seien. Doch nun sind neue aufgetaucht.

Der Hochdruckverdichter bockt zuweilen. Das kann zu einem kompletten Ausfall des Motors führen – auch in der Luft. Die europäische Luftsicherheitsbehörde EASA ist auf das technische Problem aufmerksam geworden, weil in den letzten zwei Wochen in vier Fällen Triebwerke im Flug abgeschaltet oder Starts abgebrochen werden mussten.

Deshalb hat die EASA eine klare Anordnung erlassen. Dort, wo zwei Triebwerke aus der neuen Motorencharge verbaut sind, darf der Jet noch drei Flüge absolvieren, dann müssen die Triebwerke getauscht werden. Wo lediglich ein betroffenes Aggregat im Einsatz ist, dürfen die Maschinen vorerst weiterfliegen, allerdings längere Strecken nur dort, wo es ausreichend Ausweichplätze zur Landung gibt. Ansonsten sind längere Flüge nicht mehr erlaubt.

Rund 40 Jets sollen betroffen sein. Wie lange es dauert, die neuerlichen Probleme zu lösen, dazu wagt man aktuell weder bei Airbus noch bei Pratt & Whitney eine Prognose. Fest steht dagegen: Diese Anweisung stellt die Airlines vor erhebliche Probleme.

Die Flugzeuge sind fest eingeplant. Ein Motorenwechsel kostet Zeit, die Flugzeuge fallen länger als geplant aus. Hinzu kommt: Angesichts der klaren Worte der EASA neigen viele Airlines dazu, die betroffenen Flugzeuge vorbeugend ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Die indische Billig-Fluggesellschaft IndiGo etwa hat deshalb drei A320neo vorerst geparkt. Man wolle warten, bis die Triebwerke getauscht seien, begründet ein Sprecher die Maßnahme. Nicht betroffen ist wohl Lufthansa.

Mit dem Triebwerkstausch beim A320neo kennen sich Airbus und die Kunden mittlerweile bestens aus. Er ist mittlerweile fast zu einer Routine geworden. Schon bei seiner Markteinführung sorgten die Motoren von Pratt & Whitney für Verzögerungen. Zunächst hakte es bei der Kühlung. Zudem mussten die Maschinen im Stand mehrere Minuten im Leerlauf arbeiten, bevor richtig Schub gegeben werden konnte. Dann erwies sich Aufhängung des vorderen Schaufelkranzes, des sogenannten Fans, als zu schwach. Dieser hing minimal durch, so dass die Schaufeln Gefahr liefen, das Gehäuse der Triebwerke zu berühren.

Das sind Probleme, die mittlerweile behoben sind und die eigentlich schon während der Erprobung hätten auffallen müssen. Doch die schnelle Einführung des neuen Motors hatte Priorität. Denn es waren die Kunden, die eine Modernisierung der A320 verlangt hatten – vor allem mit Blick auf die Effizienz. Mit Hilfe eines Untersetzungsgetriebes, das den vorderen Schaufelkranz vom Rest des Triebwerks trennt, soll der Spritverbrauch um 15 bis 20 Prozent sinken, der Lärm sogar um 50 Prozent.

Doch was nützt das Ganze, wenn den Flugzeugen die Motoren fehlen, weil der Triebwerkshersteller erst die ganzen Probleme lösen muss und mit der Fertigung nicht nachkommt? Mitte vergangenen Jahres standen zeitweise 60 Flugzeuge ohne Triebwerke auf den Fabrikgeländen in Hamburg Finkenwerde und Toulouse. Teilweise musste sogar die Parkplätze für die Mitarbeiter als Stellfläche herhalten.

Das nervt auch die Airbus-Manager. Sie können kaum etwas zur Behebung der Probleme beitragen, müssen aber die Kritik der Kunden einstecken. So fand John Plueger, Chef der Leasingfirma Air Lease Corporation, im Spätsommer vergangenen Jahres bei einer Branchenkonferenz deutliche Worte. Er sei sehr verstört über die Verspätungen. Auch wenn die Probleme nicht bei Airbus lägen, sei er doch „besonders von Toulouse“ enttäuscht.

Hinzu kommt: Die Erfüllung der Fertigungszahlen beim A320 hat Einfluss auf die Bilanz des Unternehmens. Schon im Geschäftsbericht über das Jahr 2016 heißt es mit Blick auf 2017: „Um die Prognose zu erreichen, müssen wir liefern, liefern und liefern.“ Und weiter: Man werde den Fokus auf den Anlauf der A350 und der A320 sowie den Übergang zur „Neo“-Generation legen. Am Donnerstag legt Airbus die Geschäftszahlen für 2017 vor. Dann wird sich zeigen, ob genug geliefert werden konnte.

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