Abercrombie-Chef „Viele haben in unserer Kleidung nichts zu suchen“

Das Marketing-Konzept von Abercrombie & Fitch ist einzigartig – das Unternehmen verzichtet nahezu auf klassische Werbung. Stattdessen nebelt es seine Klamotten mit Parfüm ein und lässt sie von halbnackten Knaben verkaufen.

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Ein riesiges Poster von Abercrombie & Fitch in New York. Quelle: ap

Düsseldorf Der Markenexperte Martin Lindstrom beschreibt einen verblüffenden Test, den er mit einem Teenager machte: Er zeigt dem Mädchen eine gewöhnliche Jeanshose ohne jegliche optische Hinweise auf das Unternehmen, von dem das Kleidungsstück stammt. Er fragt sie, von welcher Marke sie sei. „Abercrombie“ ruft sie sofort. 

Das Mädchen brauchte keine besondere Form oder optische Reize wie etwa ein rotes Bändchen, mit dem der Jeanshersteller Levis seine Hosen kennzeichnet. Es reichte der typische A&F-Duft.

Der Trick: Abercrombie & Fitch bläst durch seine Lüftungsanlagen den süßlichen Geruch seines Parfüms „Fierce“ (zu Deutsch: “wild“). So riecht man den Laden schon von weitem. Der Duft legt sich auch auf die Klamotten und so wird zusätzlich zu dem Seh- der Geruchssinn angesprochen, was die Bindung zur Marke laut Experten verstärkt. In manchen Filialen übertreibt es das Unternehmen jedoch: In New York protestierten bereits Umweltschützer vor dem Abercrombie-Flagship-Store gegen die Verschmutzung der Luft.

Die ungewöhnlichen Marketing-Tricks des Unternehmens kommen an. Wer in den USA Abercrombie & Fitch (A&F) trägt, ist cool – oder fühlt sich zumindest so. "Der Erfolg von A&F basiert vor allem darauf, dass das Unternehmen im Markt als Rebell auftritt", sagt Marketingexpertin Silvia Danne. Das Unternehmen macht alles anders als die anderen Klamottenverkäufer. In den Läden ist das Licht gedämpft, die Musik ist so laut wie in einer Disko. Die oft leicht bekleideten und stets gut aussehenden Verkäufer halten sich meist im Hintergrund. Man muss sie schon selbst ansprechen, wenn man etwas will.

Vor allem aber setzt A&F auf Sex. In den Katalogen, im Internet-Shop und auf Bildern in und um den Läden: Stets tragen junge, hübsche, durchtrainierte und vor allem leicht bekleidete Models die ansonsten zurück haltenden, sportlichen, eher gewöhnlich aussehenden Klamotten. Selbst unter der dicken Winterjacke schaut der wohl definierte Waschbrettbauch hervor. Der Typ Model, der die Kleider präsentiert, sieht immer gleich knabenhaft aus: Komplett enthaart, Six Pack, zarte Gesichtszüge. Diese Sexualisierung hat dem Unternehmen schon einige Kritik eingebracht. Der Beliebtheit hat sie nicht geschadet.

Auch in Deutschland ist Abercrombie angesagt. Noch ist es etwas besonderes, die Klamotten zu tragen. Sie signalisieren: Schau, ich bin individuell und kann es mir leisten meine Kleidung in den USA zu kaufen. Diese Sorte Kunden ist jetzt verärgert und ätzt auf Facebook dagegen, dass „ihre“ Marke nun „jede Pfeife“ in Deutschland kaufen kann.

Die arrogante Einstellung ihrer Kunden dürfte Abercrombie & Fitch gefallen – das Unternehmen ist ja selbst so.   

„In jeder Schule gibt es coole und beliebte Kids und es gibt nicht so coole Kids“, sagt Konzernchef Michael Jeffries. „Ganz ehrlich, wir wollen die coolen Kids. Viele Menschen haben in unserer Kleidung nichts zu suchen. Die Unternehmen sind in Schwierigkeiten, die alle erreichen wollen: jung, alt, fett, mager.“


Hohes Marketing-Budget trotz wenig Werbung

Auch die Kommunikation bei A&F ist ungewöhnlich. Bei jedem Unternehmen, das mehr als eine Handvoll Mitarbeiter hat, ist ein Pressesprecher heute selbstverständlich. Er soll das Unternehmen möglichst gut in der Öffentlichkeit darstellen, hat aber auch die Aufgabe, unangenehme Fragen von Journalisten zu beantworten, wie etwa warum der Umsatz sinkt oder wie das Unternehmen zu Protesten steht. Abercrombie & Fitch hat das scheinbar nicht nötig. Pressestelle? Fehlanzeige.

Abercrombie&Fitch ist ein bißchen so wie ein pubertierender Teenager: Rotzig, arrogant und immer auf Rebellion gegen die blöden, verklemmten Erwachsenen.

Das Unternehmen veröffentlicht nur die Zahlen, die es laut Gesetz als börsennotierte Aktiengesellschaft veröffentlichen muss, nicht mehr. Wenn sich jemand im Unternehmen äußert, dann nur, weil man es selbst so will – und nicht weil irgendein Journalist kritisch nachfragt.

Eines der letzten Male, bei dem das Unternehmen zum Volk sprach, war im Sommer dieses Jahres. Da teilte der Bekleidungsriese mit, dass er dem amerikanischen B-Prominenten und Vorzeige-Proll Michael Sorrentino Geld geboten hat, damit er in Zukunft keine Kleidung der Marke mehr trägt. A&F befürchte, dass Sorrentino dem Image des Unternehmens „erheblichen Schaden zufügen könnte.“ Der Italo-Amerikaner hat sich als Solarium gebräunter, Goldkettchen tragender Macho in der amerikanischen Reality-Soap „Jersey Shore“ einen Namen gemacht. Die Sendung zeigt acht Amerikaner mit italienischen Wurzeln bei ihrem Sommerurlaub. 

Keine Pressearbeit, keine Werbung – das Marketing-Budget ist dennoch hoch. Aktuell investiert der Konzern zehn Prozent seines Umsatzes in dem Bereich. Das ist ein sehr hoher Wert. Zum Vergleich: Der intensiv werbende Sportartikelhersteller Adidas hat einen Marketinganteil von 13,3 Prozent am Umsatz. 

„Ich glaube, dass A&F gut ankommen wird in Deutschland“, sagt Markenexpertin Danne. „Die Marke präsentiert sich anders, das Einkauferlebnis ist anders als bei anderen Marken. Das zieht die Leute an.“

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