Abfallwirtschaft Der Staat reißt das Müllgeschäft an sich

Statt für effizientes Abfall-Recycling zu sorgen, drängt das geplante Kreislaufwirtschaftsgesetz private Firmen aus dem Geschäft. Die Entsorger-Lobby befürchtet einen Rückschritt für den Recyclingstandort Deutschland.

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Abfalltonnen in einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg. Quelle: dpa

Düsseldorf Fleece-Pullover aus Jogurtbechern, Brückengeländer aus geleerten Konservendosen, Leichtmetallfelgen aus Kronkorken - schon in vier Jahren, rechnete das Institut der Deutschen Wirtschaft vor, könnten aus Abfall gewonnene Rohstoffe im Wert von 18 Milliarden Euro deutschlandweit zum Einsatz kommen. Und damit doppelt so viel wie heute.

Könnten. Doch die Chancen dazu haben sich seit dem vergangenen Freitag verfinstert - und mit ihnen die Hoffnungen der Entsorgungsbranche auf ein lukratives Zusatzgeschäft. Das von Bundestag und Bundesregierung beschlossene Kreislaufwirtschaftsgesetz, das für mehr Recycling sorgen soll, schickten die Abgeordneten der Länderkammer am Wochenende in den Vermittlungsausschuss.

Die nicht ganz uneigennützige Begründung: Dem Bundesrat geht die Rückwärtsfahrt von der Privat- in die Staatswirtschaft in der Entsorgungswirtschaft nicht weit genug. Bei der Altpapiersammlung - einem Markt mit rund 1,5 Milliarden Euro Jahresumsatz, der bislang eine Domäne der privaten Entsorgungsfirmen ist - sollen beispielsweise wieder die Kommunen die Regie übernehmen. Selbst dann, wenn ihre Leistungen schlechter und teurer sind als die der privaten Konkurrenz.

Streit um Wertstofftonne

Mit dem Veto blockiert die Länderkammer weitaus mehr als eine effiziente Altpapiersammlung. Schließlich sollte das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz den Weg freimachen für die sogenannte Wertstofftonne, die spätestens ab dem Jahr 2015 vor Deutschlands Garagen aufgestellt werden soll. Sie war dafür vorgesehen, neben dem Verpackungsmüll auch recyclingfähige Abfälle wie ausgediente Kochtöpfe, Bobbycars und Kleiderbügel aufzunehmen - eine "Gelbe Tonne plus" also.

"Im Moment haben wir 28 Kilo Leichtverpackungen, die in die gelbe Tonne oder den gelben Sack wandern", warb neulich noch der FDP-Umweltpolitiker Horst Meierhof für die Weiterentwicklung der gelben Tonne. Durch die Einführung der Wertstofftonne könnten pro Einwohner und Jahr weitere sieben Kilo Recyclingmaterial hinzukommen.Unterm Strich wären dies jährlich 570 000 Tonnen werthaltiger Abfälle, die nicht mehr in der grauen Tonne landen - und damit am Ende in den kommunalen Müllverbrennungsanlagen.


„Ein Rückschritt für den Recyclingstandort Deutschland“

Doch was der Umwelt nützt, nützt längst noch nicht den Städten und Gemeinden: Ihnen nämlich gehört der Inhalt der grauen Mülltonnen - wozu bis heute auch abgenutztes Plastikspielzeug und Kochgeschirr zählen. Nur Material, Abfuhr und Recycling von ausgedienten Verpackungen ist Sache der privaten Entsorgungswirtschaft. So will es seit 1991 die Verpackungsverordnung.

Doch schon jetzt fürchten Entsorgungskonzerne wie Veolia, dass ihnen durch das Vorpreschen von Bundesländern und Kommunen ein Teil des bisherigen Verpackungsmüll-Geschäfts wegbricht. Aus einem Gutachten des Bundesumweltministeriums lässt sich ein mögliches Vorgehen herauslesen: So sollen die gelben Tonnen künftig nicht mehr von Privatfirmen, sondern von öffentlich-rechtlichen Entsorgern geleert werden. Schließlich, so das Argument, gehöre den Kommunen ja auch ein Fünftel ihres Inhalts.

Erst in einem zweiten Schritt kämen die Privaten dann zum Zuge. Sie dürften den Anteil am Verpackungsmüll verwerten, den ihnen die Kommunen zuteilen. „Ein Rückschritt für den Recyclingstandort Deutschland“, schimpft Peter Kurth, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE). Der ehemalige Vorstand des Entsorgungskonzerns Alba fürchtet durch den Vorstoß der Bundesländer die "Schaffung eines neuen kommunalen Monopols bei der Wertstoffsammlung".

Für die privaten Entsorgungskonzerne wäre das fatal. "An Verpackungsmüllsammlung hängen bei uns Hunderte Jobs", heißt es bei einem von ihnen. Hinzu kommt, dass Deutschlands Abfallfirmen in den vergangenen Jahren 15 Milliarden Euro in Sortieranlagen investierten, um im Wettbewerb um Entsorgungsaufträge zu punkten. Einen Teil davon müssten sie wohl abschreiben, sobald die Kommunen ein Vorrecht bei der Müllsammlung erhalten.

Wirtschaftsministerium warnt

Nicht nur Kartellamtschef Andreas Mundt äußert inzwischen schwere Bedenken gegen den Beschluss des Bundesrats, auch das Bundeswirtschaftsministerium hat sich in das Verfahren eingeschaltet. In einem Brief an die zuständigen Landesminister, der dem Handelsblatt vorliegt, wird Berlin deutlich: "Hierdurch würde der privaten Entsorgungswirtschaft, die bislang Motor der modernen Kreislaufwirtschaft gewesen ist, ein wichtiges Betätigungsfeld entzogen", warnt darin Staatssekretär Bernhard Heitzer. "Wertvolle Ressourcenpotenziale im Bereich der Haushaltabfälle" lägen dann womöglich brach.

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