Abschied von der 747 Die letzte „Königin der Lüfte“

Boeing bereitet die Auslieferung der wahrscheinlich letzten Boeing 747 als Passagiermaschine vor. Konzernchef Muilenburg sieht keine Zukunft mehr für vierstrahlige Passagierjets. Ein Konkurrent sieht das jedoch anders.

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Frankfurt Normalerweise wird auf dem riesigen Fertigungsareal von Boeing in Everett bei Seattle jedes noch so kleine Ereignis genutzt, um daraus eine große Sause zu machen. Doch dieses Mal wird die Feier wohl eher bescheiden ausfallen. Der Flugzeug-Konzern liefert in diesen Tagen die zehnte Boeing 747-800 an Korean Air aus. Und wie es aussieht, dürfte es die letzte 747 sein, die der Konzern als Passagierjet für den kommerziellen Einsatz gebaut hat. Zwar ist noch eine Bestellung offen, die aber hält Boeing unter Verschluss, was gegen eine der klassischen Fluggesellschaften als Kunden spricht.

Damit steht eine Ära vor dem Ende. Zynische Branchenkenner bezeichnen den bereits in den 60er Jahren entwickelten Großraum-Jet als die letzte wirkliche Innovation in der Luftfahrt. Fans dagegen schwärmen bis heute von der geschwungenen Form des Flugzeuges, seiner Eleganz, mit der die A380 von Airbus kaum mithalten könne. Schon sehr früh erflog sich die 747 den Namen „Königin der Lüfte“.

Nun dürfte Schluss sein. Zwar hatte Boeing vor einigen Jahren versucht, der „Queen“ neues Leben einzuhauchen. Mit einer Verlängerung sollten neue Kunden gewonnen werden. Doch neben Lufthansa (19 Flugzeuge) und Air China (sieben Flugzeuge) hatte nur noch Korean Air die „-8“ bestellt. Die russische Transaero hatte vier Maschinen geordert, doch nach der Insolvenz der Airline im Jahr 2015 hat Boeing diese mittlerweile  aus den eigenen Büchern gestrichen. 

Zwar werden wir den Super-Jumbo noch viele Jahre abheben und landen sehen. Arbeitszeiten von 25 Jahren und mehr sind für Passagierjets Standard. Doch für Boeing-Chef Dennis Muilenburg steht fest: „Wir sehen im Passagierbereich keinen Markt mehr für solche Flugzeuge mit vier Triebwerken, auch nicht für die A380“, sagte er kürzlich bei der Luftfahrtshow in Le Bourget bei Paris. Nur noch als Frachter habe der Riesen-Jumbo eine Chance. Aktuell hat der US-Logistiker UPS 14 Frachter des Typs 747-800F bestellt, AirBridge Cargo bekommt noch eines und Qatar Airways hat zwei Bestellungen in Aussicht gestellt.

Ganz anders dagegen klingt Muilenburgs Kollege Tom Enders, CEO von Airbus: „Wir sind davon überzeugt, dass es neue Bestellungen für die A380 geben wird, etwa aus China“, erklärte er jüngst in Berlin: „Wir sind da in Gesprächen.“ Die A380, das Flaggschiff von Airbus zu begraben, das kommt für Enders nicht in Frage. Doch seit 2015 wartet der Konzern auf neue Aufträge für den Doppelstöcker. Ob es tatsächlich Aufträge aus China geben wird, ist offen. Immerhin haben die Chinesen gerade erst zusammen mit Russland den Bau eines eigenen Großraumjets angestoßen.

Die A380 und die 747-8 kamen zu einer Zeit auf den Markt, als in der Luftfahrt zwei Geschäftsmodelle diskutiert wurden, und es nicht feststand, welches sich am Ende durchsetzen würde. Die einen sahen einen riesigen Markt für Super-Jumbos. Begründet wurde die Euphorie mit der stark wachsenden Zahl von Mega-Citys, in denen es möglich sein sollte, ohne allzu aufwendige und teure Zubringerdienste einen A380 mit je nach Bestuhlung 560 bis 860 Passagieren zu füllen. Zudem wurde es in vielen Ländern zunehmend schwieriger, neue Flughafenprojekte bei der Bevölkerung durchzusetzen. Deshalb, so die Argumentation, seien größere Flugzeuge der einzige Weg, um weiter wachsen zu können.

Das andere Marktmodell unterstellte einen Trend zu Direktflügen auch von mittelgroßen Flughäfen zu Fernzielen. Es bedeutet  eine teilweise Abkehr vom Drehkreuz-Konzept, bei dem der weit überwiegende Teil der Langstreckenverbindungen eines Landes von einem oder mehreren zentralen Hubs ausgeht, die von mittelgroßen und kleinen Flughäfen gefüttert werden.

Komplett durchgesetzt hat sich zwar keines dieser Modelle, es wird auch weiterhin große Drehkreuze geben. Aber fest steht: Das Angebot an Direktverbindungen von kleineren Flughäfen jenseits der großen Hubs wächst rasant. Es wird nicht zuletzt durch den Boom der Billigfluggesellschaften getrieben, die sich seit einiger Zeit auch auf der Langstrecke versuchen.

Dafür sind aber andere, kleinere Großraumjets wie der Boeing Dreamliner oder die A350 von Airbus gefragt, die auch in kleineren Metropolen zu füllen sind. Zudem sind sie mit ihren zwei Triebwerken sehr effizient zu betreiben. Das wiederum führte dazu, dass Flughäfen zögerten, ihre Infrastruktur so zu erweitern, dass eine A380 oder auch eine 747-800 entladen werden kann. Damit sind die Super-Jumbos weltweit nicht uneingeschränkt einzusetzen.

Boeing darf immerhin noch darauf hoffen, zumindest noch zwei 747-800 bauen zu dürfen – für einen ganz besonderen Passagier: den US-Präsidenten. Das Pentagon hat dem Konzern  Anfang 2016 den Auftrag erteilt, ein Konzept für die Umsetzung der neuen „Air Force One“ zu entwickeln. Voraussichtliche Kosten je Flugzeug: vier Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Der Listenpreis einer „normalen“ 747-800 liegt etwas mehr als 300 Millionen Dollar. US-Präsident Donald Trump sind die hohen Kosten ein Dorn im Auge, über Twitter hatte er deshalb öffentlich über eine Stornierung nachgedacht. Doch bislang verfolgt Boeing das Projekt weiter. 

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