Adidas Wie Kasper Rorsted Nike angreifen will

Adidas-Chef Kasper Rorsted. Quelle: Marcus Simaitis für WirtschaftsWoche

Kasper Rorsted macht Tempo bei Adidas. Im Interview spricht der Konzernchef über die Attacke gegen Marktführer Nike, räumt der Krisenmarke Reebok eine Galgenfrist ein und warnt vor Importzöllen.

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Auf dem Campus-artigen Firmengelände oberhalb von Herzogenaurach drehen sich die Kräne: Beim Dax-Konzern Adidas buddeln sie mal wieder. 2000 Mitarbeiter sollen 2018 einen futuristischen Neubau beziehen. Der ist nicht die einzige Baustelle für den neuen Chef: Kasper Rorsted verordnet dem größten Sportkonzern Europas nach einem Rekordjahr noch schnelleres Wachstum und konzentriert ihn auf die zwei Kernmarken Adidas und Reebok. In Jeans und Sneakern erklärt der Däne, wie er Nike attackieren will.

WirtschaftsWoche: Herr Rorsted, mussten Ihre Kinder, als Sie von Henkel zu Adidas wechselten, ihre Nike-Sneaker loswerden?
Kasper Rorsted: Nein, wir waren auch früher schon hauptsächlich ein Adidas-Haus. Meine Kinder sind schon ein Stück stolz darauf, dass ich diesen Job habe. Insofern: Bei uns beherrschen drei Streifen den Schuhschrank.

Zur Person

Weltweit sieht die Hackordnung anders aus. Ihr Rivale Nike ist globaler Marktführer und peilt bis 2020 50 Milliarden Dollar Umsatz an. Wird Adidas abgehängt?
Mal langsam – im vergangenen Jahr hatte Nike ein Wachstum von sieben Prozent und wir landeten bei 18 Prozent. Auch die Prognose des Nike-Managements für das laufende Jahr liegt niedriger als unsere. Wir rechnen mit einem Wachstum von 11 bis 13 Prozent. Bis 2020 wird Adidas sogar 25 bis 27 Milliarden Euro Umsatz schaffen. Das heißt, Adidas wird nicht abgehängt, sondern setzt zum Spurt an. Aber selbst wenn wir aktuell schnell unterwegs sind, wissen wir, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben.

Rechnet man zusammen, was Sie und Nike an Wachstumszielen ausgegeben haben, müssten allein Adidas und Nike in den kommenden vier Jahren 25 Milliarden Euro beim Umsatz zulegen – das ist doch nicht realistisch.
Was Nike vorhat, muss Ihnen Nike-Chef Mark Parker erklären. Was uns angeht, sehe ich großes Potenzial in Europa und China. Auch in einigen Segmenten können wir noch viel erfolgreicher sein: Fitnesskleidung und Sportschuhe für Frauen machen erst 23 Prozent unseres Umsatzes aus. Der Anteil soll auf 28 Prozent steigen. Vor allem aber werden wir in den USA wachsen. Zusammen mit unserer Marke Reebok kommen wir dort derzeit auf 3,4 Milliarden Euro Umsatz. Aber die USA sind der größte Markt weltweit und zugleich derjenige, in dem wir unseren geringsten Marktanteil haben. Da sehe ich noch sehr viel Potenzial für uns.

Wie wollen Sie das heben? Ihr Modell Superstar war 2016 in den USA zwar der meistverkaufte Schuh, doch die nächsten neun stammten von Nike. Was passiert, wenn der Superstar nicht mehr angesagt ist?
Der Superstar war nicht der alleinige Treiber. Wir verkaufen weltweit 360 Millionen Paar Schuhe im Jahr. Tatsächlich hat eine ganze Palette von Modellen zum Wachstum beigetragen. Wir sind für den amerikanischen Markt jetzt viel besser ausgerüstet.

"Der richtige Mann an der Spitze"

Woran hat es bisher gehapert?
Wir hatten lange nicht das optimale Team. Erst seit 2014 steht mit Mark King der richtige Mann an der Spitze. Und mit Eric Liedtke haben wir, ebenfalls seit 2014, einen Amerikaner als Markenchef bei uns im Vorstand. Beide stellen sicher, dass wir US-Konsumenten die richtigen Produkte anbieten. Die Marke Adidas wuchs in den USA zuletzt um 30 Prozent. Damit das keine Eintagsfliege bleibt, brauchen wir einen nachhaltigen Aufbau unserer Präsenz. Deshalb war es eine meiner ersten Aufgaben, gemeinsam mit unserem Vertriebschef Roland Auschel die Vertragsverlängerung von Mark King unter Dach und Fach zu bringen. Amerika ist das zentrale Langfristprojekt für uns.

Gilt das für alle Marken?
Wir trennen uns momentan von kleineren Marken wie dem Golflabel TaylorMade und von CCM Hockey. Die Kletterschuhmarke Five Ten integrieren wir in Adidas Outdoor. Am Ende werden wir mit Adidas und Reebok nur noch zwei Marken haben. Dann beginnt die eigentliche Arbeit. Jede einzelne Produktsparte und jede einzelne Länderniederlassung müssen ihren Beitrag zum Gesamterfolg leisten. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall.

Vor allem nicht bei Ihrer Tochter Reebok, die seit Jahren ein Sanierungsfall ist.
Spezialfall trifft es besser. Während in Adidas sehr viel Potenzial steckt, ist die Lage bei Reebok anders. Die Marke ist derzeit ein Verlustbringer. Wir müssen sie dringend drehen.

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Wozu brauchen Sie Reebok überhaupt?
Reebok bedient ein anderes Marktsegment, zielt viel stärker auf den boomenden Fitness-Markt ab, den wir mit Adidas in den USA lange Zeit nicht richtig im Auge hatten.

Wie wollen Sie Reebok wieder fit kriegen?
Wir trennen die Verantwortlichkeiten in den USA und ziehen mit Reebok nach Boston. Wer dort sitzt, arbeitet künftig ausschließlich für Reebok und bekommt die Freiheit, Entscheidungen ohne Rücksicht auf die Schwestermarke zu treffen. Das Team kann dann zum Beispiel mit eigenen Produkten in Sportkategorien vorstoßen, in denen auch Adidas gerade Gas gibt. Das hat Reebok bisher ausgebremst.

Reebok gehört seit mehr als zehn Jahren zum Konzern. Wie viel Zeit wollen Sie der Marke noch geben?
Ich bin ja erst seit acht Monaten bei Adidas. Wir haben jetzt einen klaren Plan für Reebok entwickelt, anhand dessen wir regelmäßig kontrollieren, welche konkreten Fortschritte es gibt. Wo wir kurzfristig hart umsteuern konnten, haben wir es getan. Wir haben die Zahl der Mitarbeiter gesenkt und werden das Hauptquartier verkaufen. Die neue Unabhängigkeit ist für Reebok eine Chance. Bis die ersten Produkte aus der veränderten Konstellation in die Läden kommen, dauert es aber noch 18 Monate. In zwei bis drei Jahren werden wir sehen, ob die Maßnahmen gegriffen haben.

"Mehr weibliche Kunden und eCommerce"

Was tun Sie, wenn Reebok dann immer noch in der Krise steckt?
Wir sind überzeugt, dass wir mit unserem Plan gute Fortschritte bei Reebok machen werden. Ansonsten würde es Konsequenzen geben. So sind die Spielregeln der Wirtschaft, die in jedem Land, für jede Marke und für jede Führungskraft gelten – nicht zuletzt für mich als Vorstandschef. Um es klar zu sagen: Für mich wäre es die einfachste Lösung gewesen, Reebok sofort nach meinem Amtsantritt zum Verkauf zu stellen. Wir glauben aber, dass wir die Marke drehen und dadurch Wert für unser Unternehmen schaffen können.

Selbst wenn das klappt, reicht es nicht für die großen Ziele, die Sie ausgegeben haben.
Nein, aber das ist ja auch nicht alles. Nehmen Sie unser E-Commerce-Geschäft: Wir machen im Moment eine Milliarde Euro Umsatz online. Das können wir auf vier Milliarden Euro steigern. Und dann rechnen Sie mal zusammen: US-Markt, Chancen in Europa und China, mehr weibliche Kunden und E-Commerce – da kommen wir in der Summe auf jene sechs bis sieben Milliarden Euro, die wir zulegen wollen.

Wollen Sie den Onlineumsatz mithilfe von Partnern wie Zalando derart steigern?
Unsere Ziele betreffen erst mal unsere eigenen Plattformen wie adidas.com und reebok.com. Umsätze über Handelspartner wie Footlocker und Dick’s Sporting Goods, die auch immer mehr online verkaufen, kommen auf die vier Milliarden Euro online obendrauf, ebenso Umsätze mit Partnern wie Zalando. Unsere eigenen Plattformen haben beim Umsatz 2016 bereits um 60 Prozent zugelegt, hauptsächlich in Europa und den USA. In Asien haben wir praktisch noch gar nicht richtig angefangen.

Das nehmen Sie jetzt in Angriff?
Ja, wir starten jetzt in immer mehr Regionen. Asien ist sicher ein Schwerpunkt unseres Onlineengagements. Aber das braucht Vorbereitung. Schwierig ist nicht unbedingt der Aufbau des Onlineshops. Aber die Infrastruktur, die dahinter steckt, hat es in sich. Deshalb werden wir in neue Distributionszentren investieren. Wenn Kunden online bestellen, müssen wir auch sicherstellen, dass sie am Ende zufrieden sind.

Wo hakt es da noch?
Wir sind deutlich gewachsen, und dieses Wachstum können wir nicht mehr mit der vorhandenen Infrastruktur bedienen. Dazu kommt: Wir müssen die Liefergeschwindigkeit ständig erhöhen. Heute reichen vielleicht noch Lieferzeiten von drei, vier Tagen und alle sind happy. Aber in ein paar Jahren sieht das anders aus: Dann wollen die Leute, vor allem in den Großstädten, nicht mehr so lange warten, sondern ihre Laufschuhe vielleicht schon nach zwei, drei Stunden haben.

"2016 haben wir als Unternehmen 600 Millionen Euro investiert"


Wann werden Sie Onlinebestellungen noch am gleichen Tag ausliefern?
Das wird sicher bald kommen, wenn auch nicht überall. In großen Städten wird es schneller gehen als auf dem Land.

Das wird teuer. Wie viel Geld stecken Sie in den Ausbau des E-Commerce?
2016 haben wir als Unternehmen 600 Millionen Euro investiert, dieses Jahr werden es 1,1 Milliarden Euro sein. Ein großer Teil wird in Mitarbeiter, Infrastruktur, Prozesse und Systeme fließen, die mit E-Commerce zu tun haben. Regional investieren wir am stärksten in die Aufholjagd in den USA.

Dort könnte Ihnen die Trump-Regierung reingrätschen, wenn sie hohe Einfuhrzölle auf in Asien gefertigte Sportschuhe erhebt.
Das glaube ich nicht. Alle Hersteller produzieren zwischen 80 und 90 Prozent in Asien. Würden die USA Importzölle erheben, träfe das die gesamte Branche und die Konsumenten, die höhere Preise zahlen müssten. Wir beschäftigen rund 13.000 Mitarbeiter in den USA und bauen den Personalbestand noch weiter aus. Das alles wäre gefährdet, wenn wegen einer möglichen Steuer die Produkte teurer werden müssten und die Nachfrage sinkt. Massenproduktion von Turnschuhen in den USA würde es trotzdem nicht geben. Dafür fehlen schlicht die Fabriken.

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Aber Sie eröffnen im Sommer doch in Atlanta die zweite „Speed Factory“, die Sportschuhe in wenigen Stunden produziert?
In den Fabriken in Ansbach und bald auch in Atlanta können wir je eine halbe Million Paar Schuhe im Jahr herstellen. Eine Million Paare verkaufen wir aber im Moment pro Tag. Bei einem geplanten Wachstum von 11 bis 13 Prozent kommen jährlich 40 Millionen Paar Schuhe hinzu. Wir müssten also 80 Speed Factories eröffnen, um allein den Zuwachs zu decken. Das funktioniert nicht.

Trump schmückt sich gern mit Konzernchefs, die ihm helfen, als Schöpfer von Jobs zu glänzen – was tun Sie, wenn er bei Ihrer neuen Fabrik in Atlanta das rote Band durchschneiden wollte?
Wenn diese Anfrage käme, würden wir wahrscheinlich zusagen. Eine politische Meinung, ob ich eine Führungskraft mag oder nicht, steht mir nicht zu.

"Die Vergangenheit hat bei vielen einen nicht sehr guten Eindruck von der Fifa hinterlassen"

Nicht nur mit der Politik gibt es Probleme. Der Weltfußballverband Fifa, ein alter Adidas-Partner, ist im Visier der US-Justiz. Hat die Fifa unter dem neuen Chef Gianni Infantino nach den Korruptionsskandalen der vergangenen Jahre wirklich einen neuen Weg eingeschlagen?
Ich glaube, nicht alle sind davon überzeugt. Die Vergangenheit hat bei vielen einen nicht sehr guten Eindruck von der Fifa hinterlassen. Die Öffentlichkeit möchte sehen, dass sich jetzt wirklich etwas ändert. Das wird nicht über Nacht passieren, aber es muss Stück für Stück vorangehen.

Was sagen Sie Infantino, wenn Sie ihn treffen?
Genau das, wortwörtlich.

Sie kennen die Hightechwelt von innen – warum hat die Digitalisierung im Sport noch keinen Durchbruch erlebt? Chips in Bällen und Schuhen gab es schon vor Jahren, durchgesetzt hat sich nichts.
Stimmt, das hat nie funktioniert. Für den Konsumenten brachte es keinen Mehrwert. Denken Sie zurück und fragen Sie sich, was die erste Killer-Anwendung für ein Telefon war? SMS. Was war die erste Killer-App bei der Digitalisierung? E-Mail. Bisher fehlt ein Angebot, bei dem der Sportler sagt: Das bringt mir wirklich was. Wenn Sie regelmäßig Sport treiben, wissen Sie, wo Ihr Puls liegt, wie viele Kilometer Sie gelaufen sind und wie viele Kalorien Sie dabei verbrannt haben. Momentan ist die Fähigkeit, Informationen vom Körper zu bekommen, viel größer als die, diese Daten in einer sinnvollen Anwendung umzusetzen.

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Platz 3: VF Corporation Quelle: dpa Picture-Alliance

Arbeiten Sie an Lösungen dafür?
Wir sind mit unserer Laufsoftware Runtastic sicher auf dem Weg dahin. Aber auch das ist noch nicht die Killer-App.

Besteht die Gefahr, dass Google oder Apple auch noch diesen Markt kapern?
Nur unter der Voraussetzung, dass ein Monopol entsteht. Aber das bereitet mir keine schlaflosen Nächte. Ich sehe es eher als riesige Opportunität. Wir verkaufen 850 Millionen Produkte pro Jahr. Wenn wir nun Sensoren oder Technik einbauen, erhalten wir Millionen von User-Daten. Das ist ein Schatz, und den haben die Techangreifer nicht.

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