Air Berlin Trübe Aussicht für geschädigte Passagiere

Kommt der Flieger zu spät, gibt es eine Entschädigung. Das gilt auch für insolvente Airlines. Dass Passagiere von Air Berlin ihr Geld aber sehen werden, ist höchst fraglich. Und es gibt noch mehr schlechte Nachrichten.

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Wer gerade etwa seinen Weihnachtsurlaub und den Flug bei Air Berlin gebucht hat, kann sein Ticket nicht einfach so zurückgeben. Quelle: Reuters

Düsseldorf Nicht erst seit der Insolvenz steht Air Berlin in den Schlagzeilen. Schon länger klagen Kunden über zahlreiche Flugverspätungen und -ausfälle. Passagiere haben in solchen Fällen Anspruch auf Entschädigung. Ob die Krisen-Airline die jetzt aber noch auszahlen kann, ist unwahrscheinlich. Das Handelsblatt beantwortet die wichtigsten Fragen – mit oftmals unerfreulichen Antworten.

 Gibt es weiterhin Entschädigungen bei Flugverspätungen?

Grundsätzlich ja. Wenn sich Flüge verspäten oder sogar komplett ausfallen, haben Passagiere – gemäß der Europäischen Fluggastverordnung – Anspruch auf eine Entschädigungszahlung. Und dieser Anspruch gilt weiterhin, auch wenn Air Berlin insolvent ist. Bis zu 600 Euro bekommen Passagiere – abhängig von der Dauer, dem Grund der Verspätung und der Flugdistanz.

Was soll ich tun, wenn ich jetzt noch offene Forderungen gegen Air Berlin habe?

„Auf jeden Fall versuchen, sie geltend zu machen“, sagt Ronald Schmid, Reiserechtler beim Verbraucherschutzportal Fairplane. Kunden, die von Flugausfällen oder -verspätungen betroffen sind, können ihre Forderungen direkt bei Air Berlin einreichen oder aber Inkasso-Portale wie Fairplane oder Flightright damit beauftragen. Der Vorteil solcher Plattformen: Sie arbeiten mit Juristen zusammen und können auf die Airlines einen größeren Druck ausüben als Einzelpersonen.
Fest steht: Dem Kunden entstehen keine Nachteile, wenn er seine Forderungen einreicht. Bei den Portalen etwa fällt eine Provision erst dann an, wenn der Anspruch erfolgreich durchgesetzt wurde.

Wie sind die Erfolgsaussichten?

Darüber kann nur spekuliert werden. Es ist allerdings zu befürchten, dass die Entschädigungszahlungen in der Insolvenzmasse aufgehen und der Kunde am Ende gar kein Geld oder nur einen Teil zurückbekommt. „Air Berlin wird schleppend bis gar nicht bezahlen“, schätzt Reiserechtler Schmid. Aufgrund der zahlreichen Verspätungen in den vergangenen Monaten – und den daraus resultierenden Entschädigungsforderungen – sei die Verwaltung bei Air Berlin „schon jetzt völlig überlastet“. Ob Air Berlin die Entschädigungszahlungen leisten wird oder kann, darauf äußerte sich die Airline auf Handelsblatt-Anfrage bis zum Nachmittag nicht. Auch die Kommunikationsabteilung scheint überlastet.

Es ist davon auszugehen, dass die aktuell vorhandenen Gelder zunächst für den laufenden Flugbetrieb genutzt werden und zuerst die Schulden bei den großen Gläubigern, etwa bei Hauptaktionär Etihad, bezahlt werden. „Am Ende werden deshalb viele Passagiere leer ausgehen“, befürchtet Schmid.   Trotz der eher schlecht erscheinenden Aussichten, sollten Kunden ihre Ansprüche dennoch geltend machen. Denn zu verlieren gibt es nichts. Und womöglich kann Air Berlin noch einen Teil der offenen Forderungen begleichen. 

Sollte man weiterhin bei Air Berlin ein Ticket buchen?

Eher nicht – zumindest unter finanziellen Gesichtspunkten. Falls die Airline in Folge der Insolvenz den Flugbetrieb einstellt, verlieren die Tickets ihre Gültigkeit. Buchungsgäste werden damit automatisch zu Massengläubigern und sehen von ihrem Geld meist nur einen Bruchteil wieder. Zudem ist noch unklar, ob Air Berlin ab Mitte November – so lange soll der Überbrückungskredit in Höhe von 150 Millionen Euro den Flugbetrieb sichern – überhaupt noch Flüge anbieten wird.


Sind Gutscheine noch gültig?

Das Air-Berlin-Ticket ist schon gekauft: Kann ich es mir zurückgeben und erstatten lassen?

Wer gerade etwa seinen Weihnachtsurlaub und den Flug bei Air Berlin gebucht hat, kann sein Ticket nicht einfach so zurückgeben: Solange die Airline fliegt, sind auch die Passagiere an den durch den Ticketkauf zustande gekommenen Vertrag gebunden. Das gilt auch, wenn ein Unternehmen insolvent ist. Wer trotzdem nicht mehr mit Air Berlin fliegen möchte, kann sein Ticket zurückgeben, muss dann aber auch die Storno-Gebühren bezahlen. Vor allem in den günstigeren Tarifen gibt es dann nur einen Teil des Ticketpreises zurück. Nur bei den höherpreisigen Tarifen wird der volle Preis erstattet.

Verbraucherschützer raten aber davon ab, die Tickets zu stornieren. Die bereits gezahlten Flugpreise gehören nämlich zur Insolvenzmasse. Und Rückzahlungen sind – wenn überhaupt – erst nach einem langwierigen Insolvenzverfahren zu erwarten. Derzeit hat die Insolvenz keine direkten Auswirkungen auf den Flugverkehr. Flugpläne und -tickets behalten ihre Gültigkeit, alle Flüge finden weiterhin statt.

Ich habe noch einen Gutschein von Air Berlin. Ist er noch gültig?

Die schlechte Nachricht lautet: Nein. Denn sobald sich ein Unternehmen insolvent ist, darf es keine Gutscheine mehr einlösen. Der Kunde hat allein die Möglichkeit eines sogenannten Ersatzanspruches. Dieser muss im Konkursverfahren angemeldet werden. Wenn überhaupt, dauert es, bis der Wert des Gutscheins wieder ausgezahlt wird.

Was ist mit meinen Topbonus-Meilen?

Kunden von Air Berlin können derzeit keine Bonus-Meilen in Prämien oder Flüge einlösen. Dieser Dienst des Vielflieger-Programms Topbonus sei vorübergehend nicht verfügbar, teilte eine Etihad-Sprecherin am Donnerstag mit. Man warte auf zusätzliche Informationen von Air Berlin. Ob ein technisches Problem vorliegt oder ob es andere Gründe gibt, war den Angaben nicht zu entnehmen. Die arabische Fluggesellschaft Etihad ist Eigentümerin von Topbonus.

Was müssen Pauschalreisende wissen?

Sie sind einer vergleichsweise komfortablen Situation: Anders als beim Einzelverkauf von Flugtickets sind Pauschalreisende abgesichert, weil sie den Vertrag nicht mit der Airline, sondern mit dem Reiseveranstalter geschlossen haben. Der Veranstalter haftet und muss demjenigen, der im Paket gebucht hat, einen Ersatzflug organisieren. Das gilt schon seit Jahren – auf Anordnung der EU-Kommission.

Und die Inkasso-Portale?

Sowohl bei Fairplane als auch bei Flightright stehen die Telefone seit der Insolvenz nicht mehr still, bestätigten beide auf Handelsblatt-Anfrage. Bei anderen Anbietern dürfte es ähnlich sein. Allein bei Fairplane wurden nach eigenen Angaben fast 3800 Air-Berlin-Fälle zwischen Januar und Mai 2017 gezählt – 114 Prozent mehr als im Vorjahr. Jeder vierte Fall betrifft in diesem Jahr die Krisen-Airline, 2016 waren es nicht mal zehn Prozent gewesen, teilte Fairplane mit.

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