Airport-Chef Michael Kerkloh „München ist eine Art Paradies“

Der Flughafen München wächst kräftig. Chef Michael Kerkloh will den weiteren Ausbau – auch gegen Widerstände. Im Handelsblatt-Wirtschaftsclub spricht er über Geburtsfehler des Airports und „obszöne“ Ticketpreise.

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Die Münchner Bürger haben sich 2012 mehrheitlich gegen eine dritte Startbahn ausgesprochen. Quelle: dapd

München Michael Kerkloh ist ein alter Hase im Flughafengeschäft. Seit 15 Jahren führt er den Flughafen München und hat ihn in dieser Zeit in die erste Liga der Branche geführt. Auch deshalb, weil er die Dinge beim Namen nennt. Wenn sein Marketing den Flughafen als den „einzigen Fünf-Sterne Airport“-Europas anpreist, dann liefert der Westfale seine eigene Interpretation. „Wir wollen der einzige Großflughafen sein, den man nicht hasst“.

Und so war es ein ebenso interessantes wie kurzweiliges Gespräch, das Handelsblatt-Autor Hans-Jürgen Jakobs mit Kerkloh im Handelsblatt-Wirtschaftsclub am Dienstagabend vor mehr als 100 Lesern führte. Über Flüge für 19,99 Euro nach Mallorca, die Kerkloh „obszön“ findet, weil davon niemand seine Angestellten bezahlen könne.

Über den Geburtsfehler des Flughafens München, der trotz aller Pracht bis heute mit der S-Bahn schlecht und mit dem ICE gar nicht zu erreichen ist. Und über seinen Großkunden Lufthansa, der demnächst einen Teil seiner A380-Flotte von Frankfurt nach München verlegt, weil die Fluggäste für ihre Tickets von der Isar aus mehr bezahlen als nirgendwo sonst in Deutschland.

Und tatsächlich geht es im Erdinger Moos weiter bergauf. Sechs Prozent Passagierwachstum dürften es in diesem Jahr sein, im kommenden Jahr rechnet Kerkloh mit einem ähnlich starken Wert. Zwar dürfte ihm die Air-Berlin-Pleite im Schlussquartal „eine Delle“ bescheren, doch die Lücke werde schnell von anderen Carriern gestopft, aus nah und fern.

So sei für viele asiatische Fluggäste „München eine Art Paradies“, wo sie Erholung fänden, Ärzte besuchten und Wohnungen kauften, weiß Kerkloh. Der Flughafen lebt wie die Stadt selbst mittlerweile vom Gesetz der Masse: Wo schon viel ist, kommt viel dazu. Selbst die Billigflieger Easyjet und Ryanair, die München wegen der hohen Landegebühren bislang mieden, sind nun Kunden am Terminal 1. Der soll übrigens für „einige hundert Millionen Euro“ ausgebaut werden, damit auch Emirates seine A380 ordentlich abfertigen kann.

Und damit ist Kerkloh gleich bei seinem Herzensthema: die dritte Startbahn. Schon lange reichten die Kapazitäten in München nicht mehr aus, klagt der Flughafenchef, der seit über einem Jahrzehnt für das Projekt kämpft. Doch die Stadt München sieht sich als einer der drei Gesellschafter an den Bürgerentscheid von 2012 gebunden, in dem das Projekt abgelehnt wurde. Der Freistaat Bayern und der Bund hingegen sind für den Ausbau.

„Wir haben das Wachstum, wir haben das Geld und wir haben Baurecht“, sagt Kerkloh. Die Entscheidung sei jetzt eine politische, er sei „nur Zuschauer“ und wirbt gleichzeitig mit Verve für den mindestens 1,5 Milliarden Euro teuren Ausbau. Damit die betroffenen Anwohner geschützt und entschädigt werden, wolle er „tief in die Taschen“ greifen. Dass Politiker sich an dem Projekt nur noch ungern die Finger verbrennen möchten, weiß er genau.

Für den Ausbau setzt Kerkloh auf seinen Aufsichtsratschef Markus Söder. Der ist zur Zeit aber eher damit beschäftigt, seinen CSU-Rivalen Horst Seehofer als Parteichef abzulösen. Letztlich geht es um das Erbe von Franz-Josef Strauß. Der ist bis heute Namensgeber des Flughafens, als Symbol des Wandels Bayerns vom Agrarstaat zur europäischen Champions-Region.

Eines ist sicher: Söder-Idol Strauß würde sicher seinen Segen erteilen, ein kleines Stück bayrischer Landschaft einer weiteren Startbahn und damit dem Fortschritt zu opfern.

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