Aixtron, Osram & Co. Mit dem Griff in die Mottenkiste gegen offene Märkte

Der Experte für Übernahmen und Fusionen Matthias Schwierz warnt vor deutsch-europäischem Protektionismus gegen chinesische Investoren, die westliche Unternehmen kaufen.

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Nicht zu verkaufen für Chinesische Investoren. Quelle: Fotolia

In den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich die Ereignisse überschlagen: Im Oktober gab das Bundeswirtschaftsministerium ein Eckpunktepapier in die Ressortabstimmung, das im Rahmen der Europäischen Union mehr Möglichkeiten eröffnen soll, Übernahmen von Unternehmen durch nicht-europäische Investoren zu verhindern. EU-Kommissar Günther Oettinger begrüßte die Pläne bereits öffentlich als wichtigen Punkt auf der EU-Agenda.

Fast zeitgleich hat die Bundesregierung zudem die Übernahme des Chip-Anlagenbauers Aixtron durch die chinesische Investorengruppe Fujian Grand Chip Investment (FGC) überraschend gestoppt. Der Übernahme-Deal, der eigentlich seit September besiegelt war, sollte dem finanziell angeschlagenen Anlagenbauer zurück in wirtschaftlich ruhigeres Fahrwasser verhelfen. Schließlich wurde bekannt, dass auch beim Leuchtmittelhersteller Osram der Einstieg chinesischer Bieter vertieft geprüft wird.

Der Kurswechsel überrascht, denn Deutschland hat mit chinesischen Übernahmen fast ausnahmslos gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht: Die Beispiele Putzmeister (Betonpumpen), Kiekert (Autoschlösser) oder Kion (Gabelstapler) zeigen, dass sich diese Unternehmen mit ihren neuen chinesischen Eigentümern erfolgreich weiter entwickelt haben. Wer soll also eigentlich wovor geschützt werden? Es bleibt zu hoffen, dass der Protektionismus nicht zum neuen Trend in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen dieses Jahrzehnts wird.

Matthias Schwierz ist Vorstand im Bundesverband M&A Quelle: PR

Auch ohne dass es bisher explizit formuliert wurde, scheint eines doch immer klarer zu werden: Die Bundesregierung fürchtet den Ausverkauf der mittelständischen Technologieführer, nicht zuletzt an China. Tatsächlich wurden im ersten Halbjahr 2016 schon 37 Übernahmen durch chinesische Investoren in Deutschland registriert – eine Rekordzahl.

Im Ranking der größten Investoren landet China inzwischen auf dem dritten Platz nach den USA und der Schweiz und deutlich vor Großbritannien und Frankreich, zeigen Zahlen des Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmens EY. Und die Dynamik scheint ungebrochen. Das wiederum ist nicht verwunderlich, denn es ist schon seit 15 Jahren erklärtes Ziel der chinesischen Außenwirtschaftspolitik, insbesondere in den USA und Europa strategisch interessante Firmen zu übernehmen. Das wurde bislang im Großen und Ganzen als erfreuliche Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet. Der Wind hat sich offenbar gedreht.

Aus der Mottenkiste herausgeholt wird nun das deutsche Außenwirtschaftsgesetz mit seinen Investitionsprüfungsverfahren, die es ja schon länger in zwei Formen gibt: zum einen für den Erwerb von Rüstungs- und IT-Sicherheitsunternehmen, zum anderen unabhängig von der betroffenen Branche für alle Übernahmen aus dem außereuropäischen Ausland von 25 Prozent und mehr der Stimmrechte. Dabei ist der Prüfungsmaßstab eng umrissen: Es geht darum, ob der konkrete Erwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.

Der Gesetzgeber hatte bei der Gestaltung dieser Vorschriften dabei vor allem Schlüsselbranchen der öffentlichen Versorgung wie Telekommunikation oder Elektrizität im Blick. Das Verfahren ist insofern interessant, als es keine allgemeine Genehmigungspflicht gibt. Das Bundeswirtschaftsministerium kann im Einzelfall von Amts wegen aktiv werden, im Klartext heißt das, es sucht sich die Fälle selbst aus. Umgekehrt können Erwerber ihrerseits – wie im Fall Aixtron oder Osram – vorab eine Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragen.

Deshalb galten die Kontrollen ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland bisher eher als kulant. Das könnte sich möglicherweise nun ändern. Geht es nach dem bekannt gewordenen Eckpunktepapier, dann wird die Investitionsprüfung auf Übernahmen ausgedehnt, bei denen es um so genannte Schlüsselindustrien für den wirtschaftlichen Fortschritt geht.

Das wäre geradezu eine Generalklausel und käme einer allgemeinen Genehmigungspflicht für Investitionen aus außereuropäischen Ländern, vor allem den USA und China, gleich. Dies würde den M&A-Markt in Deutschland massiv beeinflussen und zugleich eine Abkehr von der bisherigen Außenwirtschaftspolitik bedeuten, die eher auf offene Märkte mit Anerkennung und Gleichbehandlung ausländischer Unternehmen (Reziprozität) setzte.

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