WirtschaftsWoche: Herr Caparros, zum Start ein Wissenstest aus dem Bereich Heimatkunde: Wie viele Gartenzwerge gibt es in Deutschland?
Caparros: Keine Ahnung. Sicher deutlich mehr als in meiner Heimat Frankreich.
Rund 25 Millionen, ihr häufigster Name ist Gustav. Das lernen die Kunden, die bei Ihrer neuen Sammelbildaktion „Unser Deutschland“ mitmachen. Wie erfolgreich sind solche Sticker-Kampagnen?
Obwohl wir jetzt schon mehrere Sammelbildaktionen hatten, läuft es ausgezeichnet. Es ist ein kleines Phänomen, vor allem die Kinder sind begeistert…
...und die Eltern, die den Spaß bezahlen müssen, zunehmend genervt.
Nicht nur die. Ich bin selbst Vater eines Sohnes. Wenn ich ihn gelegentlich morgens zur Schule bringe oder abends abhole, fragen mich seine Klassenkameraden des Öfteren, ob ich nicht Rewe-Aufkleber dabeihabe. Oder mein Sohn wurde gebeten, noch unbedingt ein Lukas-Podolski-Sammelbild zu besorgen. Aber daran sieht man: Das Konzept funktioniert, es macht Rewe sympathischer, steigert die Kundenfrequenz und die Kundenbindung.
2012 hat die Rewe Group 49,7 Milliarden Euro umgesetzt und damit einen Rekord erzielt. Geht es 2013 so weiter?
In den ersten Monaten lagen wir in Deutschland sowohl mit unserer Discount-Sparte Penny als auch im Vollsortiment – also vor allem den Rewe-Supermärkten – bei einem Umsatzplus von rund fünf Prozent. Das war mehr, als wir selbst geplant hatten. Auch das Ostergeschäft lief zufriedenstellend. Im Ausland haben wir eine vergleichbare Entwicklung. Bemerkenswert ist, dass es langsam auch in Krisenländern wie Rumänien und Bulgarien wieder aufwärtsgeht. Wenn uns jetzt keine großen Rückschläge noch das Geschäft verhageln, rechnen wir auch für das Gesamtjahr 2013 mit sehr vernünftigen Ergebnissen.
Im Februar wurde Pferdefleisch in Fertigprodukten entdeckt, jetzt gibt es neue Verdachtsfälle. Wie hat sich der Skandal auf Ihr Geschäft ausgewirkt?
Die Umsätze in den betroffenen Produktgruppen sind spürbar zurückgegangen. Noch ärgerlicher ist allerdings, dass wieder eine Debatte über die Lebensmittelsicherheit ausgebrochen ist. Das überdeckt eine Tatsache: Bei der Lebensmittelqualität ist Deutschland Weltmeister, es wird extrem viel geprüft und untersucht. Gegen Betrug gibt es einfach keinen 100-prozentigen Schutz.
Die Deutschen gelten als besonders preissensibel. Trifft die Kunden eine Mitschuld an den Lebensmittelskandalen?
Auf keinen Fall. Wenn einem Verbraucher auf der Verpackung Rindfleisch versprochen wird und es ist Pferdefleisch drin, dann ist das schlicht Betrug. Das ist auch nicht mit dem harten Preiskampf zu entschuldigen.
Wie werden sich die Lebensmittelpreise in diesem Jahr entwickeln?
Sie werden eher stabil bleiben, obwohl die Rohstoffpreise für Nahrungsmittel zuletzt wieder deutlich gestiegen sind. Die Preise für Zucker, Weizen und Fleisch beispielsweise haben sich im Vergleich zum Vorjahr kräftig erhöht. Aktuell ziehen wegen der außergewöhnlichen Witterungsbedingungen die Preise für Obst und Gemüse spürbar an. Das müssen wir auffangen, da für die Verbraucher der Preis immer noch das entscheidende Kaufkriterium bleibt und der Wettbewerb uns kaum Spielraum für Erhöhungen gibt.
Trotz des Gegenwinds an der Preisfront wollen Sie in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro investieren. Was haben Sie vor?
Wir wollen rund 300 Märkte im In- und Ausland neu eröffnen und investieren massiv in den Umbau und die Modernisierung von 1700 Filialen. Wir splitten unser Investitionsbudget also auf. Einen Teil des Geldes müssen wir in die Restrukturierung unserer Discount-Tochter Penny stecken. Der größere Part fließt aber weiter in die Supermärkte von Rewe in Deutschland und Billa im Ausland. Es wäre ein Fehler, jetzt die Gewinnbringer zu vernachlässigen. Dann hätten wir in einigen Jahren eine noch viele größere Baustelle als Penny.
Online-Handel bei Rewe
Wann bringen Sie Penny wieder auf Kurs?
Wir haben bis heute bereits mehr als 800 Märkte umgerüstet. Und wenn wir die Umsatzentwicklung vor und nach den Umbauten vergleichen, zeigt sich ein deutliches Plus in den modernisierten Filialen, das klar über der auch ansonsten positiven Entwicklung auf vergleichbarer Fläche liegt. Daher steigern wir das Tempo jetzt noch einmal. In diesem Jahr wollen wir 700 Penny-Märkte in Deutschland umbauen. Rein rechnerisch müssen wir mehr als zwei Märkte pro Tage renovieren.
Zu Ihren Problemfeldern zählt auch die Elektronikkette ProMarkt. In der Branche heißt es, Sie wollen Standorte schließen.
Wir prüfen alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation. Zum Beispiel auch die Optimierung der Filialstandorte wie in unserem Testmarkt in der Kölner Opernpassage. Tatsache ist: Die Prüfung solcher Optionen ist ergebnisoffen, und es gibt noch keine Entscheidung, wie wir weitermachen.
Was lief schief?
Bei ProMarkt haben wir den Online-Trend verschlafen – das war unser größter Fehler. Ich bin heute noch überrascht, wie schnell die Entwicklung uns überrollt hat. Im Weihnachtsgeschäft ließ sich das fast in einer Fallstudie nachvollziehen: Die Märkte waren zwar gut besucht, aber die Kunden kauften nicht unbedingt im Laden, sondern bestellten oft lieber online. Und leider viel zu häufig bei anderen Online-Anbietern.
Wie tangiert das Wachstum des Online-Handels die Rewe-Gruppe insgesamt?
Er stellt uns vor erhebliche Herausforderungen. Wer hätte gedacht, dass ein Unternehmen wie der Online-Anbieter Zalando innerhalb von wenigen Jahren seinen Umsatz auf mehr als eine Milliarde Euro steigert? Wir haben das Glück, dass die Online-Entwicklungen unser Kerngeschäft – den Lebensmittelhandel – nicht mit der Wucht und Geschwindigkeit treffen wie den Mode- und den Elektronikhandel. Hier sind dramatische Veränderungen erkennbar. Aber auch wir spüren Verschiebungen. Tiernahrung, Wein, Spirituosen oder auch Drogerieartikel und Kosmetik werden zunehmend im Netz gekauft.
Wie reagieren Sie darauf?
Zum einen wollen die Kunden in unseren Geschäften künftig nicht nur Lebensmittel kaufen, sondern wünschen mehr Service und Beratung. Wir gehen weg vom reinen Massengeschäft und versuchen, die Kunden zu Gästen zu machen. Zum anderen spielen wir im Online-Lebensmittelhandel aktiv mit.
Sie meinen den Belieferungsservice von Rewe und die Drive-in genannten Abholstationen für im Internet bestellte Lebensmittel. Werden die Online-Möglichkeiten von den Kunden denn überhaupt genutzt?
Die Drive-in-Ansätze, die in Frankreich sehr gut laufen, funktionieren in Deutschland nicht sonderlich gut. Wir entwickeln diese Konzepte zwar vorsichtig weiter, aber unser Fokus liegt auf dem Belieferungsservice. In den Ballungszentren spüren wir inzwischen eine zunehmende Bereitschaft der Menschen, via Internet Lebensmittel zu bestellen, auch wenn die Erträge noch lange nicht das Niveau erreicht haben, das wir brauchen. Den Lieferservice bieten wir mittlerweile in den Großstädten Hamburg, Berlin, Köln, Düsseldorf und Frankfurt an – außerdem im hessischen Homberg. Und im Frühsommer kommt München dazu.
Warum beteiligen Sie sich nicht an Online-Händlern?
Wir wollen innerhalb der kommenden Monate eine Art Inkubator für Startup-Unternehmen aufbauen und werden uns dabei auch an jungen Online-Firmen beteiligen. Wir haben die Online-Entwicklung zu lange unterschätzt, vielleicht auch, weil uns als stationär geprägten Händlern die DNA für das E-Commerce-Geschäft fehlt. Daher müssen wir ein Stück dieser Web-Kultur in unser Unternehmen implementieren, wobei der Bereich autonom von den Konzernstrukturen arbeiten wird. Wohin der Online-Zug fährt, weiß niemand genau, wie schnell er fährt auch nicht. Ich weiß nur, dass wir an Bord sein müssen.