Aldi droht PR-Desaster Belastete Schokolade verdirbt Aldis China-Start

Aldi Süd startet in China und positioniert sich als Edelmarke, unter anderem mit teurer Schokolade. Doch schon droht das erste PR-Desaster: Ausgerechnet in der Schokolade hat das chinesische Ökotest Schadstoffe gefunden.

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Aldi-Präsentation in China Quelle: Lea Deuber

Ein Laufsteg, kreischende Fans und Bio-Penne mit Kräutern – Aldi hat diese Woche mit viel Tamtam seinen Markteintritt in China gefeiert. In einem der teuersten Clubs Shanghais leistete sich der deutsche Billig-Discounter ein glamouröses Fest. Höhepunkt war eine Fashion-Show: Das Unternehmen hatte mehrere chinesische Star-Designer eingeladen, Mode mit Produkten von Aldi zu kreieren. Models führten die Entwürfe bei knalliger Musik in engen Kleidern vor, verziert mit Getränkepackungen, Brezeln und Schokolade im Haar.

Ziel der Show: Aldi Süd will sich in China als Premiumanbieter positionieren.

Die chinesische Lebensmittelindustrie wird immer wieder von Skandalen erschüttert. Verunreinigte Lebensmittel und Giftstoffe verunsichern die chinesischen Verbraucher. Sie wollen keine Billigprodukte, sondern kaufen ausländische Produkte in der Hoffnung, bessere Qualität zu bekommen. Dafür sind sie auch bereit, viel Geld auf den Tisch zu legen – vor allem bei Produkten, die für ihre Kinder bestimmt sind.

Aldi macht also auf Edelmarke und gute Qualität. Der Discounter eröffnet zudem keine Läden, sondern startet mit einem Onlineshop auf Tmall Global, der Onlinehandelsplattform von Alibaba. Dort können Kunden nun Frühstücksprodukte wie Milchpulver und Müsli, Nüsse und Wein aus Australien bestellen. Der Rotwein, den Aldi in China verkauft, kostet knapp 20 Euro (149 Kuai) plus Zoll. Das gleiche Produkt kostet in Australien 4,10 Euro (31 Kuai). Noch größer ist der Unterschied beim Weißwein.

„Handverlesen für dich“ lautet Aldis Slogan in China

Und für Schokolade müssen die Kunden bis zu 5,30 Euro auf den Tisch legen. In Deutschland gibt es vergleichbare Produkte für unter einem Euro. „Wir haben ambitionierte Pläne für China“, erklärt China-Chef Christoph Schwaiger über die Strategie in China. „Wir freuen uns über das große Potential des chinesischen Marktes und den Wunsch des chinesischen Kunden nach Qualitätsprodukten.“ Slogan des Unternehmens in China: „Handverlesen für dich“.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Bei der Eröffnung wirkt Christoph Schwaiger ein wenig verloren zwischen den chinesischen Superstars, die er selbst für den Abend engagiert hat. Die angereisten PR-Teams der chinesischen Sternchen diktieren den Deutschen den Ablauf. Kameraleute schubsen ihn herum, er steht mehrfach im Weg. Das Foto nicht verwenden, dies bitte nicht anfassen, wird geschnauzt.

Interviews mit Schwaiger wollen die Journalisten nicht. Sie scheinen nur für die bekannten Gesichter aus China gekommen zu sein, die sich vor einer Wand mit Aldi-Logo ablichten lassen und parallel mit Fragen zu ihrer Karriere bombardiert werden. Aldi hat sogar den bekannten chinesischen Schauspieler Chen Kun engagiert, der in China Millionen Fans hat.

Das sind die größten Einzelhändler der Welt
Rang 10: AmazonDie Beratungsgesellschaft Deloitte hat die Unternehmen der Einzelhandelsbranche untersucht und die umsatzstärksten Händler ermittelt. Erstmals in die Top 10 hat es Amazon geschafft. Der Online-Riese aus den USA hat 2015 79,268 Milliarden US-Dollar umgesetzt und damit die Metro-Gruppe aus der Spitzengruppe verdrängt, die es mit einem Umsatz von 68 Milliarden Dollar nur noch auf Rang 13 schaffte. Quelle: Deloitte, Global Powers of Retailing 2017 Quelle: REUTERS
Rang 9: TescoIm Vorjahr noch auf Rang 5, reichte es für die britische Handelskette mit einem Umsatz von 81,019 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 nur noch für Rang 9. Die 1919 gegründete Supermarktkette ist weltweit tätig. Quelle: REUTERS
Rang 8: AldiDer deutsche Billigheimer rutscht mit einem Umsatz von 82,164 Milliarden US-Dollar von Rang 7 auf Rang 8. Gerade die Expansion nach China und die Pläne, weltweit mehr als 3000 neue Filialen zu eröffnen, dürften den Umsatz in den kommenden Jahren weiter antreiben. Quelle: dpa
Rang 7: Carrefour Das französische Einzelhandelsunternehmen wurde 1959 gegründet. Mittlerweile setzt es 84,856 Milliarden US-Dollar um, damit rutscht Carrefour um einen Platz gegenüber dem Vorjahr ab. Quelle: dapd
Rang 6: The Home Depot Stand die US-amerikanische Baumarktkette im vergangenen Jahr noch auf Rang 9, hat sie es in diesem Jahr mit einem Umsatz von 88,519 Milliarden US-Dollar auf Rang 6 geschafft. Das Unternehmen betreibt mehr als 2000 Baumärkte und beansprucht, die weltweit größte Baumarktkette zu sein. Quelle: AP
Rang 5: Walgreens Boots AllianceEbenfalls aus den USA stammt die Apothekenkette Walgreens Boots Alliance. Das 1901 gegründete Unternehmen erklimmt mit einem Umsatz von 89,631 Milliarden US-Dollar Rang 5 und macht damit fünf Plätze gegenüber dem Vorjahr gut. Quelle: AP
Rang 4: Schwarz-GruppeWie im Vorjahr kommt die Schwarz-Gruppe, zu der die Unternehmen Lidl und Kaufland gehören, mit einem Umsatz von 94,448 Milliarden US-Dollar auf Rang 4. Die Schwarz-Gruppe ist damit der größte Einzelhändler Europas. Genau so wie Aldi setzt auch Lidl aktuell auf einen internationalen Expansionskurs. Quelle: dpa

Koordinator des Aldi-Remakes ist die internationale PR-Agentur Ogilvy & Mather Shanghai, eine der größten Werbeagenturen der Welt. Sie hat schon mehreren internationalen Firmen bei ihrem Markteintritt in China geholfen. Für die Agentur ist klar: In China haben ausländische Marken noch einmal eine völlig neue Chance sich zu positionieren. Aldi ein Billig-Discounter? Wissen doch die Verbraucher in China nicht. Die greifen für ausländische Produkte tief in die Tasche und wenn ein Unternehmen wie Aldi auch noch Made in Germany auf die Etiketten kleben kann, umso besser.

„Premium-Schokolade zum fairen Discounter-Preis“

Auch Thomas Böwer ist bei der Eröffnung in Shanghai dabei. Er bleibt nicht lange und geht noch vor der Fashion-Show. Er arbeitet in Peking und leitet die chinesische Verbraucherplattform OKOer, die seit zwei Jahren in China Produkte testet. Finanziert wird das Projekt unter anderem von der ddvg, der Medienholding der SPD sowie von drei chinesischen Investoren.

Böwer hat für die Veranstaltung eine Einladung bekommen. Denn was Aldi-Chef in China Christoph Schwaiger zu dem Zeitpunkt schon weiß, während er bei der Feier über die Qualitätsmarke Aldi spricht: Böwer hat die 11 Schokoladen-Sorten getestet, die Aldi nun in China kauft. Ihre Namen flimmern an dem Abend über den Laufsteg: Moser Roth in brauner, purpurner und goldener Verpackung.

In Deutschland bewirbt das Unternehmen die Schokolade mit „Premium-Schokolade zum fairen Discounter-Preis“. Ein Model trägt ein Kleid mit dem Aufdruck der Verpackung. "Schokolade mit 85 Prozent Kakao", blitzt es von ihren Hüften. Dazu träumerische Musik und Menschen, die erzählen, warum ihnen die Qualität von Lebensmitteln für ihre Kinder besonders wichtig sei.

Das Ergebnis der getesteten Schokolade: Dreimal „ungenügend“, dreimal „mangelhaft“. In ihnen wurden Mineralölbestandteile gefunden. Die Discounter-Ware aus China wurde dafür extra nach Deutschland geflogen und in Speziallaboren geprüft. Alles nach dem gleichen Verfahren, das Ökotest auch für deutsche Lebensmittel verwendet.

Dass Böwer sich die Aldi-Schokolade ausgesucht hat, ist kein Zufall: „Wenn jemand wie Aldi neu auf den Markt in China geht und sagt, wir bringen gute Qualität, dann schauen wir uns das genauer an.“

Die umsatzstärksten Discounter Deutschlands

In der Vergangenheit sind bei mehreren Schokolade-Herstellern Mineralölbestandteile gefunden worden. Sie stammen möglicherweise aus behandelten Jutesäcken, in denen Kakaobohnen transportiert werden, so die Vermutung der Experten. „Die nachgewiesenen Mineralölbestandteile können sich im Körper anreichern und Anteile enthalten, die schon in kleinsten Mengen Krebs erregen.“ Verboten sind die Zusatzstoffe nicht. „Aber wenn man damit wirbt, gute Ware zu verkaufen, muss man so etwas verhindern“, sagt Böwer. Dies gelte vor allem bei den teilweise in der Schokolade entdeckten aromatischen Kohlenwasserstoffen (MOAH). „Da hört der Spaß auf“, so der Experte. Er will sich nicht dazu äußern, was er von der Show von Aldi an dem Abend hält, schiebt dann aber doch hinterher: „So viel zu handverlesen für dich.“

Aldi in China hat bisher auf keine Presseanfragen reagiert. Die Testergebnisse der Verbraucherplattform kursieren inzwischen in den chinesischen sozialen Netzwerken. In China geraten immer wieder ausländische Unternehmen in die Kritik, wenn chinesische Verbraucher das Gefühl haben, ihnen würden Produkte mit schlechterer Qualität verkauft.

Am Donnerstag kommentierten bereits viele Nutzer die negativen Ergebnisse. Ein Nutzer schrieb verärgert: „Wie können das deutsche Produkte sein, wenn sechs von elf schlecht sind?“

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